# taz.de -- 280 Liter pro Kopf: Bierhauptstadt Bamberg | |
> Zwischen starkem Bier und verspieltem Barock: Das fränkische Bamberg ist | |
> eine Domstadt mit gut erhaltenen mittelalterlichen Bauten und | |
> romantischem Flair. Und eine Hochburg der Brauer | |
Bild: Aussicht vom Turm des Schlosses Geyerswörth | |
Der Stammtisch lebt. Zumindest in Bamberg, der alten fränkischen Stadt an | |
der Regnitz. Die urigen alten Gaststuben der noch bestehenden zehn | |
Bamberger Privatbrauereien sind jedenfalls immer gut besucht. Auch jetzt im | |
Februar, wo touristisch Sauregurkenzeit ist und das Rauchverbot in | |
Gaststätten seit dem Jahreswechsel wirksam ist, stehen Biertrinker morgens, | |
mittags, abends in der sogenannten Schwemme, der oftmals beheizten | |
ehemaligen Toreinfahrt. Vom Tresen wird dort das Seidla, die Halbe Bier im | |
Tonkrug, durch eine Luke nach außen gereicht. Oder sie treffen sich am | |
Stammtisch, wo nicht wenige ihr eigenes "Stammkrügla" deponiert haben, um | |
zu diskutieren oder zu karteln. Das ist überall so: im Fässla, im | |
Klosterbräu oder in der Mahrs Brauerei im Stadtteil Wunderburg. "Was is | |
etzert, wist nuch aans?", wird der Gast am Biertisch oft auf sehr direkte | |
Art angesprochen. So bodenständig wie die Braukunst gibt sich oft auch der | |
Bamberger. | |
"Am Biertisch sind alle gleich", behauptet Stephan Michel junior, der die | |
Geschäfte der Mahrs Brauerei gerade übernimmt. Und in der Tat scheint mann | |
oder frau in der dämmrigen, niederen, überfüllten Gaststube mit Kachelofen, | |
schmalen Biertischen und Bänken keine Berührungsängste zu kennen. | |
Neuankömmlinge quetschen sich noch auf den letzten Restplatz und bestellen | |
"a U", ein Ungespundetes, das heißt ein naturtrübes, unfiltriertes Bier. | |
"Unser Bier ist wie Frischmilch", sagt Michel, "es lässt sich maximal sechs | |
Wochen halten." Das macht dem rührigen Jungbrauer oftmals Probleme beim | |
zunehmenden Handel mit den USA. "Die Amerikaner sind ganz verrückt nach | |
unserem Bier." In Mens Journal, einem amerikanischen Männermagazin, wurde | |
letzten Sommer die Mahrs Brauerei zur besten Brauerei der Welt gekürt. Noch | |
zwei weitere Brauereien in Bamberg wurden dort ausgezeichnet: das | |
Schlenkerla und das Spezial. Denn der fitnessbeseelte, moderne Mann weiß: | |
Das handwerklich gebraute Bier hat besonders viele Vitalstoffe wie | |
Vitamine, Kohlenhydrate, Mineralstoffe, Aminosäuren und organische Säuren. | |
Und der darin enthaltene Hopfen - mäßig konsumiert - beruhigt | |
testosterongesteuerte Männer auf angenehme Weise. | |
Das bekannteste Bier Bambergs ist das dunkle Schlenkerla, ein kräftiges | |
Rauchbier. "Ein handwerkliches Bier hat Ecken und Kanten", sagt Matthias | |
Trum, der Jungbrauer der Brauerei Heller. Drei Viertel seines Biers | |
verkauft er vor Ort, den Rest in Deutschland und kleine Mengen weltweit. | |
Trum hat Betriebswirtschaft studiert und seinen Braumeister in | |
Weihenstephan gemacht. "Aus freier Entscheidung", wie er betont, übernimmt | |
er den wirtschaftlich attraktiven Familienbetrieb. "Wir produzieren zwar | |
wesentlich aufwendiger und personalintensiver als die computergesteuerten | |
Großbrauereien, aber unser aus Eichenholzfässern gezapftes Rauchbier ist | |
längst eine unschlagbare Marke", sagt er selbstbewusst. An der urigen | |
Schlenkerla Bierstube mitten in der Innenstadt unterhalb des Doms kommt in | |
der Tat kein Tourist vorbei, aber auch viele Einheimische sitzen dort in | |
den alten Sälen des ehemaligen Dominikanerklosters. Oder sie stehen in der | |
ehemaligen Toreinfahrt, der Schwemme, durch die früher die großen Fuhrwerke | |
mit den Fässern fuhren, um das Jungbier zu den Lagerkellern im Berggebiet | |
zu transportieren. | |
Die Brauerei Heller produziert das Schlenkerla heute noch auf dem | |
Stephansberg. Dort und auf dem Kaulberg gibt es seit dem Mittelalter große | |
unterirdische Stollen, in denen Putz- und Scheuersand abgebaut wurde. Vor | |
Erfindung der Kühlung wurden sie dann zur Lagerung des Bieres benutzt, da | |
sie die richtigen Temperaturen boten. Um diese in den Kellern auch sommers | |
möglichst niedrig zu halten, wurden die Grundstücke mit Schatten spendenden | |
Linden und Kastanien bepflanzt. Noch heute gehen die Bamberger sommers "auf | |
den Keller" in Biergärten wie die Wilde Rose auf dem Stephansberg. | |
