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# taz.de -- Umweltgezänk: Der Kampf um die Windmühle
> In Pankows Norden wird seit gestern Berlins erste Windkraftanlage
> errichtet. Das Rad ist ein Beitrag zum Klimaschutz, sagt der
> Umweltverband BUND - und jubelt. Das Rad gefährdet das Leben seltener
> Greifvögel, sagt der Naturschutzverband Nabu - und klagt gegen den Bau.
Bild: Seltsame Begegnung: Der Mensch und das Windrad. Nur der Rotmilan fehlt
Eine steife Januarbrise fegt am Freitagmorgen über den Bauplatz. Statt Sekt
wird Glühwein serviert bei der symbolischen Grundsteinlegung für Berlins
erstes Windkraftwerk. Pankows Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD) ist
sichtlich erleichtert: "Ich danke allen Beteiligten, dass Sie bei der
Stange geblieben sind."
Fünf Jahre lang wurde um den Standort im Gewerbegebiet Pankow Nord
gestritten, zuletzt ging alles blitzschnell: Im Dezember kam der
Genehmigungsbescheid, jetzt wird das Windrad gebaut. Bauherr ist die "Neue
Energie Berlin GmbH", die weitere 25 Anlagen in Brandenburg und
Sachsen-Anhalt betreibt. Die Windkraftanlage in Pankow soll 180 Meter hoch
werden und 4.000 Personen mit Strom versorgen.
Einziger Wermutstropfen: Der Naturschutzbund Nabu hat am Montag beim
Berliner Verwaltungsgericht Klage gegen den Bau eingereicht. Die werde
jedoch nicht in einem Eilverfahren behandelt, sagte ein Gerichtssprecher.
Deshalb werde nicht einmal die Zulässigkeit vorab geprüft. Das Rad kann
daher erst einmal gebaut werden. Nur falls der Nabu vor Gericht siegen
würde, müsste der immerhin 3 Millionen Euro teure Bau gestoppt werden. Bis
das Verwaltungsgericht die Klage bearbeitet, kann aber gut ein Jahr
vergehen. Frank Vach, der Betreiber der Windanlage, lässt sich davon nicht
beeindrucken: "Klar, das ist ein unternehmerisches Risiko, aber das sind
wir gewöhnt."
Pro Windrad:
Unberühte Natur sieht anders aus. Der umstrittene Bauplatz für die
Windanlage liegt zwischen einer Autobahn und Lagerhallen, nur wenige
hundert Meter entfernt von zwei Bahntrassen.
"Sie sehen ja, das hier ist ein belastetes Gewerbegebiet", sagt der
Pankower Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD). "Ich schenk den
Kollegen vom Nabu eine Brille", kalauert Klaus Mindrup,
SPD-Fraktionsvorsitzender in der Bezirksverordnetenversammlung Pankow.
Außer dem Nabu unterstützen alle Berliner Umwelt- und
Naturschutzorganisationen die SPD-Initiative für die Windkraftanlage. Den
Vorwurf des Nabu, dass die Umweltverbände nicht genügend in die Planung mit
einbezogen worden seien, teilt Andreas Jarfe vom Berliner BUND nicht. Es
habe intensive Gespräche mit dem Anlagebetreiber gegeben, die, so Jarfe,
sogar in den Räumen des Nabu stattgefunden hätten. Dieser war allerdings
schon damals gegen das Windrad.
Jarfe hält die Anlage im Pankower Norden für "ökologisch nicht weiter
bedenklich". Er betont stattdessen ihre Bedeutung für den Klimaschutz. Im
Vergleich zu Photovoltaikanlagen erbringe Windkraft die doppelte Menge an
Strom. "Das ist ein kleiner Beitrag zum Klimaschutz", sagt Jarfe. "Davon
brauchen wir viele."
Contra Windrad:
Der Rotmilan ist ein echter Wendeverlierer. Früher bewohnten die unter
Artenschutz stehenden Vögel den Grenzstreifen. Heute lebt noch ein letztes
Rotmilanpärchen in Berlin: drei Kilometer nordöstlich der Baustelle für das
Windrad. Zum Spatenstich ließ es sich allerdings nicht blicken, ebenso
wenig wie die Mitglieder des Nabu Berlin.
Der Naturschutzbund will das Vogelpaar unter allen Umständen vor dem
drohenden Tod durch Windrad-Zerschredderung bewahren. Er klagt daher gegen
den Bau des Windkraftwerks. Die Klage vor dem Verwaltungsgericht begründet
der Nabu allerdings nicht mit dem Angst um den Rotmilan. Der
Naturschutzbund sieht sich in das Genehmigungsverfahren nicht ausreichend
eingebunden.
Rotmilane sind, anders als die meisten Greifvögel, durch Rotorblätter
besonders gefährdet. Denn sie jagen kleine Nager, die gern in den Büschen
unterhalb der Windanlagen leben. "Hier wird ein symbolischer Beitrag zur
Rettung des Klimas aufgerechnet gegen die konkrete Gefährdung einer
bedrohten Vogelart", ärgert sich Reiner Altenkamp, zweiter Vorsitzender des
Nabu Berlin und Greifvogelexperte. Er möchte nicht als grundsätzlicher
Windkraftgegner gelten: "Es geht uns um den Standort."
Der liegt drei Kilometer vom Horst des Milanpärchens. Fünf Kilometer
Mindestabstand fordert Berlins oberste Naturschutzbehörde. Die bundesweite
Vorgabe durch den Dachverband Deutscher Naturschutzring liegt hingegen bei
nur einem Kilometer. Deshalb sind zwei weitere Windräder in Sichtweite der
Baustelle legal - sie stehen auf Brandenburger Boden.
18 Jan 2008
## AUTOREN
Dunja Batarilo
## TAGS
Schwerpunkt Artenschutz
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