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# taz.de -- StudiVZ-Mitglieder kuschen: Studenten heiß auf Werbung im Netz
> Die Nutzer des Portals StudiVZ protestieren nur ein bisschen gegen
> personalisierte Werbung: Ein Prozent lehnte die neuen Regeln ab, 90
> Prozent gaben Daten für gezielte Anzeigen frei.
Bild: "Ohne die echten Namen machts keinen Spaß mehr": Dateneingabe bei StudiVZ
"Dann bin ich ausgetreten." Bis vor kurzem war Andrea, Studentin in Bremen,
noch eins von 4,7 Millionen Mitgliedern im StudiVZ. Auf der Internetseite
treffen sich Jugendliche, knüpfen Freundschaften und flirten miteinander.
Weil das Studentennetzwerk die Benutzerprofile seiner Mitglieder
durchforstet, um ganz gezielt Anzeigen zu verkaufen, ist Studentin Andrea
ausgetreten. Werbung findet sie in Ordnung, das Vorgehen der
Seitenbetreiber nicht.
Damit ist sie nicht allein. Im Studentenverzeichnis, kurz StudiVZ, regt
sich Protest. Gegenseitig schreiben sich die Mitglieder Warnungen in ihre
Gästebücher und schließen sich in Gruppen zusammen: eine kleine
Studentenrevolte im Internet. Um personalisierte Werbung zu ermöglichen,
musste StudiVZ die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ändern. Das geriet im
ersten Anlauf so unglücklich, dass Politiker und Datenschützer den Verkauf
ganzer Benutzerprofile an Werbekunden fürchteten.
StudiVZ ist die größte Webseite im deutschsprachigen Raum. Im Dezember
wurde 5,3 Milliarden Mal geklickt. Yahoo, T-Online oder Spiegel Online
können da nicht mithalten. Durch die personalisierte Werbung soll StudiVZ
bis 2009 profitabel sein.
Weil das Vertrauen der Nutzer auf dem Spiel stand, wurden die Regeln
daraufhin geändert. Man habe sich missverständlich ausgedrückt, behauptet
Dirk Hensen von StudiVZ: "Wir haben Daten nie an Dritte verkauft und werden
das auch in Zukunft nicht tun."
Im zweiten Anlauf können die Mitglieder jetzt auswählen, ob sie der Nutzung
ihrer Daten für Werbung zustimmen möchten. Wenn nicht, können sie mit ein
paar Klicks widersprechen. Das erfordert allerdings einige Lesarbeit, eine
kurze Anleitung findet über die Gästebücher Verbreitung. Trotzdem wählt
nicht mal 1 Prozent der Mitglieder diese Option. 90 Prozent geben Alter,
Geschlecht, Studiengang und Wohnort für gezielte Werbung frei. Wer sich bis
Ende März nicht entschieden hat, wird ausgeschlossen.
Die Mitglieder plagen unterdessen andere Sorgen: Viele ihrer Kennelern- und
Kuschelpartner geben ihren richtigen Namen nicht mehr preis. Diese
Entwicklung beobachten auch die Macher der Seite. Nur langsam wird vielen
klar, dass sie ihre Daten nicht nur einem Unternehmen anvertrauen, sondern
auch gleich der ganzen Welt öffentlich mitteilen. "Ohne die echten Namen
machts keinen Spaß mehr", sagt Vanessa, eine Freundin von Andrea. Der Clou
bei StudiVZ sei eben, dass man Mitstudenten anhand ihres Namens finden
könne. Dieser Vorteil ist mittlerweile oft ein Nachteil.
Es hat sich herumgesprochen, dass potenzielle Arbeitgeber und
Lebensabschnittsgefährten gerne im StudiVZ nachschauen. Ein Personaler
verzichtete jüngst auf die Einstellung eines aussichtsreichen Bewerbers,
der sich ohne Hemmung im StudiVZ als Hardcore-Säufer outet - schön doof.
Bisher ist StudiVZ ein Zuschussgeschäft, über herkömmliche Werbung kommt
nicht genug Geld herein. Das soll sich ändern: Informatik-Studenten aus
Hannover kriegen Werbung vom Pizzadienst um die Ecke - für diesen
Werbetraum hat die Verlagsgruppe Holtzbrinck (Zeit, Tagesspiegel)
geschätzte 85 Millionen Euro ausgegeben und im vergangenen Jahr StudiVZ
gekauft.
Die Proteste der vergangenen Wochen haben das Investment kaum in Gefahr
gebracht. Tatsächlich habe man an ein paar Tagen mehr Austritte gezählt als
sonst, sagt Dirk Hensen. Dass sich 1 Prozent der Mitglieder abgemeldet
habe, fiele kaum ins Gewicht. "Wir wachsen jeden Tag fünfstellig, das
gleicht den Verlust um ein Vielfaches aus."
15 Jan 2008
## AUTOREN
Ole Reissmann
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