# taz.de -- Forscher über Migranten in Medien: "Journalisten ignorieren Verbot… | |
> In den Medien werden Migranten durch pauschalen Abwertungen | |
> stigmatisiert. Kommunikationsforscher Ruhrmann analysiert Stereotype im | |
> Wahlkampf und in der Presse. | |
Bild: CSU-Plakat zur Kommunalwahl | |
taz.de: Herr Ruhrmann, wie ist die reißerische Berichterstattung über | |
kriminelle Ausländer in den letzten Tagen und Wochen zu bewerten? | |
Georg Ruhrmann: Sie ist Ausdruck eines über die Medien geführten | |
Wahlkampfes. Ein Ministerpräsident kämpft um seine Wiederwahl. Er hat | |
versucht, ein emotionales Thema mediengerecht aufzubereiten. Dabei wurden | |
Stereotype in Bezug auf junge Migranten aktiviert. Hinzu kam ein | |
vereinfachender Vorschlag zum Strafrecht - "Kinder in den Knast", titelten | |
die Zeitungen. Demoskopisch hat das für die Opposition gezogen. Die Medien | |
haben ihre Funktion erfüllt. Sie haben die Parolen zuerst verstärkt. Und | |
dann durchschaubar gemacht. | |
Was bedeutet das für das Bild von Ausländern in der Öffentlichkeit? | |
Viele Migranten, zumal im Einwanderungsland Hessen, fühlen sich pauschal | |
abgewertet. "Integration" als Ziel wird zumindest zeitweilig symbolisch | |
beschädigt und politisch unglaubwürdig. | |
Führt eine solche Berichterstattung zu mehr Fremdenfeindlichkeit? | |
Das ist ja nach Publikum und Zielgruppe unterschiedlich. Einerseits sehen | |
manche Wähler Ihre Vorurteile gegenüber Migranten bestätigt. Andererseits | |
fragen überraschend viele Bürger: Wieso eigentlich wird auf Kosten der | |
Migranten Wahlkampf gemacht? | |
Eigentlich verbietet der Pressekodex, die Selbstbeschränkung der Presse, | |
bei Verbrechen, die Herkunft oder Nationalität der Tatverdächtigen zu | |
nennen. | |
Ja, das ist sinnvoll und wurde ja auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen | |
aus der NS-Zeit vorgeschlagen. Gleichwohl führen ökonomische und | |
organisatorische Zwänge immer wieder und zunehmend dazu, dass Journalisten | |
dieses Gebot ignorieren. | |
Wann dürfen Journalisten Türken Türken nennen? | |
Diese Frage nach Gebot und Verbot ist schwierig. Als Wissenschaftler würde | |
man fragen, wann tun sie es denn tatsächlich. Sie tun es - das zeigt die | |
Forschung - häufiger in Konfliktsituationen, wenn Aggression und | |
normwidriges Verhalten im Spiel ist. Die Nennung von bestimmten | |
Nationalitäten kann den Nachrichtenwert vor allem von negativen Meldung | |
erhöhen. In den 80er und 90er Jahren hatten wir viele solcher Nachrichten, | |
die sind dann zum Glück seltener geworden. Heute werden - zumindest von | |
einzelnen Journalisten - stigmatisierende Nennungen von Nationalitäten | |
kritisiert. | |
Was weiß die Forschung über die Wirkung dieser Berichterstattung bei | |
Migrantinnen und Migranten? | |
Wir wussten bis vor kurzem darüber noch sehr wenig. Die ARD-ZDF-Studie über | |
"Migranten und Medien" zeigt zunächst, dass das Medienverhalten je nach | |
Alter und Bildung sehr unterschiedlich ist. Unsere Untersuchung zeigt | |
darüber hinaus, dass Migranten TV-Nachrichtenmeldungen zum Thema | |
Kriminalität emotionaler bewerten als inländische Rezipienten. Die | |
Medienwirkung ist klar einstellungsbedingt. | |
INTERVIEW: OLE REISSMANN | |
25 Jan 2008 | |
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Pressekodex | |
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