# taz.de -- Wieczorek-Zeul über Hunger: "Wenn notwendig, müssten wir aufstock… | |
> Die Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul fordert | |
> langfristig eine Änderung der Strukturen in den Entwicklungsländern. | |
Bild: Reis ist das Hauptnahrungsmittel auf Haiti. Am Wochenende trieben wegen d… | |
taz: Frau Wieczorek-Zeul, überraschen Sie die Hungerrevolten? | |
Heidemarie Wieczorek-Zeul: Eigentlich nicht - vielleicht aber in dieser | |
Deutlichkeit. Die Vernachlässigung in der landwirtschaftlichen Entwicklung | |
in den Entwicklungsländern war abzusehen. Aber ich hoffe, dass es am | |
Wochenende auf der Tagung von IWF und Weltbank gelungen ist, deutliche | |
Signale zu setzen, damit Hungerkatastrophen entgegengewirkt wird. | |
Was soll passieren? | |
Als Erstes muss die akute Not der Menschen, die hungern, gelindert werden. | |
Dafür stellen wir dem Welternährungsprogramm zusätzlich 10 Millionen Euro | |
zur Verfügung. Darüber hinaus unterstützt die Weltbank in den | |
Entwicklungsländern gezielt Programme für arme Menschen, vor allem in den | |
Städten, die durch den Preisanstieg besonders leiden. Mittel- und | |
langfristig sollten Entwicklungsländer den Anteil der landwirtschaftlichen | |
Produktion wieder ausweiten. Indien und China sind da schon weit voran, bei | |
einigen afrikanischen Ländern hapert es noch. Und die Wahrheit ist, dass | |
ein Teil der afrikanischen Länder zu wenig investiert. Vor fünf Jahren | |
haben sich die afrikanischen Länder vorgenommen, zehn Prozent der Haushalte | |
dafür auszugeben. Da gibt es Nachholbedarf. | |
Gleichzeitig fließt aber nur ein geringer Teil der Entwicklungshilfe in den | |
Agrarbereich. | |
Wir haben die Ausgaben für alle Aspekte in der ländlichen Entwicklung in | |
den letzten Jahren erheblich gesteigert und stellen dafür nun 570 Millionen | |
Euro jährlich zur Verfügung. Dazu gehören auch Investitionen in die | |
Infrastruktur, zum Beispiel für Straßenbau. Denn ohne Straßen können die | |
Produkte auch nicht zu den Märkten gebracht werden. Und die Weltbank wird | |
ihre Mittel für die ländliche Entwicklung in Afrika südlich der Sahara von | |
540 auf 800 Millionen Euro steigern. | |
Hunger ist auch eine Frage der Landverteilung - warum wird kaum darauf | |
hingewiesen? IWF und Weltbank zeigen lieber auf den Biosprit. | |
Das International Food Policy Research Institute weist darauf hin, dass bis | |
zu 70 Prozent des Preisanstiegs bei Lebensmitteln auf den | |
Agro-Kraftstoff-Boom zurückzuführen sind. Das kann man nicht ignorieren. | |
Aber natürlich ist es wichtig, auch den Zugang zu Landtiteln zu ermöglichen | |
- und Bäuerinnen und Bauern die notwendigen Finanzierungsmöglichkeiten an | |
die Hand zu geben, damit sie ihre Waren auf größeren Märkten der eigenen | |
Region verkaufen können. Mikrokredite sind dabei ein Instrument. Und gerade | |
Frauen müssen Zugang zu Landtiteln bekommen. | |
Warum wollen IWF und Weltbank die Regierungen lieber dazu bringen, für das | |
UN-Welternährungsprogramm zu spenden, als Handelsverzerrungen abzubauen? | |
Es wurde explizit gefordert, die Entwicklungsrunde der | |
Welthandelsorganisation zu einem Ergebnis zu bringen. Die | |
Agrarsubventionen, die Entwicklungsländer von der landwirtschaftlichen | |
Entwicklung abhalten, müssen beendet werden. Kurzfristig aber braucht das | |
Welternährungsprogramm mehr Geld, sonst muss es Rationen kürzen und würden | |
Menschen hungern. | |
Sie haben angekündigt, die Mittel für 2008 um 13 Millionen Euro | |
aufzustocken. Was passiert mit dem Geld? | |
Die 13 Millionen Euro kommen zum jährlichen Grundbeitrag von 23 Millionen | |
Euro hinzu. Wenn es notwendig ist, müssen wir aufstocken. Das | |
Welternährungsprogramm kauft damit Lebensmittel, möglichst in der | |
jeweiligen Region. Eines ist aber entscheidend: Wir dürfen nicht nur die | |
schrecklichen Symptome bekämpfen, sondern müssen auch langfristig die | |
Strukturen ändern. | |
16 Apr 2008 | |
## AUTOREN | |
Christine Zeiner | |
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