# taz.de -- Doku über Herumschweifende: Indianer von Los Angeles | |
> Mit Kent Mackenzies Film "The Exiles" (Forum) von 1961 zeigt die | |
> Berlinale einen der ersten Spielfilme mit dokumentarischem Anspruch. | |
Bild: Zwölf Stunden im Leben der Indianer von Los Angeles. | |
Vor der Ankunft der Europäer hatten die nordamerikanischen Ureinwohner | |
einen ganzen Kontinent zum Herumstreifen. Niemand zwang sie, etwas | |
Bestimmtes zu tun, sie lebten vom Maisanbau, das reichte. Im Jahr 1961 ist | |
dieses alte Leben schon tief in die Vergangenheit zurückgesunken. Es bleibt | |
in Kent Mackenzies Film "The Exiles" offen, ob der Native American, der | |
sich das Leben seiner Vorfahren in einem inneren Monolog auf diese Weise | |
ausmalt, nicht selbst schon einem Klischee erliegt und ob er nicht für das | |
eigene "Herumstreifen" ("roaming") schlicht eine Ausrede sucht. Zwölf | |
Stunden im Leben der Indianer von Los Angeles sind in "The Exiles" zu sehen | |
mit einem Minimum an dramatischer Handlung, durchsetzt von Melancholie, | |
immer wieder übertönt von der Musik der Zeit oder von den Werbe-Jingles. | |
Yvonne und Homer sind ein Paar, aber sie verbringen die Nacht nicht | |
gemeinsam. Er setzt sie einfach ab und zieht dann mit ein paar Kumpels | |
weiter durch die Bars von Bunker Hill. Dieses Viertel in Los Angeles war im | |
Lauf der Zeit zu einer Wohngegend für Arme geworden. In den späten | |
Fünfzigerjahren, als Kent Mackenzie zuerst einen Dokumentarfilm darüber | |
drehte, war es bereits von der Sanierung und Stadtentwicklung bedroht. | |
Mit "The Exiles" ist es in die Filmgeschichte eingegangen. Aber so, wie | |
diese charakteristische innerstädtische Umgebung verloren gegangen ist, | |
wäre auch der Film beinahe nicht überliefert worden. Erst kürzlich wurde | |
aus einem Originalnegativ des von Kent Mackenzie selbst intendierten | |
Schnitts die Restaurierung in die Wege geleitet - nun ist dieser Solitär | |
des amerikanischen Kinos wieder in der ganzen Qualität des nächtlichen | |
Schwarzweiß zu sehen. | |
Wer Vergleiche zu "Shadows" von John Cassavetes ziehen möchte, findet dafür | |
gute Gründe. "The Exiles" ist dabei aber ein ganz eigenständiges Werk, | |
unverkennbar aus einem dokumentarischen Interesse heraus entwickelt und | |
schon geprägt von einem Gedanken des Verlusts: Die Native Americans finden | |
in der Stadt keine Lebensgrundlage. Die Schleifung von Bunker Hill | |
erscheint dabei durchaus als ambivalentes Indiz, denn es steht - als | |
dubiose Vergnügungsmeile - auch für eine Abkehr von der Gegenwart. | |
Homer und seine Freunde wollen sich den Herausforderungen nicht stellen, | |
sie suchen "chicks" und "kicks", trinken Bier und spielen Karten, fahren | |
mit dem Auto wild durch die Gegend und dämmern durch den Tag. Yvonne, die | |
Homer noch nicht gesagt hat, dass sie schwanger ist, verbringt den Abend | |
allein in einem Kino und geht dann zu einer Freundin. Ihre Hoffnungen auf | |
ein bürgerliches Leben spricht sie niemals offen aus. Nur das Publikum wird | |
eingeweiht. | |
Kent Mackenzie hat die inneren Monologe seiner Figuren aus Interviews | |
montiert, die er mit seinen Darstellern geführt hat. "The Exiles" gewinnt | |
daraus eine Form von politischer Intimität, die dem äußeren Anschein des | |
ungebrochenen Machismus zuwiderläuft. In ihren Selbstgesprächen scheinen | |
Homer und Yvonne miteinander zu kommunizieren und auch mit dem Leben der | |
Vorfahren, von dem Kent Mackenzie nicht viel mehr zeigen kann als die | |
kanonischen, stark inszenierten Indianerbilder von Edward Curtis. "The | |
Exiles" sucht nach einer stärkeren Unmittelbarkeit, arbeitet aber auf | |
ähnliche Weise gegen die verloren gehende Zeit. | |
14 Feb 2008 | |
## AUTOREN | |
Bert Rebhandel | |
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