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# taz.de -- Gewerkschaftsdemo am 1. Mai: DGB leidet unter Doppelbelastung
> Die Berliner Demonstration der Gewerkschaften zeigt die Spaltung ihrer
> Mitglieder: Angestellte des Bundes feiern ihre Lohnerhöhung, die Berliner
> Beschäftigten sind gereizt und hadern mit Ver.di.
Bild: Ungewöhnlicher Polizeieinsatz: Die DGB-Demo am Brandenburger Tor
Deutlicher könnte der Gegensatz nicht sein: Zwei Bundesbeamtinnen lassen
sich auf dem DGB-Maifest am Brandenburger Tor die Sonne ins Gesicht
scheinen. Sie loben den bombigen Tarifabschluss, den die Gewerkschaft
Ver.di Mitte April ausgehandelt hat. "Fast 8 Prozent zusätzlich - wir sind
echt zufrieden." Einige Meter weiter, gleiches Fest, andere Stimmungslage:
Angestellte des öffentlichen Dienstes in Berlin stehen in kleiner Runde
zusammen und halten die Bierbecher wie Schutzschilde vor sich: "Ich erwarte
von der Gewerkschaft, dass es zumindest nicht schlimmer wird", meint ein
Verwaltungsangestellter. Zwar votierte er wie über 85 Prozent der
Ver.di-Mitglieder für einen unbefristeten Streik - doch kampfeslustig sieht
er nicht aus.
Für den Deutschen Gewerkschaftsbund und seine Mitgliedsgewerkschaften
bleibt Berlin ein schwieriges Pflaster. Obwohl die Stadt seit Jahresbeginn
einen Streik nach dem anderen erlebt, ist der Zulauf zur traditionellen
Großdemo am 1. Mai eher mau. Mehrere tausend Menschen marschierten nach
Angaben der Veranstalter für das Motto "Gute Arbeit muss drin sein".
Das Land Berlin, das 2003 aus der Tarifgemeinschaft der Länder ausgetreten
ist, fährt seine eigene Tarifpolitik. Angesichts der kritischen
Haushaltslage fällt es Ver.di schwer, mit Erfolgen für sich zu werben und
ihre Kernziele kürzer Arbeitszeiten und höhere Löhne durchzusetzen.
Die Beschäftigten der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) streiken seit Anfang
März für Lohnerhöhungen. Für diesen Freitag sind neue Verhandlungen
angesetzt. Ver.di-Verhandlungsführer Frank Bäsler steht vor einem
Gewerkschaftsstand an der Straße des 17. Juni, ausnahmsweise nicht im
Jogginganzug, sondern in Motorradkluft - "weil die Busfahrer streiken". Zu
den Erfolgsaussichten der Tarifverhandlungen will er sich lieber nicht
äußern: "Ich hatte schon so oft ein gutes Gefühl und dann wurde nichts
draus."
Busfahrer Hayrettin Yekilli fordert von seiner Gewerkschaft, sie dürfe
jetzt nicht nachgeben. "Die Stimmung ist gereizt, weil noch immer kein
Abschluss vorliegt."
Landeschefin Susanne Stumpenhusen, die als Hauptrednerin von der Bühne
wettert, schiebt die Schuld dem Land zu und prangert das Lohndiktat von
SPD-Finanzsenator Thilo Sarrazin an. Gleichzeitig zieht sie gegen prekäre
Beschäftigung zu Felde. Jeder zweite neue Job entstehe in der Leiharbeit,
mahnt die Ver.di-Landeschefin.
Das ist nicht nur für die Betroffenen prekär, auch die Gewerkschaften
geraten dadurch in eine missliche Lage. "Wir versuchen gerade, Leiharbeiter
und Stammbelegschaft zusammen zu organisieren", erzählt Suse Serway. Die
junge Frau ist Vertrauensfrau der IG Metall und arbeitet bei Siemens in
Spandau. "Die meisten Leiharbeiter haben unheimlichen Druck und Angst um
ihren Job", berichtet sie. Von 3.200 Beschäftigten bei Siemens seien 800
Leiharbeiter. Viele arbeiteten schon fünf Jahre und länger im Betrieb - für
maximal 1.000 Euro brutto.
"Uns ist jeder Leiharbeiter willkommen", wirbt der altgediente
IG-Metall-Funktionär Gerd Vetter. Im Frühjahr organisierte die IG Metall
eine Veranstaltung speziell für Leiharbeiter. Aus ganz Berlin kamen etwa
150. "Wichtig ist nicht die Zahl, sondern dass sie überhaupt gekommen
sind", sagt Vetter. Ein Ausdruck für die neue Bescheidenheit der Berliner
Gewerkschaften.
2 May 2008
## AUTOREN
Anna Lehmann
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