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# taz.de -- Tschad-Präsident verbarrikadiert Hauptstadt: Angst vor dem eigenen…
> Mit einem Putsch kam der tschadische Präsident Déby an die Macht. Nun
> fürchtet er, vom eigenen Militär weggeputscht zu werden - und lässt sogar
> Bäume fällen, um das zu verhindern.
Bild: Sie sollen den Rebellen keine Deckung bieten: Gefällte Bäume in NDjamen…
NDJAMENA taz Zum Flanieren hat die Avenue Charles de Gaulle im Zentrum von
Tschads Hauptstadt NDjamena nie wirklich eingeladen. Zu staubig ist die
Straße, über die laut dröhnend Lastwagen und mit Passagieren überbesetzte
Minibusse rumpeln. Zu wenig gibt es in den Läden zu kaufen - und das
sowieso nur, wenn man das Geld dazu hat.
Und doch ging man bis zur fehlgeschlagenen Rebellion Anfang Februar gerne
hierher: Der Lichtblick auf NDjamenas Hauptachse waren die mehrere hundert
Jahre alten Bäume, die die Avenue auf beiden Seiten säumten und bei mehr
als 40 Grad Sommerhitze den ersehnten Schatten boten. Doch auch damit ist
es jetzt vorbei. Mit einem Bagger und Motorsägen haben Bauarbeiter vor
wenigen Tagen den letzten Baumriesen gefällt - im Auftrag von Präsi- dent
Idriss Déby. Denn diesem waren die Bäume zu gefährlich geworden: Als
Rebellen versuchten, ihn aus dem Amt zu jagen, hatten sie die dicken Stämme
als Deckung genutzt. Das, so soll Déby angeordnet haben, darf nie wieder
passieren. Meterhohe Stämme liegen deshalb am Straßenrand, die ersten
werden von Anwohnern bereits fachgerecht zerlegt. Holz ist knapp in der
Wüstenstadt und entsprechend kostbar.
Dass ihr Präsident das letzte bisschen Grün abholzen lässt, scheint kaum
jemanden zu verwundern. Schließlich lässt der gleiche Mann zur Stunde auch
einen Schützengraben rund um die Hauptstadt ausheben. Die Marktfrauen, die
zwischen den Baumstümpfen ein paar Zwiebeln und Tomaten ausgebreitet haben,
schütteln nur vorsichtig den Kopf, bevor sie wieder auf ihre Waren gucken.
Vor offener Kritik fürchten sich fast alle in der Hauptstadt des paranoiden
Herrschers.
Die Angst der eingeschüchterten Bevölkerung, glaubt Jean-Claude Nekim, wird
nur von dessen eigener Furcht übertroffen. "Déby hat Angst vor allem und
jedem, selbst vor seinem eigenen Schatten", sagt der Journalist, der die
unabhängige Zeitung NDjamena Bi-Hebdo herausbringt. Seit dem
Rebelleneinmarsch ist das Blatt nicht mehr erschienen. "Damit protestieren
wir gegen den Ausnahmezustand; würden wir weiter schreiben, dann würde die
Regierung jeden Satz zensieren und in ihrem Sinne verdrehen."
Lieber schreibe er nicht, sagt Nekim, als dass er sich wider Willen zum
Sprachrohr der Regierung machen lässt. Nekim glaubt, dass Déby die Stadt
derzeit zum letzten Gefecht rüsten lässt: "Die Regierung will einen Krieg
und die Stadt soll das Schlachtfeld sein."
Von den Zehntausenden, die Anfang Februar vor den Kämpfen mit mindestens
700 Toten über den Grenzfluss nach Kamerun geflohen sind, sind die meisten
zwar wieder zurückgekommen. Doch fast jeder ist bereit, erneut zu fliehen,
wenn es wieder losgeht. Und dass es irgendwann so weit sein wird, daran
zweifelt niemand. Bis dahin verbreiten Débys verbliebene Getreue Angst und
Schrecken.
Es geht um die Macht im Tschad, einem der ärmsten Staaten der Welt, der
zugleich über einen gewaltigen Ölreichtum verfügt. Wer das Land in der
Vergangenheit regiert hat, behandelte es stets nach Gutsherrenart.
Programmatische Unterschiede zwischen Rebellen und Regierung gibt es nicht,
auch keine ethnische Feindschaft - im Gegenteil: Viele von Débys Gegnern
gehören der gleichen Minderheitenethnie an, den Zaghawa, die in den Wüsten
im Nordosten Tschads leben. Déby, der nach den letzten Kämpfen zugab, die
Unterstützung seines halben Kabinetts und noch größerer Teile der Armee
verloren zu haben, steht mit dem Rücken zur Wand. Seine Unterstützer kennen
deshalb kein Pardon.
Mehrere Führer der Zivilgesellschaft und der Opposition wurden schon aus
ihren Häusern verschleppt, als die Rebellen noch dabei waren, sich
zurückzuziehen; vom Führer der "Koordination zur Verteidigung der
Verfassung", Ibni Omar Mohammed Saleh, fehlt jede Spur. Der in Frankreich
wieder aufgetauchte Ngarléjy Yorongar berichtete von Scheinexekutionen,
hinter denen Soldaten der Präsidialgarde, Débys letztem Aufgebot, gesteckt
hätten. Interviews mit Yorongar werden in NDjamena unter der Hand
herumgereicht, weitergemailt und -gefaxt und erreichen auf diese Weise
binnen Stunden fast jeden Bewohner - auch wenn der Besitz solcher Schriften
zur sofortigen Verhaftung führen könnte.
