# taz.de -- Folgen der Unruhen in Tibet: Razzien und Zensur | |
> Peking räumt erstmals ein, dass sich die Proteste der Tibeter auch auf | |
> tibetische Gebiete ausserhalb der Autonomen Region ausgebreitet haben. | |
> Auch wird von Verhaftungen berichtet. | |
Bild: Bewaffnete Volkspolizeit marschiert in der Provinz Yunnan in Zhongdian au… | |
PEKING/DELHI epd/dpa/taz Die chinesischen Behörden gehen weiter gegen | |
Proteste von Tibetern vor. Razzien und Verhaftungen dauerten an, berichtete | |
die tibetische Exilregierung am Donnerstag im nordindischen Dharmasala. Die | |
chinesische Führung berichtete erstmals von 24 Festnahmen in Lhasa und | |
räumte zudem ein, dass sich die Zusammenstöße zwischen Tibetern und | |
Chinesen auf Nachbarprovinzen Tibets ausgeweitet haben. Als letzte | |
ausländische Journalisten waren der taz-Korrespondent Georg Blume und seine | |
Mitarbeitern Kristin Kupfer am Donnerstag aus Tibet ausgewiesen worden. | |
Die amtliche chinesische Agentur Xinhua meldete, viele Polizisten und | |
Regierungsbeamte seien in Orten außerhalb der Autonomen Region Tibet | |
angegriffen worden. Ausländische Journalisten hatten zuvor schon von | |
Ausschreitungen in den Provinzen Sichuan und Gansu berichtet, in denen | |
viele Tibeter leben. Vielerorts waren Militärkolonnen in Richtung | |
tibetischer Gebiete zu beobachten. | |
In Lhasa normalisieren sich Berichten aus der tibetischen Hauptstadt | |
zufolge die Lage etwas. Die sichtbare Militärpräsenz nehme ab, Passanten | |
würden aber weiter kontrolliert, berichtete ein Augenzeuge. An der | |
Haupteinkaufsstraße sei jedes zweite Geschäft zerstört. In der Altstadt | |
könne man sich nicht frei bewegen, Klöster seien weiter geschlossen. | |
In der Nachbarprovinz Sichuan griffen nach amtlichen Angaben am vergangenen | |
Wochenende Demonstranten Gebäude der örtlichen Regierung, Polizeistation, | |
Kliniken, Schulen, Läden und Märkte an. Sie hätten Steine und selbst | |
gefertigte Brandbomben geworfen und eine Flagge der tibetischen | |
Exilregierung geschwungen, meldete die Agentur Xinhua. | |
"Alle Hinweise deuten darauf hin, dass die Zerstörung von Separatisten in | |
China und im Ausland organisiert und angefacht worden ist", zitierte Xinhua | |
den Chef der Präfektur, Mao Shengwu. Damit bekräftigte er die Darstellung | |
der Regierung in Peking, die den im indischen Exil lebenden Dalai Lama, das | |
traditionelle Oberhaupt der Tibeter, und seine Anhänger für die Unruhen | |
verantwortlich macht. | |
Nach Angaben der Exilregierung wurden bei Protesten am Mittwoch in Sichuan | |
mindestens vier Menschen getötet, darunter ein 50-jähriger buddhistischer | |
Mönch. Bei den am 10. März begonnenen Unruhen starben nach chinesischen | |
Angaben 13 Menschen. Exiltibeter sprechen dagegen von 80 bis 300 Toten. | |
In Peking wurde unterdessen bekannt, dass Dutzende internationale Reporter | |
auf dem Weg in tibetisch bewohnte Regionen festgenommen wurden. Sie wurden | |
gezwungen, zurückzukehren, weil sie angeblich "Polizeiaktionen | |
behinderten". Die Vereinigung der Auslandskorrespondenten in China forderte | |
die Regierung auf, unverzüglich eine freie Berichterstattung zu ermöglichen | |
und ausländische Journalisten ungehindert nach Tibet reisen zu lassen. | |
Nach der Ausweisung der letzten beiden ausländischen Journalisten aus Tibet | |
hat die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth eine deutliche Reaktion des | |
Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gefordert. Eine freie Presse sei | |
eine der Voraussetzungen für die Vergabe der Olympischen Spiele nach China | |
gewesen, sagte Roth am Donnerstag der dpa in Berlin. "Da muss das IOC jetzt | |
reagieren." Auch seitens der Europäischen Union müsse nun eine scharfe | |
Protestnote erfolgen. | |
Roth zeigte sich zutiefst besorgt, "dass es im Schatten von internationaler | |
Beobachtung zu einer Eskalation von Gewalt kommt". Berichterstattung in den | |
Medien sei die Voraussetzung dafür, dass man die Menschen nicht vergesse. | |
"Wenn es keine Berichte gibt, droht das Vergessen." | |
Der Dalai Lama hat sein Gesprächsangebot an die chinesische Regierung | |
bekräftigt und erneut vor einer Ausbreitung der Gewalt in Tibet gewarnt. | |
Allerdings müsssten Chinas Machthaber zunächst ein "aufrichtiges Angebot" | |
für eine Lösung des Tibet-Problems vorlegen, wie Chhime R. Chhoekyapa, der | |
Sprecher des Dalai Lamas, erklärte. Ohne ein solches Angebot sehe der Dalai | |
Lama "keinen Sinn" in Gesprächen. Die Regierung in Peking macht den Dalai | |
Lama für die Unruhen in Tibet verantwortlich. Sie wirft ihm vor, die | |
Unabhängigkeit Tibets anzustreben. | |
China wies gestern den Appell des Papstes zu Dialog und Toleranz im Umgang | |
mit den protestierenden Tibetern zurückgewiesen. "Kriminelle sollten nach | |
dem Gesetz bestraft werden," sagte der Sprecher des Außenministeriums, Qin | |
Gang, am Donnerstag vor der Presse in Peking. | |
Das Außenministerium in Peking äußerte sich zudem "äußerst besorgt" über | |
eine Ankündigung des britischen Premiers Gordon Brown, im Mai den Dalai | |
Lama zu treffen. Kein Staat dürfte dem Dalai Lama ein politisches Forum | |
bieten, sagte Pekings Außenamtssprecher Qin. Diese sei ein "politischer | |
Flüchtling, der an Aktivitäten beteiligt ist, China unter dem Deckmantel | |
der Religion zu spalten." HAN | |
20 Mar 2008 | |
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