# taz.de -- Neues Versammlungsrecht für Bayern: Gegen Nazis - und Bürgerrechte | |
> Bayern will Nazi-Aufmärsche durch ein neues Versammlungsrecht erschweren. | |
> Bürger fürchten, dass darunter auch ihre Freiheit leidet. | |
Bild: Das dürfte weiterhin drin sein. | |
BERLIN taz Wie Pistolenschüsse hallen die Trommeln. Fackelschein zuckt über | |
die mittelalterlichen Fassaden. Und die NPD-Fahnen hängen schlaff über den | |
Schultern der Kapuzenträger. Alle vier Wochen müssen die 4.000 Gräfenberger | |
das mit ansehen - und sie wehren sich. Mit Demokratie-Camps auf ihrem | |
Marktplatz. Mit Mahnwachen. Mit Trillerpfeifen. Jetzt will die bayerische | |
Staatsregierung ihnen mit einem neuen Gesetz helfen. Doch das lehnen die | |
Gräfenberger ab. | |
Seit Monaten arbeitet das bayerische Innenministerium an einem eigenen | |
Versammlungsgesetz. Das ist seit der Grundgesetzänderung aus dem Jahr 2006 | |
möglich. Seit der Föderalismusreform sind ausschließlich die Länder für das | |
Versammlungsrecht zuständig. Und als Erste überhaupt präsentierten die | |
Bayern ihren Gesetzentwurf bereits Ende Januar. | |
Dieser verschärft das bislang geltende Versammlungsrecht in mehreren | |
Punkten: Unter anderem erleichtert der Gesetzentwurf, Nazi-Versammlungen an | |
"besonders sensiblen Tagen und Orten" zu beschränken. Er enthält ein | |
"allgemeines Verbot aggressiv auftretender Versammlungen". Er stärkt die | |
Rechte von Polizisten und ermöglicht den Behörden erstmals ausdrücklich, | |
eine Versammlung zu beschränken, wenn "Rechte Dritter unzumutbar | |
beeinträchtigt werden". | |
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärt, er denke dabei an die | |
Gräfenberger, deren "vielfachen Protest" gegen rechts "wir damit | |
unterstützen". Das "Bürgerforum Gräfenberg ist bunt" allerdings, das von | |
der CSU bis zur Antifa reicht und die Anti-Nazi-Proteste trägt, will so | |
nicht unterstützt werden. | |
"Wir wollen nicht, dass die Grundrechte aller Bürger eingeschränkt werden, | |
nur weil radikale Minderheiten diese Rechte missbrauchen", erklärt Michael | |
Helmbrecht, einer der Forums-Sprecher. Mit den Neonazis "werden wir als | |
Zivilgesellschaft schon fertig". Die "politische Auseinandersetzung mit | |
Rechtsextremisten" unterstütze das neue Gesetz nicht. | |
Im Gegenteil, fürchtet er. Denn mit seiner Hilfe könnten "auch die | |
Aktivitäten etwa der Antifa" eingeschränkt werden. Und selbst die Proteste | |
des Bürgerforums sieht er in Gefahr: Die Beeinträchtigung von Rechten | |
Dritter sei "eine wachsweiche Formulierung", auf die sich etwa | |
Geschäftsleute berufen könnten, denen "durchaus nicht alles gefällt, was | |
wir tun". | |
Beispiele für Spannungen zwischen Anti-Nazi-Demonstranten und der Polizei | |
gibt es schon: Im Dezember waren 15 Bürgermeister unter dem Motto "Nikolaus | |
schmeißt Nazis raus" verkleidet nach Gräfenberg gereist - wo Polizisten sie | |
zwangen, ihre Bärte abzunehmen. | |
Das bayerische Innenministerium beruhigt, das neue Versammlungsgesetz sei | |
keinesfalls gegen Anti-Nazi-Protestierer gerichtet. Doch Michael Helmbrecht | |
sieht in der neuen Regelung einen "typischen Reflex, oberflächlich für | |
Ordnung zu sorgen". CHRISTIAN SIEPMANN | |
27 Feb 2008 | |
## AUTOREN | |
Christian Siepmann | |
## TAGS | |
Versammlungsrecht | |
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