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# taz.de -- Jutta Ditfurths "Rudi und Ulrike": "Der Aschenbecher füllte sich"
> Ulrike saß am Schreibtisch, als auf Rudi geschossen wurde: Pünktlich zum
> 68er-Jubiläum beschreibt Jutta Ditfurth die Freundschaft zwischen Rudi
> Dutschke und Ulrike Meinhof.
Bild: "Er ist mein liebster und bester Freund": Meinhof über Dutschke.
Schon die Verlagsankündigung hat es in sich. Ulrike Meinhof und Rudi
Dutschke - 40 Jahre nach dem magischen Jahr 1968 erzählt Jutta Ditfurth zum
ersten Mal die Geschichte einer Freundschaft, die die Republik veränderte.
Einig in der Kritik der herrschenden Zustände gingen sie gegensätzliche
Wege. Ulrike Meinhof gründete die RAF mit, Rudi Dutschke ging später zu den
Grünen. Als Ulrike Meinhof im Februar 1968 ihren Ehemann Klaus Rainer Röhl
verließ, saß Rudi Dutschke auf dem Beifahrersitz ihres R4. Das war kein
Zufall. Bereits ein Jahr zuvor, Anfang 1967, hatten die beiden
Galionsfiguren der 68er-Bewegung sich miteinander angefreundet. "Er ist
mein liebster und bester Freund", sagte sie.
Es ist aber nicht nur der Klappentext, der einigermaßen pathetisch daher
kommt. Meinhof und Dutschke, schreibt Jutta Ditfurth in ihrem jetzt zum
Jahrestag des Dutschke-Attentats erscheinenden Buch "Rudi und Ulrike",
hätten beide "für eine Humanisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse"
gekämpft. Sie hätten sich "in einem engen Bündnis mit antikolonialen
Befreiungsbewegungen in Lateinamerika, Afrika und Asien" gesehen. Im
Zentrum stand bei beiden, so Ditfurth, "der Widerstand gegen den Krieg in
Vietnam". Zwei Jahre lang, behauptet die Mitgründerin der Grünen-Partei,
"von 1967 bis 1969, verliefen die Wege von Ulrike Meinhof und Rudi Dutschke
parallel: sie wurden Freunde ihre Freundschaft war nur wenigen bekannt."
Von der Freundschaft zwischen den beiden erfährt man allerdings nur wenig
Konkretes. Dass sich die Wege der damaligen Chefredakteurin der Hamburger
Zeitschrift konkret und des Studentenführers kreuzten, dass sie sich bei
Veranstaltungen (wie etwa dem Vietnam-Kongress) wiederholt trafen und
politische Strategien auch mal kontrovers diskutierten - das darf man wohl
angesichts der Exponiertheit der beiden als Zwangsläufigkeit unterstellen.
Kapitel für Kapitel nimmt sich Jutta Ditfurth die einzeln Biografien von
Meinhof und Dutschke vor. Sie lässt Leserinnen und Leser noch einmal in die
aufgeheizte Atmosphäre der Studentenrevolte der Jahre 1967 und 1968
eintauchen, erinnert an die Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg beim
Schahbesuch am 2. Juni 1967 in Berlin. Minutiös beschreibt sie den Ablauf
des Attentats auf Rudi Dutschke vor genau 40 Jahren, und berichtet, dass
Ulrike Meinhof zur gleichen Zeit am Schreibtisch ihrer Altbauwohnung im
vornehmen Berlin-Dahlem saß und schrieb ("Wie immer stand eine große Kanne
Kaffee vor ihr, und der Aschenbecher füllte sich rasch"). Sie erzählt die
Geschichte der Radikalisierung der Studentenbewegung, berichtet über die
dem Mordanschlag folgenden militanten Aktionen gegen die
Auslieferungsstelle des Springer-Konzerns, dessen Bild-Zeitung mit ihrer
Hetze gegen die Studentenbewegung maßgeblich mitverantwortlich für das
Attentat war. Die Niederschlagung des Prager Frühlings fehlt natürlich
nicht, auch nicht die zunehmenden erbittert geführten Richtungskämpfe und
Zerfallsprozesse im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS).
Nur wenig ist wirklich neu in dem Buch: Vielleicht, dass Ulrike Meinhof bei
den Auseinandersetzungen zwischen Vietnam-Kriegsgegnern und Polizei 1967
ihre früheren guten Kontakte zur SED zu nutzen versuchte, um von der DDR
einige tausend Bauhelme zu bekommen, mit denen sich die Westberliner Linke
vor den Polizeiknüppeln schützen sollte. Aus dem Projekt wurde letztlich
nichts. Auch über Dutschkes Ambivalenz zum Thema Gewalt, seinen
Überlegungen "zur Zerschlagung der Maschinerie", ist einiges veröffentlicht
worden. "Rudi und Ulrike" ist eine durchaus interessante Erzählung der
aufbegehrenden Studenten. Nur, den Anspruch, eine bisher unbekannte
Freundschaft zwischen Dutschke und Meinhof aufzudecken, kann die Autorin
nicht einlösen. Zu gewollt ist die Konstruktion, zu dünn sind die Belege.
In der Beschreibung des letzten Treffens von Meinhof und Dutschke im Mai
1969 schreibt Ditfurth, ein Thema dabei "könnte" die Zukunft der
Zeitschrift konkret gewesen sein. Weiter "könnten" beide auch über eine
geplante Sabotageaktion gegen ein auf der Werft von Blohm + Voss gebautes
Kriegsschiff gewesen sein. "Es ist wahrscheinlich, dass sie den Plan mit
Rudi besprach", schreibt Ditfurth.
Wahrscheinlich ist auch, dass die Autorin zum 40. Jahrestag des
Dutschke-Attentats der Versuchung erlegen ist, mit einer neuen Geschichte
zu überraschen. Mit der tourt sie zurzeit durch Deutschland. Heute Abend
wird sie am Berliner Ensemble lesen und mit Intendant Klaus Peymann darüber
diskutieren. Wohl nicht dabei sein wird Bahman Nirumand, der 1965 vor dem
Schah in Persien floh und 68 ein Freund sowohl von Rudi Dutschke als auch
von Ulrike Meinhof war. Er sagt heute, die beiden hätten sich gegenseitig
durchaus akzeptiert: "Eine Freundschaft zwischen den beiden bestand aber
nicht."
11 Apr 2008
## AUTOREN
Wolfgang Gast
## TAGS
Rote Armee Fraktion / RAF
Schwerpunkt 1968
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Zusammenkunft auf dem Kürfürstendamm und vor demSpringer-Hochhaus.
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