# taz.de -- "Gustloff"-Verfilmung im ZDF: Nennt Eure Töchter Erika! | |
> Der fiktive ZDF-Zweiteiler "Die Gustloff" erinnert fatal an "Titanic". | |
> Mit Riesenbudget wird hier aber nicht nur ein Schiff versenkt - sondern | |
> auch jeder Grauton. | |
Bild: "Oh mein Gott, wir haben Leonardo di Caprio vergessen!" | |
Die ZDF-"Gustloff" besteht aus zwei Teilen. Das ist praktisch, denn diese | |
wohl teuerste deutsche TV-Produktion der letzten Jahre lässt sich auch gut | |
in zwei Sätzen zusammenfassen: Der erste Teil ("Hafen der Hoffnung") ist | |
wie das ZDF-Großereignis "Dresden" von 2006, nur ohne Flugzeuge. Und nach | |
dem zweiten Teil ("Flucht über die Ostsee") nennt jede anständige deutsche | |
Frau ihre Tochter gefälligst Erika. | |
Gut 63 Jahre nach dem Untergang der "Wilhelm Gustloff", die mit mindestens | |
10.000 Flüchtlingen aus Ost- und anderen Gegenden des damaligen Preußen, | |
aber auch mit fast 1.000 Marinesoldaten an Bord nach Kiel durchzukommen | |
versuchte, erzählt nun das ZDF die Geschichte dieser Tragödie: Am Abend des | |
30. Januar 1945 schießt das sowjetische U-Boot "S 13" seine Torpedos auf | |
das ehemalige Kreuzfahrtschiff ab, kurz nach 22 Uhr sinkt die "Gustloff", | |
mehr als 9.000 Menschen - überwiegend Frauen und Kinder - kommen um. Nun | |
versucht das ZDF eine "Annäherung an ein Trauma, das lange in der | |
öffentlichen Wahrnehmung verdrängt wurde", so der ZDF-Oberhistoriker Guido | |
Knopp - der sagt: "Die ,Gustloff' war die deutsche ,Titanic'." | |
Und danach sieht der Film - bei allem redlichen und zumeist gelungenen | |
Bemühen um historische Genauigkeit - auch aus. Das liegt an der Regie von | |
Joseph Vilsmaier, der jede Menge Geld ausgeben und Traumfabrik spielen | |
darf. Für Zwischentöne bleibt so leider kein Platz, dafür erinnern die | |
elegisch gestreckten Szenen des Schiffsuntergangs angesichts der Panik auf | |
und unter Deck im zweiten Teil fatal an "Titanic". Wobei auf der "Gustloff" | |
dankenswerterweise nicht auch noch gesungen wird. | |
Teil 1 entwickelt mit einigen dramaturgischen Längen das verworrene Bild im | |
von Flüchtlingen überfüllten Hafen des heutigen Gdynia, wo gleich drei | |
Kapitäne um das Kommando an Bord streiten: Alt-Kapitän Johannsen (Michael | |
Mendel), der wegen früherer Verfehlungen entmachtet wurde; Wilhelm Petri | |
(Karl Markovics), der für den militärischen Teil der "Gustloff" und die | |
mitreisenden U-Boot-Fahrer zuständig ist; und der zivile Fahrkapitän | |
Hellmut Kehding (Kai Wiesinger), der die Ostsee bestens kennt und nun das | |
Schiff - und Marinehelferin Erika - sicher nach Kiel bringen soll. | |
Im zweiten Teil ist Erika (Valerie Niehaus) dann in Leid und Finsternis die | |
personifizierte Hoffnung, auch wenn Kehdings älterer Kapitäns-Bruder Harald | |
(der in solchen Produktionen offenbar unverzichtbare Heiner Lauterbach) sie | |
für eine russische Agentin hält - und ihre Verfolgung noch nicht einmal | |
einstellt, als das Schiff sinkt. | |
Bei so vielen klar in Gut und Böse, Weiß und Schwarz zu scheidenden | |
Geistern bleibt es dem Funker Hagen Koch vorbehalten, für ein etwas | |
differenzierteres Grau zu sorgen: Im Film überbringt der von Detlev Buck | |
grandios nüchtern-kalt gespielte Obermaat den verhängnisvollen Funkspruch, | |
der die "Gustloff" veranlasst, ihre Positionslichter zu setzen. So wurde | |
sie auch real zur leichten Beute von "S 13", den Funkspruch gab es wirklich | |
- woher er kam und ob es sich um Sabotage handelte, wird wohl für immer | |
offen bleiben. | |
Doch auch in solchen Momenten bleibt "Die Gustloff" seltsam statisch. Eine | |
TV-Schmiede namens Teamworx ("Dresden") kann das, mit Verlaub, besser. | |
Dieses TV-Ereignis aber stammt direkt von der Teamworx-Mutter Ufa, und man | |
wird den Verdacht nicht los, dass Produzent Norbert Sauer ("Frau vom | |
Checkpoint Charlie") endlich mal wieder Event machen wollte. Besonders | |
bemerkenswert aber ist der Film mit Blick auf das ZDF, das die "Gustloff" | |
damit vor dem Vergessen bewahren will: Die Fiktion folgt in Logik und | |
Strickmuster dem Haushistoriker Guido Knopp, der für zwei | |
Begleitdokumentationen zuständig ist. Während im ZDF-Fernsehspiel der | |
simplifizierenden Darstellung Knoppscher Manier auch bei zeithistorischen | |
Stoffen bislang hier und da etwas entgegengesetzt wurde, haben sich mit der | |
"Gustloff" auch die für die Fiktion Zuständigen Knopps Weltbild angeeignet. | |
Oder umgekehrt: Knopp hat nach der Doku auch die Fiktion erobert. | |
Und damit auch wirklich gar nichts schiefgehen kann und wie immer die Guten | |
nur gut und die Bösen auch richtig böse sind, gibt es im Film zur | |
kollektiven Katharsis noch die Szene mit NSDAP-Ortsgruppenleiter Escher | |
(Alexander Held). Der ist der starke Mann in der Schiffswäscherei, feiert | |
an jenem 30. Januar noch den Tag der Machtübernahme - und rettet sich dann | |
feige in eines der ersten Rettungsboote. Da sitzt er dann, ein Häufchen | |
Elend im Braunhemd mit Hitlerbild im Arm. Und fällt beim Umstieg aufs | |
rettende deutsche Kriegsschiff zwischen die Bordwände - auf dass die | |
Gerechtigkeit obsiege. | |
"Die Gustloff", ZDF, So. und Mo., je 20.15 Uhr. Begleitende | |
Dokumentationen: So., 21.45 Uhr; Di., 20.15 Uhr. | |
29 Feb 2008 | |
## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
## TAGS | |
Spielfilm | |
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