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# taz.de -- Politikwissenschaftler zum Film "Die Welle": "Das funktioniert nur …
> In Deutschland wäre ein Experiment wie "Die Welle" nicht möglich - sagt
> Politikwissenschaftler Roland Roth. Rechtsextreme Gefahr trete anders in
> Erscheinung.
Bild: In Deutschland sind Schulen eher unpolitische Orte: Ausschnitt aus "Die W…
taz: Herr Roth, wie anfällig sind Jugendliche in Deutschland für ein
faschistisches Experiment, wie es der Film "Die Welle" durchexerziert?
Roland Roth: Relativ wenig. Die Unterschiede zu dem Leben, was die
Jugendlichen hier führen, sind einfach zu groß. Autoritäre Lehrer, die auch
noch politische Bezugsperson sind, gibt es vor allem in Ostdeutschland
kaum. Dort ist eher das Problem, dass die Lehrer nach der Wiedervereinigung
viel zu verunsichert waren, um überhaupt noch politisch Position zu
beziehen - auch gegen rechtsextreme Äußerungen ihrer Schüler. Die Schule
ist hier ein eher unpolitischer Ort. Die Geschichte funktioniert nur im
amerikanischen Schulsystem.
Warum?
In den USA sind gerade die älteren Schüler oftmals den ganzen Tag in der
Schule. Sie treiben dort Sport, sind in einem Leseclub und verbringen einen
Großteil ihrer Freizeit in der Schule, es gibt ein ausgeprägtes Schulleben.
Dementsprechend hat die Schule und haben die Lehrer dort einen viel
größeren Einfluss auf die Schüler. In Deutschland hingegen sind
Ganztagsschulen noch immer in der Minderheit, die Freizeit spielt sich viel
mehr in der Clique außerhalb der Schule ab. Lehrer können hier nur schwer
einen solch großen Einfluss erlangen, wie er für ein Experiment wie "Die
Welle" notwendig wäre.
Aber der Film stellt immerhin die Frage: Könnte so etwas wie die
Machtergreifung der Nationalsozialisten noch einmal passieren?
Diese Fragestellung ist ziemlich daneben, es wäre sinnvoller sich mit dem
zu beschäftigen, was tatsächlich passiert. Es gibt doch bereits eine
rechtsextreme Gefahr. Aber sie tritt auf eine andere Weise in Erscheinung
als in "Die Welle."
Und wie?
Hier marschieren selten uniformierte Gruppen mit Armbinde. Statt dessen
haben wir Cliquen junger Menschen, die kein so genanntes geschlossenes
rechtsextremes Weltbild haben, also keine echten Nazis sind. Wenn Sie aber
reden, dann bedienen sie sich rassistischer Argumente oder behaupten,
Ausländer nähmen Deutschen die Arbeit weg. Diese Gruppen sind gefährlich,
weil sie gewalttätig sind und nicht weil sie an die nationalsozialistische
Revolution glauben. Manche in diesen Cliquen haben runenförmige Aufnäher
auf der Kleidung oder Tätowierungen, andere sind vollkommen unauffällig.
"Die Welle" bildet nicht den Rechtsextremismus ab, mit dem die Jugendlichen
in Deutschland meist konfrontiert sind.
Aber die Frage wie eine charismatische Führungspersönlichkeit jemanden für
eine gefährliche Idee begeistert, ist doch aktuell, oder?
Nicht wirklich. Heute werden die wenigsten Jugendlichen von einem Führer
zum Rechtsextremismus verführt. Es gibt innerhalb der einschlägigen
Parteien und Gruppen auch sehr wenige solcher charismatischen Personen.
Statt dessen kommen die Jugendlichen über Events in die rechtsextreme
Szene: Auftritte verbotener Bands, gemeinsame Sonnenwendfeiern oder
Demonstrationen. Rechtsextreme Musik und Konzerte begeistern viele
Jugendliche über den harten Kern von Neonazis hinaus. Rechtsextremismus ist
in vielen Punkten eine Subkultur geworden wie Hip Hop.
INTERVIEW: DANIEL SCHULZ
12 Mar 2008
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