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# taz.de -- Kahlschlag bei Hamburger "MoPo": "So nicht, Herr Depenbrock!"
> Bei der "Berliner Zeitung" gibt Josef Depenbrock den unbeirrbaren
> Stasi-Aufklärer - und lenkt davon ab, dass er die Hamburger "MoPo" kaputt
> spart.
Bild: "Enthauptung ganzer Verlagsbereiche": "MoPo"-Betriebsrat rechnet mit Abba…
Josef Depenbrock braucht allmählich größere Visitenkarten - er ist jetzt
auch Stasi-Aufklärer.
Als am Freitag einer seiner Ressortleiter als ehemaliger Stasi-IM geoutet
worden war, sagte er zunächst, dieser habe keine "beruflichen Sanktionen"
zu fürchten. Nachdem der Leitende Redakteur Christian Bommarius in einem
offenen Brief an Depenbrock jedoch beklagt hatte, dass "die mühsam
erarbeitete Glaubwürdigkeit des ehemaligen SED-Parteiblatts Berliner
Zeitung" dadurch "auf das Höchste gefährdet" werde, erschien von Depenbrock
ein Text in eigener Sache - dazu ein Foto mit der Unterschrift
"Chefredakteur Josef Depenbrock: Lückenlose Aufklärung". Die "von der
Chefredaktion eingeleitete Untersuchung" werde "in aller Konsequenz
umgesetzt", schrieb Depenbrock, der sich nun als Ermittler in Sachen
Vergangenheitsaufarbeitung und Glaubwürdigkeitswahrung der Zeitung
profiliert - eine vergleichsweise dankbare Aufgabe, zumal seine Redaktion
dagegen nur schwerlich etwas haben kann. Vor wenigen Wochen hatte sie ihn
noch wegen der immer höheren Renditeanforderungen aus der Londoner
Mecom-Zentrale, die Depenbrock in seiner anderen Funktion als
Geschäftsführer an sie durchwinkt, zum Rücktritt aufgefordert. Nun werde
die Arbeit jedes einzelnen Mitarbeiters überprüft, ließ Depenbrock wissen.
Anlass, auch die Akte Depenbrock aufzuschlagen. Darin sind viele wichtige
Informationen über das Hauptproblem der Berliner Zeitung enthalten, das von
der Stasi-Affäre überdeckt zu werden droht: ihre Leitung.
Als jüngster Beleg dafür dient eine Presseerklärung des Betriebsrats der
Hamburger Morgenpost, die wie die Berliner Zeitung zum britischen
Mecom-Konzern gehört. Die Betriebsratserklärung endet mit den Worten: "So
nicht, Herr Depenbrock!" Josef Depenbrock ist nicht nur Chefredakteur der
Berliner Zeitung, er ist auch Herausgeber der Hamburger Morgenpost und
Geschäftsführer der BV Deutsche Zeitungsholding, der deutschen
Mecom-Abteilung.
"Depenbrock als Geschäftsführer hat entschieden, dass alle zentralen
Dienste in Berlin angeordnet werden", sagt der MoPo-Betriebsratsvorsitzende
Holger Artus. "Mit der Enthauptung ganzer Verlagsbereiche" werde die MoPo
"zu einer Niederlassung der Berliner Verlagsholding". Laut Artus werden
zuerst Vertrieb und Marketing in Berlin angesiedelt, dann Rechnungswesen
und Herstellung - eine "synergetische Eingliederung".
Artus spricht von einem 20-prozentigen Personalabbau im Verlag. Dort,
vermutet er, sollen rund 20 Stellen gestrichen werden, die
Gesamtbelegschaft würde unter 100 Mitarbeiter sinken. Die Redaktion, in der
ohnehin schon Personalmangel herrsche, könne nicht weiter ausgedünnt
werden. MoPo-Geschäftsführer Frank Willers bestätigt diese Zahl nicht -
aber nur die Zahl nicht: "Sie liegt im Bereich der Vermutung des
Betriebsrats." Er sagt, er könne die Befürchtungen des Betriebsrats
"emotional nachvollziehen", bestätigen wolle er sie aber "noch nicht". taz:
"Noch nicht?" Willers: "Noch nicht."
Die Verschlankung von Vertriebs- und Dienstleistungsbereichen bestätigt er
aber, sie sei von der Gesellschafterversammlung so beschlossen. Welche
Rolle Depenbrock darin spiele? "Als Geschäftsführer der Holding naturgemäß
eine große", so Willers.
Immer mehr Fäden in der deutschen Mecom-Abteilung laufen bei Depenbrock
zusammen. Er ist nicht nur Chefredakteur und Geschäftsführer, sondern auch
Personalchef des Berliner Verlags, in dem die Berliner Zeitung erscheint.
Und im Juli 2007 übernahm er von Willers den Posten des Geschäftsführers
der BVZ Anzeigenzeitungen, einer Tochter des Berliner Verlags.
"Restrukturierungsideen entstehen da, wo man versucht, Kosten einzusparen",
sagt Frank Willers. "Das ist der einzige Beweggrund" für die Bündelung
zahlloser Aufgaben bei möglichst wenigen Figuren. Es sei wie in einer
Studenten-WG, sagt Frank Willers - die würden auch vor allem deshalb
gegründet, weil man dann nur einen Kühlschrank kaufen müsse und nicht
mehrere. Depenbrock ist der Kühlschrank der deutschen Mecom-Holding. Er
geht als Beispiel für den Verschlankungskurs des internationalen
Medienkonzerns, der von seinen Aktionären zu immer neuen Sparmaßnahmen
gedrängt wird, voran. Depenbrock selbst ist der Mensch gewordene
Synergieeffekt.
Bei der Programmzeitschrift TV Today stieg er einst als Partner seines
alten Freundes Hans Barlach ein. Der Hamburger Galerist hatte zuvor
gemeinsam mit dem Unternehmer Frank Otto die Hamburger Morgenpost von
Gruner + Jahr gekauft. Wenig später half Barlach Gruner + Jahr erneut und
kaufte die defizitäre Programmzeitschrift TV Today. Barlach holte bei MoPo
und TV Today Depenbrock dazu. "Damals schon zeigte sich, dass es nie sein
Problem war, Kürzungen als Verbesserungen zu verkaufen", sagt einer, der
"von Depenbrock abgewickelt" wurde, wie er sagt. Etwa jeder zweite
Arbeitsplatz bei TV Today fiel weg. Schlank, wie sie nun war, wurde sie an
Burda verkauft. "Ich habe Depenbrocks Aufstieg danach leicht fassungslos
wahrgenommen", sagt ein ehemaliger Mitarbeiter.
Gruner+Jahr-Mann Gerd Schulte-Hillen, selbst an TV Today und MoPo
verzweifelt, vermittelte Depenbrock schließlich zur Mecom. Einer wie er
wurde da gebraucht - ein Journalist mit Managementqualitäten. Oder besser
noch: umgekehrt.
Der Rest ist Gegenwart.
4 Apr 2008
## AUTOREN
Klaus Raab
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