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# taz.de -- Authentische Begegnung: "Offen über Fehler reden"
> Touristische Projekte, an denen ganze Gemeinden teilhaben, sollen den
> Tourismus gerechter gestalten. Doch viele positive Ansätze scheitern
> daran, dass keine kritische Bilanz gezogen wird
Bild: Touristen mit indianischem Führer im südamerikanischen Regenwald
taz: Frau Häusler, Sie haben in Thailand und Bolivien in Projekten
gearbeitet, wo Gemeinden ihr eigenes Tourismuskonzept entwickeln. Sind die
Erfahrungen mit Community-Based-Projekten ähnlich?
Nicole Häusler: Es gibt ähnliche und unterschiedliche Erfahrungen. Es gibt
auch unterschiedliche Konzepte. In Thailand wird Community Based Tourism
sehr stark mit Homestay verbunden. Das heißt, die Touristen wohnen direkt
bei der einheimischen Bevölkerung. Das spielt in Lateinamerika überhaupt
keine Rolle. Dort gehört zum Kernkonzept, dass eine Lodge gebaut wird in
oder in der Nähe einer Gemeinde, die diese dann verwalten soll. Aber
ansonsten sind die Probleme ähnlich.
Was ist schwierig?
Schwierig ist vor allem die langfristige Umsetzung von
Community-Based-Projekten. Im Bereich des Marketing und Vertrieb, also
diese Angebote professionell international zu vermarkten und zu verkaufen.
Schwierig ist auch, dass die Gemeindemitglieder nie im Ausland waren und
daher auch nicht wissen, was Touristen wollen und wie diese Maschinerie
funktioniert. Das Thema Community Based Tourism ist vor etwa zehn Jahren
sehr beliebt geworden, bei internationalen Geldgeberorganisationen.
Voraussetzung für den Geldsegen für Gemeinden war meist immer, dass drei
Dinge erfüllt werden: der Gender-Aspekt, die Wirtschaftlichkeit,
Partizipation und organisatorische Stärkung der Gemeinden. Aspekte wie
Businessplan, Marktanalyse oder Marketingkonzept wurden komplett
vernachlässigt. Das ist etwas, was wir in Zukunft stark beachten müssen.
Wir müssen fragen, ob der Markt da ist und wer die Zielgruppen sind.
Von NGOs und Tourismuskritikern wird die authentische Begegnung und
Kulturverständigung bei dieser Art des Tourismus gepriesen.
Das ist eine sehr westliche Sichtweise, ob es in der Realität so ist und
von den Gemeinden gewünscht wird, weiß ich nicht. Was tatsächlich passiert
bei diesen kurzen Begegnungen von zwei, drei Tagen, ob nicht sogar
Vorurteile auf beiden Seiten verstärkt werden, bleibt offen. In Bolivien
habe ich Leute gefragt, was die Touristen für sie sind. Die Antwort, der
alle zustimmten: diejenigen, die mir Geld bringen und Arbeit geben.
Wie sieht es mit der vielbeschworenen Partizipation in den Gemeinden aus?
Das ist auch ein Thema, das nie richtig offen diskutiert wurde. Es gibt
zwei Fallstudien aus Thailand und Laos, die untersuchen, wo der ökonomische
Benefit geblieben ist. Beide Studien haben herausgefunden, dass es die
politischen und ökonomischen Eliten eines Dorfes sind, die Gewinne machen.
Die Schere zwischen Arm und Reich wurde größer.
Ist Community Based Tourism also ein politisch korrektes Exportgut der
westlichen Entwicklungshilfe?
Auch, aber es ist ebenso eine favorisierte Idee von lokalen Eliten, lokalen
NGOs, die meist aus dem Mittelstand kommen und sich ideologisch mit
Graswurzel-Arbeit verbunden fühlen.
Ein etwas naives Westprodukt also?
Eher ein gutgläubiges. Ja. Es entstand aus der Bewegung der 80er-Jahre, als
man sah, dass der Tourismus viele negative Auswirkungen hat. Die
Einheimischen als Objekte und der Wunsch, sie zu Subjekten zu machen, die
selbst tätig werden. Daraus ist dann ein Konzept entstanden, das sehr
spannend ist, aber auch idealistisch überfrachtet wurde.
Wie könnte man das Spannende daran weiterentwickeln und das Idealistische
herausnehmen?
Indem man offen darüber spricht, was nicht funktioniert. Damit Fehler
vermieden werden.
Ist das denn tabuisiert?
Ja, sehr stark. Es ist ein bisschen so, als würde man die Bewegung
verraten. Aber vielen Gemeinden wurde in der Vergangenheit Schaden
zugefügt, weil sie nicht nur viel Hoffnung in den Tourismus setzten,
sondern auch eigenes Geld beigesteuert haben. Und dann blieben die
Touristen aus. Man muss weiter sehen, wie man diesen Gemeinden stattdessen
andere Alternativen anbieten kann. Also nicht nur eine Lodge einrichten,
sondern man muss sich überlegen, wie die ärmere Bevölkerung durch andere
Maßnahmen am Tourismus partizipieren kann. Durch lokalen Anbau von
Bioprodukten etwa, Reiseleiterausbildung oder durch die Förderung lokalen
Handwerks. Es kann nicht jeder im Dorf der professionelle Touristiker sein.
Und jeder Ort ist möglicherweise auch nicht touristisch interessant?
Ein wichtiger Punkt für mich ist, zu schauen, ob der Markt vorhanden ist.
In Thailand ist es einfacher, solche Projekte durchzusetzen, als in
Bolivien. Man kennt Thailand, der Tourismus funktioniert und die
Reiseveranstalter schauen nach neuen Produkten. In einem Land wie Bolivien,
das touristisch schwächelt, ist es schwierig für solche Projekte.
INTERVIEW: EDITH KRESTA
7 Mar 2008
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Kerala
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