# taz.de -- Presserecht: Die Polizei, dein Freund und Zensor | |
> Polizeipräsident verliert Prozess gegen die taz: Dieter Glietsch darf | |
> Medien künftig nicht mehr wegen Kleinigkeiten mit teuren Klagen | |
> überziehen. | |
Bild: Polizeipräsident Dieter Glietsch | |
Polizeipräsident Dieter Glietsch ist ein streitbarer Mann. Egal ob Berliner | |
Morgenpost, Bayerischer Rundfunk, Focus oder taz: 15 Mal hat er sich in den | |
letzten drei Jahren mit der Presse angelegt, weil ihm die Berichterstattung | |
nicht passte. Egal ob es sich um eine Gegendarstellung, eine | |
Unterlassungserklärung, einen Widerruf oder alles gleichzeitig handelte - | |
der Polizeipräsident setzte sich stets mithilfe von Anwälten gegenüber der | |
Presse durch. Nun hat er in einem Rechtsstreit mit der taz erstmals eine | |
Schlappe erlitten. | |
In dem Urteil vom 10. April 2008 stellt die 27. Zivilkammer des | |
Landgerichts, kurz Pressekammer genannt, unmissverständlich fest, dass der | |
Polizeipräsident als Vertreter einer Landesbehörde nicht ohne weiteres | |
Schadensansprüche gegen die Presse geltend machen könne. Der Staat sei kein | |
Grundrechtsträger, so die Begründung. Im Klartext: Nur Bürger haben | |
Grundrechte. Wörtlich heißt es im Urteil: "Anders als den meisten | |
Grundrechtsträgern" stünden dem Staat "durchaus Mittel und Wege zur | |
Verfügung, seine Sicht der Dinge bekannt zu machen." Das gelte auch, wenn | |
es sich bei dem beanstandeten Pressebericht um eine Fehlinformation | |
handele. | |
Der Geschäftsführer der Deutschen Journalisten-Union Berlin-Brandenburg | |
(DJU), Andreas Köhn, begrüßt das Urteil als "Sieg für die Pressefreiheit". | |
Polizeipräsident Glietsch scheine ein Problem mit der Aufgabe der Presse | |
als vierte Gewalt im Staat zu haben. "Glietsch agiert wie der Prozesshansel | |
eines Kleingartenvereins", meint Köhn. | |
Deutliche Worte kommen auch von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). "Wir | |
begrüßen das Urteil außerordentlich", sagt Pressesprecher Klaus Eisenreich. | |
Der Polizeipräsident habe "offensichtlich nicht verstanden, dass die | |
Pressefreiheit ein Eckpfeiler der Demokratie" sei. "Er versucht die Presse | |
mit seinen Prozessen mundtot zu machen." Es sei verwunderlich, dass dies | |
vom Parlament so stillschweigend geduldet werde, findet Eisenreich. | |
Der einzige Politiker, der sich bislang für das Thema interessiert hat, ist | |
der innenpolitische Sprecher der FDP, Björn Jotzo. Er hat Anfang 2008 eine | |
Kleine Anfrage an Innensenator Ehrhart Körting (SPD) zu Glietschs | |
medienrechtlichen Aktivitäten gestartet. Das Ergebnis: Glietsch hat 2005 | |
begonnen, gegen die Presse zu Felde zu ziehen. Inzwischen sind es 15 Fälle, | |
von Jahr zu Jahr werden es mehr. "Unter den früheren Berliner | |
Polizeipräsidenten wäre das nicht möglich gewesen", ist der 60-jährige | |
Eisenreich mit Blick auf 40 Jahre Polizeierfahrung überzeugt. | |
Um sich einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, hat sich der | |
FDP-Abgeordnete ein paar Fälle genauer angeschaut. Über den Eifer des | |
Polizeipräsidenten könne er sich nur wundern. "Der Streit dreht sich oft um | |
Marginalien." Glietsch solle seine Energie "besser für sinnvollere Dinge | |
wie die Kriminalitätsbekämpfung einsetzen", rät Jotzo. | |
Der rot-rote Senat billigt dagegen die Aktivitäten des Polizeipräsidenten. | |
Ob Zweck, Aufwand und Kosten bei allen presserechtlichen Maßnahmen in einem | |
angemessen Verhältnis stehen, wollte Jotzo in der Kleinen Anfrage von | |
Körting wissen. Die Antwort des Innensenators bestand aus einem Wort: "Ja". | |
Bislang haben die presserechtlichen Eskapaden die Polizei nichts gekostet. | |
Die angefallenen Gebühren in einer Gesamthöhe von 63.970 Euro für Glietschs | |
Anwälte mussten stets die unterlegenen Verlagshäuser zahlen. Das dürfte | |
sich nun ändern. Das Verfahren gegen die taz wird die Polizei mindestens | |
12.000 Euro kosten, schätzt der Anwalt der taz, Johannes Eisenberg. | |
GdP-Sprecher Klaus Eisenreich sagt dazu süffisant: "Ich frage mich, aus | |
welchem Etat der Polizeipräsident das zu bezahlen gedenkt." | |
Die Frage, wie der Einsatz der Steuergelder für die Presseverfolgung zu | |
rechtfertigen sei, wollte der Sprecher des Polizeipräsidenten der taz indes | |
nicht beantworten. Die Verfahren seien noch nicht rechtskräftig, hieß es. | |
Die Antwort lässt vermuten, dass Glietsch die Niederlagen nicht hinnehmen | |
wird. Es sind also Rechtsmittel und weitere Kosten zu erwarten. | |
22 Apr 2008 | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
Plutonia Plarre | |
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