# taz.de -- Die Grauen lösen sich auf: "Für die Rente sind wir noch zu jung" | |
> Die einstige Seniorenpartei "Die Grauen" hat sich aufgelöst. In Berlin, | |
> wo sie in mehreren Bezirksparlamenten vertreten war, hat Norbert Raeder | |
> jetzt "Die Grauen - Generationspartei" gegründet. | |
Bild: Bundesvorsitzender Raeder glaubt, dass die Grauen es noch in den Bundesta… | |
taz: Herr Raeder, Ihre Partei "Die Grauen" hat nach dem Spendenskandal die | |
Auflösung beschlossen. Sie haben unter dem Namen "Die Grauen - | |
Generationspartei" eine neue gegründet. Warum? | |
Norbert Raeder: Der Parteitag hatte wegen der hohen Finanzforderungen nach | |
den Spendenvorwürfen für die Auflösung gestimmt. Wir haben aber gesagt: Wir | |
brauchen in Berlin eine politische Zukunft. Wir sind alle engagiert und | |
noch nicht in einem Alter, in dem man in Rente gehen müsste. Wir wollen | |
definitiv weitermachen, weil wir - wie alle Landesverbände - mit dem | |
Spendenbetrug nichts zu tun haben. Somit hat der gesamte Landesvorstand | |
beschlossen, unsere Arbeit auch fortzusetzen, wenn sich die Partei auflöst. | |
Nach dem Beschluss haben wir also sofort eine neue gegründet. | |
Das geht so einfach? | |
Beim Patentamt hatten wir das schon relativ frühzeitig angemeldet. Nach dem | |
Parteitag haben wir "Die Grauen - Generationspartei" beim Bundeswahlleiter | |
registrieren lassen. Wir haben schließlich einige Mandatsträger aus den | |
Bezirksversammlungen, die sich nicht anderen Parteien anschließen wollten. | |
Auch ich habe gesagt: Ich gehe nicht zur CDU, zur SPD oder zu den Grünen. | |
Da gab es Angebote? | |
Logischerweise kamen die Angebote aus allen Ecken. Aber das macht man | |
nicht. Trotzdem freut mich das Interesse, dass da jemand offenbar unsere | |
Strukturen übernehmen will. | |
"Die Grauen" sitzen in Reinickendorf mit vier Abgeordneten in der | |
Bezirksverordnetenversammlung (BVV) und hatten bei den Wahlen 2006 in ganz | |
Berlin 3,8 Prozent geholt. | |
Wir sind in Berlin mit 20 Mandaten vertreten. Zwölf Abgeordnete werden auch | |
in der neuen Partei mitmachen. Es gibt einige, mit denen wollen wir gar | |
nicht weitermachen. Andere sagen vielleicht: Auf den Raeder hab ich keine | |
Lust. | |
Warum wollen Sie auf Abgeordnete verzichten? | |
Ich möchte das gar nicht öffentlich machen. Wir saßen vor den Wahlen | |
zusammen und haben gesagt: Passt auf, wir wollen ehrlich sein, wir wollen | |
wirklich mal was Neues schaffen. Wir haben rumgefragt: Hat irgendjemand | |
etwas zu beichten? Mal einen Radiergummi geklaut? Sagt es jetzt! Ich bin in | |
den Wahlkampf gegangen mit diesem Schild "100 Prozent Ehrlichkeit". Im | |
Nachhinein hat sich herausgestellt, dass nicht alle so ehrlich waren, wie | |
sie versprochen hatten. Ich möchte wirklich etwas verändern. Auch wenn es | |
nur im Kleinen ist. Das geht mit bestimmten Leuten nicht. Mehr kann ich | |
dazu nicht sagen. | |
Und wie geht es jetzt weiter? | |
Chaotisch. | |
Sie haben Ihren Rücktritt bei den alten "Grauen" erklärt. | |
Wir bemühen uns um einen wahnsinnig ordentlichen Übergang. Es muss klar | |
sein, dass da zwei unterschiedliche Sachen laufen. Bisher haben wir etwa | |
240 neue Mitglieder. Die meisten aus Berlin, einige kommen auch aus | |
Mecklenburg-Vorpommern, andere aus Brandenburg. Zunächst müssen die sich | |
