# taz.de -- Kolumne Die Charts: Fit mit Eislaufdiva Kati Witt | |
> Heute mit Folge III von "Das Content Department": Mies und die Frauen. | |
"Vielleicht sollten wir doch mal ein Interview mit Katharina Witt machen", | |
sagte Mies zu seinem Ressortleiter. Kern winkte ab. Erstens war er mitten | |
in einem komplizierten Kommentar zum Fünfparteiensystem, den er "Gefahr und | |
Chance" genannt hatte. Zweitens wusste er, worauf es rauslief, wenn Mies | |
über die Doppel-Olympiasiegerin aus Karl-Marx-Stadt räsonnierte. Als | |
Nächstes fiel ihm garantiert der legendäre Stern-Titel "Fit mit Kati Witt" | |
ein. "Nur gut, dass sie nicht Kati Wick heißt", sagte er dann immer und | |
gackerte spätpubertär. | |
Da, jetzt wieder. Altmännerhumor. In ihrem kleinen Kabuff roch es eh schon | |
streng, weil Mies nach dem täglichen telefonischen Streit mit seiner Exfrau | |
die letzte Nacht wieder im "Blauen Affen" verbracht hatte. Kern hatte eine | |
automatische Runzeleinrichtung, die in solch peinlichen Momenten seine | |
Stirn zerfurchte, wenn Sexismus, Rassismus, Sozialismus oder gar Freiheit | |
drohte. Selbstverständlich nannte Kern die voranschreitende Entwicklung der | |
Redaktion zum Content Department "ambivalent", wenn die anderen | |
Ressortleiter abkotzten. Insgeheim machte er sich Notizen, wer von den | |
Kollegen welche Schimpfwörter gebrauchte. Der Chef suchte schließlich | |
"Talente für den Wandel". Je mehr Talente sich disqualifizierten, desto | |
besser wurden seine Chancen. Nur bei Mies schrieb er nicht mehr mit. Es war | |
ja klar, dass der in seinem Alter und bei seiner Renitenz eh abgemeldet | |
war. | |
Kern würde seine Zweimannredaktion zu einem Mies-freien, interaktiven | |
Newsroom für Quality Content & Priority Entertainment ausbauen. Sicher, es | |
war noch nicht eingeübt, die Werbefuzzis mit am Tisch sitzen zu haben, aber | |
Synergie sicherte Arbeitsplätze. Und zwar die von denen, die die Future des | |
Qualitätsjournalismus nicht durch anachronistischen Moralcontent | |
gefährdeten. Sagte der Chef auch immer. | |
Während Kern aus einem Leitmedium den Satz "Die politische Landschaft ist | |
dramatisch in Bewegung geraten" in seinen Text kopierte, erzählte Mies, | |
dass gestern im "Affen" zwei Frauen am Nebentisch gesessen hätten. Und dass | |
das Leben seltsam sei. "Wieso seltsam", fragte Kern. "Weil man sich bei | |
zweien immer sofort überlegt, mit welcher von beiden man es treiben würde." | |
Kern schaltete die Runzelautomatik ein: "Ist das so?" Selbstverständlich | |
war das so. Aber Kern hütete sich, das zuzugeben. Auch das Wort "treiben" | |
würde er niemals verwenden. Wer wusste denn, ob nicht eines Tages doch der | |
lustfeindliche Stalin-Feminismus zurückkehrte. | |
Mies sprach nun darüber, wie er bei einem Klassenausflug 1980 mit einer | |
"Top-Alten" rumgemacht habe. Das Einfädeln sei über deren halblebige | |
Freundin erfolgt. "Die Halblebige war die Botin der Hübschen." Das sei | |
damals immer so gewesen. "Erst kam die halblebige Freundin angedackelt und | |
teilte einem das Interesse der Hübschen mit. Wurde es erwidert, ging die | |
Halblebige zur Hübschen zurück und erstattete Bericht. Irgendwann kam sie | |
erneut und verkündete das weitere Prozedere." Kern schluckte, denn er hatte | |
seine Dorothea tatsächlich so kennengelernt. Damals hing er immer in der | |
Diskothek "California" ab. Allein. Eines Tages kam sie zu ihm rüber. | |
Endlich. Er strahlte sie glücklich an. Da dachte er ja noch, Dorothea käme | |
im Auftrag ihrer bildhübschen Freundin. Sie kam aber im eigenen. Kern | |
wollte noch sagen, dass das gegen die Regeln sei, aber da war es schon zu | |
spät. Fortsetzung folgt. | |
Die Charts im März: | |
Song: "Whose Authority" - Nada Surf. "Daydream Believer" - John Stewart. | |
Konzert: Neil Young in Berlin letzte Woche. Buch eins: "Esra" - Maxim | |
Biller. Schöner Liebesroman. (Wer sich dafür interessiert: [1][unfried@ | |
taz.de]). Buch zwei: "Nicht die ganze Wahrheit" - Dirk Kurbjuweit (Nagel & | |
Kimche). Detektiv spioniert im Auftrag von dessen Frau hinter einem | |
Fraktionsvorsitzenden (und also Machtpolitiker) her und fällt in Liebe mit | |
dessen Gschpusi, einer jungen, idealistische Abgeordneten des deutschen | |
Bundestages. Ein Buch mit vielen Sätzen zum Anstreichen wie zum Beispiel: | |
"Warum finden es Journalisten so geil, beim Kanzler sitzen zu dürfen?" | |
Fußball: Christian Gentner - multifunktionaler, lauf- und zweikampfstarker, | |
ballsicherer Mittelfeldspieler. EM-tauglich. | |
Fragen zu Frauen? [2][[email protected]] Morgen: Jörn Kabisch über das GERICHT | |
3 Mar 2008 | |
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## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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30 Jahre friedliche Revolution | |
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