| # taz.de -- Kabarettist Josef Hader über das Alter: "Ich hab nicht mehr viel Z… | |
| > Josef Hader erlebt echten Fortschritt: Wenn ihm einer sagt: "Sie | |
| > etabliertes Arschloch, Sie" - dann hält er das aus. Der Schauspieler über | |
| > das Altern, Egoismus und Schwäche. | |
| Bild: "Wenn man älter ist, sollte man grantiger werden und nicht mehr so nett … | |
| taz: Herr Hader, kommen Sie voran mit Ihrem Leben? | |
| Josef Hader: Das zu sagen wäre übertrieben. Was mir aber immer stärker | |
| gelingt: Ich fahre nicht mehr stupide das ganze Jahr rum, sondern teile mir | |
| die Zeit ein in ein bisschen Film, ein bisschen Schreiben, ein bisschen | |
| Kabarett. Das ist der einzige Fortschritt in meinem persönlichen Leben. | |
| Macht Sie das glücklich? | |
| Das nicht. Aber ich bin sehr befriedigt darüber, denn es zeigt mir, dass es | |
| eben doch Fortschritt gibt. Vorher dachte ich eine Zeitlang, ich würde ewig | |
| gleich bleiben und ewig dieselben Fehler machen. Es zeigt sich jetzt, dass | |
| man zumindest etwas doch ein bisschen besser macht, wenn man älter wird. | |
| Tatsächlich? | |
| Ja. Nicht in dem Grad, in dem man älter wird, aber ein bisschen doch. | |
| Der Regisseur Klaus Lemke sagt dagegen: Niemand lerne irgendetwas dazu. | |
| Das Gefühl hatte ich auch immer. Aber jetzt also das einzige, was einen | |
| wirklich dazu bewegt, manche Dinge anders zu machen, ist das Gefühl, das | |
| man nicht mehr so viel Lebenszeit hat. Das bewegt mich zwar privat | |
| überhaupt nicht | |
| interessant | |
| ja, da sind es immer dieselben Fehler, immer dieselben Katastrophen. Aber | |
| es gibt eben doch eine gewisse Angst, Dinge nicht mehr machen zu können, | |
| weil man vielleicht früh stirbt. Zumindest künstlerisch ist das manchmal | |
| befruchtend, weil man aus diesem Antrieb Projekte angeht, für die man sonst | |
| zu bequem wäre. | |
| Ihr Begriff "früh sterben" zeigt, dass Sie Ansprüche stellen, die | |
| möglicherweise nicht berechtigt sind. Sie sind 46 | |
| ja, ja, ja | |
| Jesus wurde 30. | |
| Man weiß es halt nicht. | |
| Es ist jedenfalls keine Rückwendung ins Private, weil sie die Welt oder das | |
| Kabarett eh nicht mehr retten werden? | |
| Nein, nein, gar nicht. Es ist eher so, dass ich mir vorgenommen habe, nicht | |
| mehr so nett zu sein. | |
| Was heißt das? | |
| Früher war es so: Wenn ein kleiner Veranstalter anrief und sagte: Hallo, | |
| Herr Hader, ich hab einen 90-Leute-Keller in der Mitte Deutschlands, kommen | |
| Sie doch spielen. Dann habe ich gesagt: Sehr gern. Und dann bin ich | |
| gekommen. | |
| Und heute? | |
| Heute sage ich: Nein, danke, ich komme nicht. | |
| Und dann? | |
| Dann wird er böse und sagt: Warum nicht? Sie etabliertes Arschloch, Sie. | |
| Was sagen Sie dann? | |
| Ich sage: Nein, der Grund ist, dass ich 46 Jahre bin und nicht mehr so viel | |
| Lebenszeit habe. Sie hätten ja 20 Jahre lang anrufen können und haben nicht | |
| angerufen | |
| raffiniert argumentiert | |
| und jetzt sind Sie einfach zu spät dran. Weil ich brauche Zeit für andere | |
| Projekte, die ich auch noch machen will. | |
| Und das verstehen die Veranstalter dann? | |
| Meistens. | |
| Haben Sie also das dazugelernt: Mit ihrer beruflichen Zeit sorgsamer | |
| umzugehen? | |
| Das Hauptproblem ist nicht nur, mit der Zeit besser umzugehen. Mein | |
| Hauptproblem ist, dass ich es nicht aushalte, wenn ich nicht geliebt werde. | |
| Ich muss also in so einer Situation aushalten, dass der andere mich dann | |