"Die Rebellen wissen viele Details", sagt Nekim. Dem militärisch erfahrenen
Déby, der sich 1990 selbst an die Macht putschte, sei klar, dass er nicht
nur den Sudan, der die Rebellen unterstützt, sondern vor allem die Feinde
im eigenen Palast fürchten müsse. "Es ist gut möglich, dass die nächste
Rebellion von innen passiert." Weite Teile der Armee wurden in den
vergangenen Wochen entwaffnet, aus Angst vor einem Militärputsch. Im ganzen
Land herrscht eine nächtliche Ausgangssperre, die Wüste jenseits der
Hauptstraße in Richtung Osten wird angeblich vermint.
"Déby ist vollkommen wahnsinnig", bilanziert die Mitarbeiterin einer
deutschen Hilfsorganisation im Tschad. Ihre Mitarbeiter bekommen derzeit
keine Genehmigungen für Reisen innerhalb des Landes mehr, weder Tschader
noch Ausländer. "Franzosen müssen für ihre Genehmigung besonders viele
Unterlagen einreichen, angeblich wegen der Affäre um ,Arche de Zoe', wo die
sogenannten Helfer illegal mehr als 100 Kinder außer Landes fliegen
wollten."
Noch wahrscheinlicher ist, dass man im Osten derzeit keine Zuschauer
gebrauchen kann. Dort werden die Lager der Rebellen vermutet; niemand soll
wissen, was die Armee gegen sie plant. Denn Gewalt ist das letzte Mittel,
dass Déby gegen die Rebellen hat.
"Unité, Travail, Progrès", Einheit, Arbeit, Fortschritt, lautet der
Wappenspruch des Tschad. Doch Déby hat nichts davon erreicht. Seine Bilanz
nach 18 Jahren an der Macht: Im Entwicklungsindex der Vereinten Nationen
Platz 172 von 179. Die Korruptionsstatistik von Transparency International
kennt nur sieben Länder, in denen noch mehr Geld illegal hinterzogen wird.
Lediglich in der Liste der "gescheiterten Staaten", die das US-Magazin
Foreign Policy jährlich herausbringt, steht der Tschad weit oben: Auf Platz
5, direkt nach Simbabwe und Somalia. "Und mit den Rebellen wäre es das
Gleiche, die sind auch keine Demokraten", seufzt Journalist Nekim. Allen
gehe es letztlich um das Gleiche: den ungehinderten Zugriff auf die
Ölmilliarden, mit denen Déby derzeit in Missachtung von Weltbank-Auflagen
kräftig Waffen einkauft, vor allem in Libyen und China.
China unterstützt eigentlich den verhassten Nachbarn Sudan, dessen Regime
es Waffen liefert und von dem es große Mengen Erdöl kauft. Um seinerseits
die Gunst Chinas zu gewinnen, brach Tschads Präsident 2006 sämtliche
Verbindungen nach Taiwan ab, das er bis dahin anstelle der Volksrepublik
China diplomatisch anerkannt hatte. Für Taiwan vorgesehene
Ölexplorationsrechte wurden an die Volksrepublik verschoben, die sich mit
umfangreichen Investitionen im Tschad bedankte, ohne allerdings die
Beziehungen zum Sudan zu lockern. Überall im Tschad werden nun mit
chinesischer Hilfe Straßen gebaut, und auch eine Panzerfabrik ist geplant.
Ein Supermarkt aus China
Wenn es nach der kräftig brodelnden Gerüchteküche geht, soll den Chinesen
bald noch viel mehr gehören: Rund um den Großmarkt, den "Marché Central"
vor der großen Moschee, werden seit Ende der Kämpfe Häuser und Geschäfte
niedergerissen. Stattdessen, sagt einer der Arbeiter, soll hier eine
riesige Shopping Mall entstehen - und tatsächlich stehen zwischen den
Ruinen bereits chinesische Bauingenieure. Es ist ein Geschäft zum
beiderseitigen Vorteil: Die Chinesen wollten bauen, Déby vor allem
abreißen.
"Die Stadtverwaltung nutzt den seit Februar geltenden Ausnahmezustand, um
Gebäude der Oppositionsanhänger zu zerstören", sagt Journalist Nekim. "Das
kann man natürlich nicht offen sagen, denn laut der Regierung sind ja alle
Rebellen Sudanesen. Aber die Eigentümer dieser Grundstücke sind Tschader,
und sie arbeiten gegen Déby."
Manchmal hat ein Grundstück, in dem jetzt Kinder versuchen, zwischen den
Trümmern etwas Nutzbares zu finden, eine kuriose Geschichte hinter sich.
Große Teile der Innenstadt verstaatlichte Déby vor einem Jahrzehnt, um sie
seinem Neffen Timane Erdimi zu schenken - der war bis zum Bruch mit dem
Diktator 2005 dessen rechte Hand.
Jetzt führt Erdimi eine der Rebellengruppen - deshalb wird "sein" Land
erneut verstaatlicht und verschenkt: diesmal an die Chinesen. Verlierer
sind diejenigen, die auf Erdimis Grund und Boden ihre Läden errichtet
hatten.
Für durchschnittliche Tschader bleibt ohnehin nichts übrig. Außerhalb der
Hauptstadt, wo die Regierung kaum vorkommt, trotzen Bauern dem staubigen
Wüstenboden ein bisschen Gemüse ab und haben die Hoffnung auf Entwicklung
längst aufgegeben. Ein deutscher Entwicklungshelfer meint: "Die sind schon
froh, wenn man sie einfach in Ruhe lässt."
28 Mar 2008
## AUTOREN
Marc Engelhardt
## TAGS
Polizei
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