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# taz.de -- Ethnische Spannungen in Kenia: Am Gipfel der Elite
> Die Kikuyu am Mount Kenya fühlen sich zu Unrecht von anderen Ethnien
> verunglimpft. Der Berg steht für den Ursprung des Kikuyu-Volkes - und für
> die mit der Elite verbundenen Korruption.
Bild: Der Mount Kenya ist nicht nur der heilige Berg der Kikuyu, sondern auch b…
NYERI taz "Alles ist die Schuld der Briten", sagt Joseph Karimi und seine
alten Augen glitzern voller Wut. "Sie säen noch immer Zwietracht zwischen
uns, um ihre eigenen Interessen zu schützen. Schließlich besitzen sie noch
immer viel Land und Betriebe in Kenia". Der Schriftsteller lehnt sich
zurück und nimmt einen Schluck Tee auf der Terrasse von einem Hotel in
Nyeri, früher ein britischer Kolonialclub. Hinter ihm erhebt sich Mount
Kenya mit Eistupfern auf den felsigen Gipfeln in den blauen Himmel.
Der 5.199 Meter hohe Mount Kenya, der zweithöchste Berg Afrikas, spielt
eine wichtige Rolle in der Identität der Kikuyu, Kenias größte Ethnie. Der
Name des Berges steht in Kenia für die Clique von Kikuyu-Geschäftsmännern,
die angeblich Politik und Wirtschaft im Land dominiert. Die "Mount Kenya
Mafia" erregt tiefen Unmut bei den meisten der anderen 41 Ethnien Kenias.
Es geht um Freunde von Präsident Mwai Kibaki, selbst ein Kikuyu, der unter
dubiosen Umständen zum Gewinner der Präsidentenwahlen vom 27. Dezember 2007
ausgerufen wurde, was eine Spirale ethnischer Gewalt in Kenia ausgelöst
hat. Das Misstrauen sitzt tief. "Andere Völker mögen uns nicht, weil wir
hart arbeiten und erfolgreich sind", behauptet eine Kikuyu-Bäuerin in
Nyeri. Aber es gibt doch sicher auch hart arbeitende Menschen in anderen
Ethnien? "Nein", lautet ihre resolute Antwort. Der Consultant Simon Wachira
sagt: "Andere Völker fürchten uns, weil wir erfolgreich sind und eine
Supermacht sein können. Sie äußern ihre Angst durch Gewalt gegen Kikuyus."
Die Zentralprovinz Kenias ist das traditionelle Heimatgebiet der ingesamt
rund acht Millionen Kikuyus. Als die britische Kolonialherrschaft Ende des
19. Jahrhundert begann, ließen sich viele weiße Farmer im Kikuyu-Gebiet
nieder. Sie vertrieben die Einheimischen und zwangen die Landlosen dann,
für sich zu arbeiten. Auch die ersten Missionsschulen öffneten hier. So
kamen die Kikuyu als erstes Volk in Kenia in Kontakt mit europäischer
Bildung. Anfang der 50er Jahre rebellierten sie gegen die Briten in der
bewaffneten Revolte "Mau-Mau". Tausende wurden getötet, aber die Rebellion
brachte Kenia die Unabhängigkeit. Der harte Kern der Mau-Mau kam aus Nyeri
und Umgebung. Sie sind immer noch sehr anti-britisch eingestellt. Und sie
bilden heute den harten Kern der "Mount Kenya Mafia".
Nach der Unabhängigkeit 1963 kaufte Kenias erster Staatschef, der Kikuyu
Jomo Kenyatta, den auswandernden britischen Siedlern viel Land ab. Manches
behielt er für sich, anderes verschenkte oder verscherbelte er an Kikuyus.
Dadurch fühlen sich andere Ethnien übergangen. Dass erst 2002 wieder ein
Kikuyu Präsident wurde, Mwai Kibaki, änderte nichts an der Wahrnehmung, die
Kikuyus hätten sich selbst Privilegien geschaffen.Bei den Wahlen 2007
versprach Oppositionsführer Raila Odinga, Kenia von der "Mount Kenya Mafia"
zu säubern, die er im Umfeld des Präsidenten lokalisierte.
Für die Gegner der Kikuyu steht "Mount Kenya" für Korruption - den Kikuyu
ist der Berg heilig. Nach der Kikuyu-Überlieferung wohnt Gott auf dem
Berggipfel und schuf den ersten Kikuyu bei einem Baum im Ort Muranga
südlich von Kenia. Gott, der bei den Kikuyu Ngai heißt, nannte diesen Mann
Gikuyu und gab ihm eine Frau, Mumbi. Die beiden bekamen viele Töchter, von
denen das Kikuyu-Volk abstammt.
Bis heute gibt es eine Gedenkstätte dafür in Muranga, hinter einem hohen
Tor am Ende eines matschigen Weges auf einem Hügel. Zwei sehr besoffene
Männer aus dem Dorf haben den Schlüssel. "Es kommen selten Besucher", sagt
einer von ihnen mit großer Mühe. "Kikuyus nehmen sich keine Zeit, um Ngai
hier anzubeten. Wir sind zu beschäftigt mit Geldverdienen".
Im Zentrum von Muranga hat John Kariamiti, ein ehemaliger Bankräuber und
jetzt Schriftsteller und Verleger, sein Büro. Er liebt die Ruhe dieses
Städtchens, wo er ein neues Leben angefangen nach 16 Jahren Knast. Er
findet, seine Volksgenossen in Nyeri sind Extremisten. "Wir sind überhaupt
nicht besser als die anderen. Wir ergreifen bloß jede Chance mit beiden
Händen. Lasst uns Geschäfte machen und dafür sorgen dass es bei den
nächsten Wahlen keinen Kikuyu-Präsidentenkandidat gibt. Dann wird alles
gut".
Kariamiti hat seine Kinder als Kenianer erzogen. Jetzt ist er frustriert,
dass es nur noch um Ethnien geht. Als der freundliche, alte Mann seine
Erinnungen über seine Zeit als Bankräuber ausgräbt, zieht er Parallelen mit
der Politik von heute. "Mit einer Waffe in der Hand konnte ich alles
bekommen. Die Welt gehörte mir. Wenn Politiker Macht haben, können sie
alles bekommen und sich alles leisten." Dann hebt er warnend seinen Finger:
"Aber vergesse nicht: Hinter jedem Erfolg steckt ein Verbrechen".
5 Feb 2008
## AUTOREN
Ilona Eveleens
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