Kein Wunder, dass Bamberg in internationalen englischsprachigen | |
Reiseführern längst zu den Top Ten in Deutschland gehört. Doch die Stadt | |
hat nicht nur die höchste Brauereidichte und Biervielfalt in Deutschland. | |
Sie ist deutsches Kernland, deutscher Zuckerguss, der alle Klischees | |
vereint: einen romantischen Altstadtkern, Würstchen und Knödel, | |
Einheimische, die aussehen, als wären sie einem Gemälde Dürers entsprungen, | |
gutes Brot aus selbst backenden Bäckereien. Und wer einmal einen Windbeutel | |
im Klostercafé auf dem Michaelsberg bestellt hat, weiß, dass Qualität hier | |
immer auch Quantität bedeutet: Das bischofsmützengroße Brandteiggebäck mit | |
Sahne, Vanilleeis und Kirschen ersetzt mindestens eine Mahlzeit. | |
Bamberg wurde größtenteils von den Bomben der Alliierten verschont und | |
bietet heute das größte unversehrte Altstadtensemble Europas. Der Dom mit | |
dem riesigen Vorplatz in der Bergstadt ist die religiöse Hochburg der | |
Kaiser- und Bischofsstadt. Er beherbergt zahlreiche künstlerische | |
Kostbarkeiten wie die heilige Kunigunde auf dem Kaisergrab von Tilman | |
Riemenschneider, den lebensgroßen Bamberger Reiter oder den Marienaltar von | |
Veit Stoß. Der Stadtkern ist eine Mischung aus mittelalterlichen Kirchen | |
und barocken Bürgerhäusern. Das bunt bemalte Rathaus steht mitten in der | |
Regnitz. Der Sage nach wollte der Bischof den Bürgern keinen Millimeter | |
seines Bodens für einen Bauplatz geben. Also rammten die Bamberger Bürger | |
Pfähle in die Regnitz und schufen so eine künstliche Insel inmitten des | |
Flusses. Seit 1993 steht Bamberg auf der Liste des Weltkulturerbes. Dazu | |
gehören die herrschaftliche Architektur auf dem riesigen Domplatz der | |
Bergstadt, die Inselstadt mit ihren überbordenden Antiquitätenläden und dem | |
als "Klein Venedig" bezeichneten ehemaligen Fischerviertel sowie die | |
Gärtnerstadt. | |
Michael Niedermeyer hat dort heute noch eine Gärtnerei für Ziersträucher. | |
Wo früher an die 400 Gärtner in der Stadt Gemüse und Kräuter züchteten, | |
sind heute noch zirka 20 Gärtnereien übrig geblieben. Weite, freie Räume | |
liegen versteckt hinter den typischen kleinen Fachwerkhäusern der Gärtner | |
mit den großen Tordurchfahrten. "Dass alles so geblieben ist, ging nicht | |
ohne Kampf ab", erzählt Michael Niedermeyer. "In den Sechzigerjahren wollte | |
man hier eine Straße durchbauen, immer wieder wurde von der Stadt versucht, | |
diese Äcker mitten in der Stadt als Bauland auszuweisen." Ohne Erfolg. Denn | |
die zunft- und traditionsbewussten Gärtner wehrten sich dagegen. Inzwischen | |
schützt nicht nur Maria Magdalena, die Heilige der Gärtner, sondern das | |
Weltkulturerbe die Gärtnerstadt. | |
Michael Niedermeyers Sohn Sebastian ist einer der wenigen, die die | |
jahrhundertealte Familientradition fortführen wollen. Er macht gerade seine | |
Ausbildung als Biogärtner. "Die meisten schütteln nur den Kopf darüber, | |
dass ich das mache", erzählt er. "Man sagt mir, mit Salatköpfen sei kein | |
Geld zu verdienen." Doch Sebastian hat nicht nur Spaß daran, | |
weiterzugärteln. Er glaubt auch, "dass regionaler Anbau sich immer mehr | |
lohnen wird und sich auf dem Markt behauptet". Darauf setzt auch die | |
Landschaftspflegerin Gertrud Leumer, die in der Gärtnerstadt den | |
Kräuterladen Mussärol betreibt. Sie schwört nicht nur auf den Geschmack des | |
Bamberger Hörnchens, einer hier wachsende Kartoffelsorte. Sie pflanzt auch | |
Süßholz, das lange Zeit aus der Mode gekommen war, und den traditionellen | |
Majoran, den Mussärol. | |
Dass die regionale Produktion von Kräutern und Gemüse Zukunft hat, dafür | |
spricht zumindest der Erfolg des lokalen Biers. "Kein Bamberger würde sich | |
den Kasten Bier eines großen Konzerns in den Keller stellen", sagt Gertrud | |
Leumer. "Am liebsten wechselt man unter den einheimischen Bieren, je nach | |
Geschmack und Laune." Die Liebe zum einheimischen Bier mit seinen über 60 | |
Spielarten schlägt sich auch in den Statistiken nieder: Der Bamberger | |
Pro-Kopf-Verbrauch an Bier soll bei 280 Litern im Jahr liegen. In | |
Restdeutschland liegt er bei 108 Litern. | |
21 Feb 2008 | |
## AUTOREN | |
Edith Kresta | |
Edith Kresta | |
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Basketball | |
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