| nicht liebt. | |
| Sie beschimpfen in Ihrem Programm "Hader muss weg" und in Interviews Ihr | |
| Publikum doch auch unverblümt? | |
| Das ist meine grundsätzliche Zerrissenheit. Einerseits will ich einen | |
| wilden Text schreiben, aber beim Spielen hätte ich es andererseits schon | |
| gerne, dass mich zum Schluss alle lieben. Das ist der Hauptgegensatz, aus | |
| dem heraus ich ticke. Ich weiß, dass es schon ein bisschen lächerlich ist. | |
| Meistens überfordert dieser ambitionierte Ansatz die anderen Menschen. | |
| Aber solange ich mich erinnern kann, seit ich zum ersten Mal Kabarett | |
| gemacht habe, in der Schule oder im Wirtshaus, da war es immer so: Ich | |
| wollte ein Böser sein und das machen, was das Publikum gar nicht will, | |
| jedenfalls nicht im Moment. Aber ich wollte sie immer bis zum Schluss | |
| überzeugt haben: Dass es richtig war irgendwie, was ich gemacht habe. | |
| Klaus Lemke sagt, man lebe nur in seinen Fehlern. | |
| Ich würde da nicht widersprechen. Aber ich erlebe mich oft schwach und | |
| bestimmt von anderen. In diesem Fehler möchte ich nicht nur leben, da | |
| möchte ich auch was dran ändern. | |
| Welche Altersentwicklung schwebt Ihnen vor? | |
| Ich finde, wenn man älter wird, sollte man schon anstreben, dass man | |
| grantiger wird, ein bisschen schlechter gelaunt ist, hier und da leichte | |
| Anfälle von Alterstrotz hat. | |
| Altersstarre Senioren sind nicht grade gesellschaftliche Vorbilder, ein | |
| mild-seniles Lächeln kommt allemal besser. | |
| Ich weiß schon. Aber ein bisschen kantiger sein, sich auch mal was | |
| erlauben: Das strebe ich an; grade auch, weil es mir schwerfällt. | |
| Sind Sie egoistischer geworden? | |
| Das ist man ja sowieso ständig. Jeder ist im Prinzip gleich egoistisch. | |
| Egal, ob er die Welt rettet oder ob er sich kleine rote Sportwagen kauft. | |
| Ist das so? | |
| Klar. Der eine ist nützlicher für die Gesellschaft und der andere ist | |
| weniger nützlich. Aber der Egoismus ist bei jedem Menschen gleich groß. Er | |
| drückt sich nur sympathisch aus oder unsympathisch. | |
| Wenn Sie also doch bei Ihrem Kleinveranstalter spielen, dann ist das auch | |
| ein egoistischer Akt? | |
| Ja, das ist es. Weil ich geliebt werde von ihm und das Gefühl habe, ich sei | |
| ein Supertyp. | |
| Sie haben Ihren Egoismus also nur reformiert? | |
| Ausgetauscht, genau. Ein bisschen modernisiert. | |
| Haben Sie jetzt das Gefühl, dass Sie dadurch jetzt | |
| ja, was? | |
| mehr leben als vorher? | |
| Nein, nein, nein. Leben tut man immer gleich wenig. | |
| Freut mich, dass ich Sie zum Lachen gebracht habe. | |
| Danke. Jeder versucht halt immer, aus seinem Leben alles rauszuholen. | |
| Oder tut jeder in Wahrheit alles, um das nicht zu erreichen, was er | |
| eigentlich will? | |
| Hm, stimmt. Ich spiel ja doch bei kleinen Veranstaltern. Allerdings nur bei | |
| solchen, die ich schon länger kenne. | |
| Deprimiert wirken Sie aber tatsächlich nach wie vor nicht. | |
| Bin ich auch nicht. Ich werfe ja jeden Abend diese schlechten Dinge ins | |
| Publikum und bin dann frei davon. | |
| Das klingt etwas eingeübt. | |
| Sagen wir so: Irgendeine Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben besteht | |
| immer, wenn man für die Fantasie anfällig ist. | |
| Und wer ist das nicht? | |
| Eben. | |
| INTERVIEW: PETER UNFRIED | |
| 5 Mar 2008 | |
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| Kabarett | |
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