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# taz.de -- Debatte Studiengebühren: Der Student als Ich-AG
> Studiengebühren sind ungerecht, denn nicht jedes Studium verspricht fette
> Rendite. Die Einkommensteuer ist besser geeignet, Akademiker am
> Gemeinwohl zu beteiligen.
In der Debatte über die Studiengebühren wird manchmal eine ganz eigenartige
Konkurrenz der Ungerechtigkeiten beschworen: Dann soll es plötzlich fair
sein, die Studenten zur Kasse zu bitten, nur weil die Kinder der
Unterschichten noch viel benachteiligter seien. Zweifellos ist es ein
Skandal, dass Sonder- und Hauptschüler systematisch um ihre Bildungschancen
gebracht werden. Nur was hat dieser Befund mit dem Thema Studiengebühren zu
tun? Die Ausgrenzung der unteren Schichten verschwindet doch nicht, indem
man bei den Studenten kassiert.
Überhaupt ist es seltsam, das Drama an den Förder- und Hauptschulen so sehr
aufs Finanzielle zu reduzieren: Die gnadenlose Selektion in frühster
Kindheit findet nicht vorrangig deshalb statt, weil es an staatlichen
Mitteln fehlen würde. Da sind vor allem ideologische Verbohrtheiten zu
bekämpfen.
Doch zurück zu den Studiengebühren: Die Befürworter halten die Studenten
für finanziell belastbar, weil sie einer privilegierten Elite angehörten.
Tatsächlich ist nicht zu leugnen, dass nur 37 Prozent eines Jahrgangs ein
Studium beginnen. Das kann man privilegiert nennen. Dabei wird jedoch
übersehen, dass dieser Begriff der Elite relativ und nicht absolut zu
verstehen ist. Natürlich haben es die Studenten weiter gebracht als die
Übrigen ihrer einstigen Mitschüler - dennoch sind die meisten weit von
großen Reichtümern entfernt.
Wie die neueste Sozialerhebung des deutschen Studentenwerks zeigt, verfügen
Studenten im Durchschnitt über 770 Euro monatlich. Ein Drittel allerdings
hat weniger als 640 Euro. Da sind Studiengebühren von monatlich 83 Euro
schwer aufzubringen. Zudem wäre es illusorisch, anzunehmen, dass die
Studenten noch mehr hinzuverdienen könnten: 60 Prozent jobben bereits. Nur
die Oberschichtkinder hätten wohl noch Zeitreserven - aber gerade sie
dürften es auch künftig nicht nötig haben, zu arbeiten, weil ihre Eltern
die Gebühren mühelos zahlen können.
Die soziale Lage der Studenten ist auch den Verfechtern der Studiengebühren
nicht unbekannt. Sie argumentieren, dass Akademiker ja deutlich höhere
Gehälter erwarten könnten. Damit machen sie die Studenten zu einer Art
Ich-AG. Wie ein Unternehmer sollen sie ihre Bildung als renditeträchtige
Investition betrachten - und entsprechende Studienkredite aufnehmen.
Keine Frage, die Rendite einzelner Studiengänge lässt sich berechnen, und
entsprechende Tabellen kursieren bereits. Nur sind die Ergebnisse eher
bizarr und bestimmt nicht im Sinne des Staates. So sollte man keinesfalls
Sozialarbeit studieren. Das ergibt eine Negativrendite, weil die Gehälter
so niedrig sind, dass die Studienkosten ein Leben lang nicht wieder
erwirtschaftet werden können. Auch Kunst oder Agrarwirtschaft verbieten
sich, und Geisteswissenschaften sind ebenfalls nicht lukrativ. Nur Jura,
Wirtschaft und Medizin lohnen sich - im Durchschnitt. Wie jeder aus
Erfahrung weiß, sind nicht alle BWL-Studenten von heute die Manager von
morgen.
Würden die Anhänger der Studiengebühren ihr Modell ernst nehmen, müssten
sie den Obolus staffeln: Wer Wirtschaft studiert, zahlt mehr als ein
Künstler, und irgendwo dazwischen ließe sich der Germanist einsortieren.
Zudem wäre die soziale Herkunft zu berücksichtigen. Das Chaos wäre bald
perfekt.
Studiengebühren sind nicht das geeignete Instrument, um den Mehrwert einer
Universitätsausbildung abzuschöpfen. Trotzdem ist natürlich richtig, dass
sich Akademiker an den Kosten ihres Studiums beteiligen sollten, sobald
dieses ihnen materielle Vorteile verschafft. Dafür steht ein simpler
Mechanismus zur Verfügung - die Einkommensteuer. So ließe sich der
Spitzensteuersatz um 3 Prozent heraufsetzen, um Schulen und Hochschulen
besser auszustatten. Der Charme: Mit wenig Bürokratie wäre sichergestellt,
dass nur jene zahlen, die tatsächlich von ihrem Studium finanziell
profitieren. ULRIKE HERRMANN
22 Mar 2008
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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