alle das neue Programm ansehen und entscheiden, ob sie mitmachen. | |
Was hat sich im Programm geändert? | |
Zunächst mal haben wir dafür gesorgt, dass ein Spendenskandal, wie er mit | |
der alten Grauen-Bewegung passiert ist, völlig ausgeschlossen wird. Was uns | |
jetzt gerade um die Ohren geschossen wird, kann es nach der neuen Satzung | |
nicht mehr geben. Wir haben für den Bundesvorstand festgelegt, dass | |
öffentliche Spenderlisten geführt werden müssen. Darüber werden wir | |
wahrscheinlich im Internet informieren. Wie ist der Spendenstand, wie steht | |
es um die Finanzen im Allgemeinen? Ich denke, das ist im Moment einmalig. | |
Jeder Bürger soll sehen können: Was macht diese Partei? | |
Das ist eine Lehre aus dem Skandal? | |
Auf jeden Fall. Obwohl ich weiter dabei bleibe: Was da verbreitet wird, | |
sind reine Spekulationen. | |
Aber die Staatsanwaltschaft sagt doch: die Strafzahlungen könnten sich eher | |
erhöhen! | |
Gut. Und was wäre, wenn ich jetzt mit dem Anwalt der Partei käme und sagte: | |
Stimmt nicht, es ist alles megasauber. Dafür leben wir doch in einem | |
Rechtsstaat. Dass die Staatsanwaltschaft zu Ende ermittelt und dann ein | |
Gericht sagt: Freispruch oder Schuld. Ich habe mit der Sache jedenfalls | |
nichts zu tun. Ich habe den Parteivorsitz ja erst später übernommen. Ich | |
bin also quasi ein Außenstehender und kann nicht sagen, ob einer beschissen | |
hat oder nicht. | |
Nun behaupten offenbar Leute aus dem Bundesvorstand, Sie hätten für die | |
Neugründung Geld der alten Partei veruntreut. | |
Das ist jetzt eine Schlammschlacht innerhalb unserer Reihen. Jeder Mensch, | |
der vernünftig denken kann, weiß: Es kostet dich einen Kugelschreiber und | |
ein Blatt Papier, eine Partei zu gründen. Wofür sollte man da Geld | |
brauchen? Außerdem verfügt die alte Partei über ihr Geld ja nicht mehr | |
selbst. Das ging also nicht mal theoretisch. Was die anderen da quatschen, | |
das interessiert mich gar nicht mehr. | |
Was sind denn Ihre konkreten politischen Pläne für die Zukunft? | |
Die Grauen werden in einer der nächsten Sitzungen einen Antrag einbringen | |
für kostenloses Schulessen. Wir wollen außerdem in den Bezirken einen | |
Seniorentag einführen, an dem etwa Heime besichtigt werden. | |
Der Einzug ins Berliner Abgeordnetenhaus ist mit der Neugründung in weite | |
Ferne gerückt? | |
Nein. Wir haben noch dreieinhalb Jahre Zeit, uns in den Bezirken weiterhin | |
als Lehrlinge zu beweisen. Das machen wir. Und wenn wir in dieser Zeit noch | |
ein bisschen mehr gelernt haben, wollen wir auch ins Abgeordnetenhaus. | |
Manche kritisieren Sie, weil Sie als Wirt angeblich auch Ihre eigenen | |
Interessen vertreten. Wenn Sie beispielsweise andere Öffnungszeiten für | |
öffentliche Toiletten in der Nähe Ihrer Kneipe fordern. | |
Die CDU hatte für den Schäfersee eine neue, ordentliche Toilette | |
versprochen. Im Sommer wird die alte dort allerdings immer noch um 22 Uhr | |
abgeschlossen. Die ganzen Spaziergänger müssen also entweder in den See | |
oder gegen einen Baum pinkeln. Deshalb haben wir gesagt: Die Toilette muss | |
a. sauber sein und b. im Sommer länger offen haben. Mit dem | |
"Kastanienwäldchen" hat das nichts zu tun. | |
26 Mar 2008 | |
## AUTOREN | |
Johannes Gernert | |
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