# taz.de -- Barrakudas in der Strömung: Ein Unterwasserwunder | |
> Die Philippinen gehen sorglos mit ihrem marinen Ökosystem um. Damit mehr | |
> Tauchtouristen kommen, soll nun der Umweltschutz verbessert werden - bis | |
> jetzt passierte das nur auf dem Papier | |
Bild: Skorpionfisch, Philippinen | |
Es kommt nicht oft vor, dass die Philippinen positive Schlagzeilen machen. | |
Doch Ende vergangenen Jahres berichteten Medien weltweit über eine kleine | |
Insel des südostasiatischen Archipels, oder besser über die sie umgebenden | |
Gewässer. Denn nirgendwo sonst auf unserem Planeten findet sich ein solcher | |
Artenreichtum unter Wasser wie vor Verde Island, der "grünen Insel". Das | |
hatten Wissenschaftler der Old Dominion University und des Smithsonian | |
Institute (beide USA) unter Mitwirkung von Conservation International (CI), | |
einer Umweltschutzorganisation, in einer zweijährigen Studie | |
herausgefunden. "Superschöne Steilwand mit absolut intaktem Riffleben. | |
Viele Schnecken, noch viel mehr Skorpionfische, die teilweise ins Lila | |
gehen, gigantische Drückerfische sind unterwegs. Immer wieder sieht man | |
große Schwärme von Barrakudas in der Strömung stehen!", schwärmen Taucher. | |
"Es ist das Epizentrum an mariner Biodiversität weltweit, ein echtes | |
Unterwasserwunder", jubelte Professort Kent Carpenter, der seit 30 Jahren | |
die philippinischen Gewässer untersucht. Laut der Studie bieten mehr als | |
300 Korallenarten für 60 Prozent der weltweit bekannten Meeresfische einen | |
perfekten Lebensraum. "Man kann es als das marine Gegenstück zum | |
Amazonasbecken bezeichnen", so Carpenter. Zugleich warnte der | |
Wissenschaftler eindringlich: "Leider ist die Unterwasserwelt in den | |
Philippinen in höchstem Maße gefährdet." | |
In der Tat haben die insgesamt 27.000 Quadratkilometer umfassenden | |
Korallenriffe des Inselstaates in den vergangenen Jahrzehnten sehr | |
gelitten. Lediglich 5 bis 10 Prozent gelten als intakt. Armut und | |
unkontrolliertes Bevölkerungswachstum förderten zerstörerische | |
Fischereitechniken der Küstenbewohner. Zwar wurde der Einsatz von Dynamit | |
und Gift bereits vor Jahren verboten, aber wie so oft existiert | |
Umweltschutz vor allem auf dem Papier. | |
Der Ritterschlag durch die amerikanischen Experten weckte indes die Politik | |
auf. Die an Ökologie ansonsten wenig interessierte Präsidentin Gloria | |
Macapagal Arroyo unterschrieb zur Überraschung vieler Umweltschützer im | |
November 2006 einen Erlass, der die Ausweisung von Schutzzonen rund um | |
Verde Island sowie die Gründung einer Task Force vorsieht, die einen | |
Masterplan für die Region erstellen soll. | |
Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? Mitnichten. Das "visionäre Handeln", dass | |
Arroyo vom CI-Vorsitzenden Peter Seligmann attestiert worden war, hat sich | |
als Publicity-Gag erwiesen. Riki Sandalo vom WWF Philippines (World Wide | |
Fund for Nature) ist ernüchtert. "Es gab ein Treffen mit Umweltminister | |
Angelo Reyes, das war so im Februar. Damals bat er uns und andere NGOs, in | |
der Task Force mitzuarbeiten. Das war das Letzte, was ich aus Manila gehört | |
habe." Täglich hat der Umweltkämpfer vor Augen, was die einmalige | |
Unterwasserwelt von Verde Island akut bedroht: Fähren, Containerschiffe und | |
Tanker in allen Größen und Roststufen schippern dicht an der Insel vorbei. | |
"Wenn hier ein Öltanker leckschlägt, ist alles tot", warnt Sandalo. Sein | |
Vorschlag: "Wir können zwar nicht alle Schiffe umlenken, aber doch für | |
einen geregelten Verkehr sorgen." Zudem müsse die Küstenwache besser | |
ausgestattet werden, damit sie das illegale Ablassen von Restöl oder | |
Chemikalien aus den Tankern wirkungsvoll bekämpfen könne. | |
Potenziell gefährdet sind die Korallenriffe um Verde Island auch durch den | |
Haupterwerb der etwa 7.000 Bewohner, den Fischfang. Für den internationalen | |
Aquarienmarkt werden Nemos (Anemonenfischen), Doktor- und Falterfische en | |
masse aus dem azurblauen Wasser geholt. Ein lukrativer Job, für einen | |
Engelsfisch gibt es immerhin rund acht US-Dollar. Das ist mehr als der | |
offiziell vorgeschriebene Tageslohn in Manila. | |
Die effizienteste und auf den Philippinen übliche Methode, um | |
Aquarienfische zu fangen, ist der Einsatz von Zyanid. Ins Meer geschüttet, | |
betäubt es alle Fische im Umkreis, die dann nur noch ins Boot geschippt | |
werden müssen. Da kurzfristig die Kasse stimmt und man nicht an | |
langfristigem Einkommen interessiert ist, werden die Zerstörungen | |
ignoriert, die das Gift am Korallenriff anrichtet. Nach Schätzungen werden | |
80 bis 90 Prozent der Aquarienfische auf den Philippinen mit dieser | |
illegalen Methode gefangen. Offiziell beteuern die Fischer aber, lediglich | |
mit Netzen und Angelruten zu arbeiten. "Um die schwarzen Schafe zu | |
erwischen, brauchen wir dringend Aufpasser", mahnt Sandalo. Hilfe erhofft | |
sich der WWF-Mann von Touristen, denn "Taucher und die lokalen Guides haben | |
natürlich Interesse, die Unterwasserwelt zu schützen. Ausländische Urlauber | |
können Druck auf unsere Regierung ausüben, indem sie zu Hause Alarm | |
schlagen. Und sie bringen Geld auf die Insel, so dass nicht aus Not mit | |
verbotenen Mitteln gefischt werden muss." Die Rechnung könnte aufgehen: Die | |
"grüne Insel" liegt an der Spitze des so genannten Korallen-Dreiecks | |
zwischen Indonesien, Malaysia und den Philippinen. Taucher aus aller Welt | |
schwärmen von dieser Region. Verde Island war lange ein Geheimtipp, doch | |
seit 1999 sind dort drei einfache Ressorts entstanden, die immer gut | |
gebucht sind. Hinzu kommen Tagesgäste von den nahe gelegenen großen Inseln | |
Mindoro und Luzon. | |
Ob es gelingt, den erwarteten Touristenansturm in verträglichem Maße zu | |
halten, steht auf einem anderen Blatt. "Auch das müsste im Masterplan | |
reguliert werden", sagt Sandalo und fügt nach einer kurzen Pause an: "Wenn | |
es den je geben wird." | |
3 Apr 2008 | |
## AUTOREN | |
Hilja Müller | |
## TAGS | |
Reiseland Philippinen | |
Artenschutzkonferenz | |
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