# taz.de -- Kommentar "Zug der Erinnerung": Die Amnesie der Deutschen Bahn | |
> Die Bahn will den "Zug der Erinnerung" nicht im Hauptbahnhof haben und | |
> schiebt ihn in den Ostbahnhof ab. Der Umgang mit der eigenen Geschichte | |
> ist desaströs und unprofessionell. | |
Bild: Ein privater Werbezug durfte im Hauptbahnhof stehen, der "Zug der Erinner… | |
Fünfzig Jahre lang haben deutsche Unternehmen alles unternommen, um ihre | |
Beteiligung am Holocaust vergessen zu machen - nämlich nichts. Die Amnesie | |
war Teil eines kollektiven Verhaltens, das die persönliche Schuld Einzelner | |
leugnete und der NS-Elite alle Verantwortung zuschob. Das war bequem, | |
blendete man damit doch historische Kontinuitäten aus. Erst im Zuge der | |
Zwangsarbeiterentschädigung entstand eine Debatte über Schuld und | |
Verantwortung der Industrie. Seitdem hat sich vieles verändert. Profiteure | |
wie der Zahngoldverwerter Degussa ließen ihre Geschichte von unabhängigen | |
Historikern untersuchen. Ähnliches unternehmen Institutionen wie das | |
Verkehrsministerium oder das Auswärtige Amt. Die Bekenntnisse kommen spät, | |
zu spät, als dass die meisten Überlebenden sie noch hören können, und spät | |
genug, damit die Profiteure längst verstorben sind. Doch immerhin: Sie | |
kommen. | |
Die Deutsche Bahn aber tut immer noch so, als könnte das Bekenntnis zur | |
eigenen Geschichte den vermeintlich guten Ruf beflecken. Jahrelang stritt | |
das Unternehmen über Gedenkplakate auf Bahnsteigen, schließlich räumte man | |
eine Ecke in einem Bahnhof für die Ausstellung frei. Jetzt verweigert die | |
Bahn die Einfahrt des "Zugs der Erinnerung" in den Berliner Hauptbahnhof. | |
Die hohen Einnahmen, die die Bahn mit der Reise des privaten Gedenkzugs | |
erzielt, mochte man höchstens einer "jüdischen Stiftung" spenden, | |
keinesfalls aber dem "nichtjüdischen" Trägerverein für den Zug - eine Art | |
umgekehrter Arierparagraf im Zuge des erlaubten und verbotenen Gedenkens. | |
Dieses Verhalten ist so empörend wie rätselhaft. Empörend, weil die Bahn | |
den Eindruck vermittelt, als wolle sie an die eigene Beteiligung bei den | |
millionenfachen Deportationen nicht erinnert werden. Rätselhaft, weil die | |
Kommunikationsprofis des Unternehmens natürlich wissen, wie nahe der | |
Vorwurf liegt und eine Vorstellung davon besitzen, wie desaströs sich so | |
ein Verhalten auf das Image auswirkt. Die Bahn will keine Behörde mehr | |
sein, sondern ein moderner, weltweit agierender Logistikkonzern. Doch bei | |
der Erinnerung an die eigene Schuld fährt das Unternehmen weiter auf | |
abbruchreifen Gleisen. | |
14 Apr 2008 | |
## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bis zuletzt Streit um "Zug der Erinnerung": Kein Gedenken im Vorzeigebahnhof | |
Im Hauptbahnhof wollte die Bahn die Ausstellung über die Deportation | |
jüdischer Kinder und die Beteiligung der Reichsbahn nicht haben. Der "Zug | |
der Erinnerung" steht nun im Ostbahnhof. |