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# taz.de -- Öko-Landbau: Spekulantenland in Bauernhand!
> Biobauern in der Uckermark kämpfen um ihre Felder gegen Spekulanten und
> Biogas-Produzenten.
Bild: Angesichts steigender Bodenpreise sind landwirtschaflich genutzte Fläche…
"Boden ist ein knappes Gut", stellt Rolf Henke fest. "Diese Erkenntnis hat
sich mit dem Bioenergie-Boom durchgesetzt." Der 62-jährige Landwirt aus
Leidenschaft mit dem langen grauen Haar leitet die Naturrind GmbH. Sie ist
einer von 12 Öko-Betrieben, die sich in der nordbrandenburgischen Uckermark
zur Bauerinitiative Nachhaltige Landnutzung zusammengeschlossen haben. Ihre
Devise: Die Gefahr als Chance nutzen. Weil ein Drittel ihrer
Wirtschaftsfläche an Großinvestoren und Spekulanten verlorenzugehen droht,
haben sie zusammen mit der GLS-Bank und der Zukunftsstiftung Landwirtschaft
ein Modell für einen gemeinwirtschaftlichen Bodenfonds entwickelt.
Etwa 4.000 Hektar ehemals volkseigener Flächen haben die Betriebe von der
bundeseigenen Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft (BVVG)
gepachtet. Nach Auslaufen der Verträge in diesem und kommendem Jahr wird
das Land verkauft. Der geplante Fonds soll die Flächen der Bodenspekulation
entziehen und nach dem Erwerb weiter an die Bauern verpachten.
"Noch nie hatten wir die Chance, eine so große Fläche dauerhaft für den
Ökolandbau zu sichern", begeistert sich Uwe Greff, Bereichsleiter für Fonds
und Beteiligungen bei der GLS-Bank. Aber ob der Fonds realisiert werden
kann, hänge von der Vergabepolitik der BVVG ab. Denn die Preise, die
derzeit geboten werden, kann auch ein Bodenfonds nicht zahlen, wenn er wie
vorgesehen mit gerade mal 4 Prozent Rendite die Flächen an die Betriebe
verpachten will.
Allein in den vergangenen zwei Jahren sind die Bodenpreise in der Region um
hundert Prozent nach oben geschnellt. Steigende Lebensmittelpreise, der
neue Markt für nachwachsende Rohstoffe und die weltweite Verknappung
fruchtbarer Böden machen Ackerland zum begehrten Spekulationsobjekt - nicht
nur in der Uckermark. Einige Anlagemakler verweisen direkt auf die
Versteppung durch die Klimazerstörung, um für das Spekulationsobjekt
Agrarfläche zu werben. Zudem drängen neue, finanzstarke Investoren auf den
Markt, in Nordostbrandenburg unter anderem der international agierende
Möbelhersteller Steinhoff. Der Konzern erwarb unlängst die Anteile der
Agrargenossenschaft Uckerland in Gerswalde und baut dort einen Biogas-Park
auf. Acht Anlagen sind beantragt, und schon jetzt ist klar, dass die
erworbenen Flächen für die Produktion der dafür erforderlichen Biomasse
nicht ausreichen werden.
Noch bewirtschaften die Betriebe der Bauerninitiative das größte
zusammenhängende ökologische Ackerbaugebiet Europas und garantieren die
umfassendste gentechnikfreie Zone der Bundesrepublik. Auch um deren Erhalt
geht es und um den Erhalt des Biosphärenreservates Schorfheide-Chorin, in
dem die Betriebe liegen oder an das sie angrenzen. "Ohne die ökologische
Landwirtschaft ist die wertvolle Artenvielfalt mit See-, Fisch- und
Schreiadlern und mehr als 2.000 Insektenarten nicht zu erhalten", erklärt
der Leiter des Reservats, Eberhard Henne.
Was verlorengehen könnte, sieht man von der Höhe des Spitzbergs, der im
Kerngebiet des Reservats liegt. Eine weite, offene Landschaft, mit vielen
Hecken und Büschen, durchzogen von kleinen Gewässern und Mooren. Die Reize
der hügeligen Region, die typischen Sölle, kleine Regenwasserlöchern, die
üppig umwachsen sind, Feldgehölze und viel Wild sind eine Herausforderung
für die Landwirte. "Es ist eine zeitaufwendige Kurverei", meint Klaus Laatz
von der Agrar-GbR Milmersdorf. Die Böden, die der Betrieb bewirtschaftet,
sind extrem mager. Ohne künstliche Düngung ist dort nur sehr extensive
Landwirtschaft möglich, und dafür bedarf es großer Wirtschaftsflächen.
In der Nähe des Spitzbergs, in Eselshütt, erahnt man, wie es hier demnächst
aussehen könnte. Neben der Kreisstraße nach Templin erstreckt sich unter
Massen weißer Plastikfolie ein Maissilageberg von 100 mal 200 Meter
Grundfläche. Von hier wird die Biogasanlage in Röddelin beliefert, weiß
Thomas Volpers vom Umweltschutzverband BUND. Die Lkws und Traktoren fahren
mitten durch Templin auf die andere Seite der Stadt, weil die in Silonähe
beantragten Biogas-Anlagen noch nicht bewilligt sind. Offiziell wird das
Silo von der Genossenschaft in Fürstenau betrieben, so Volpers. Dass sich
aber auch hier ein Großindustrieller eingekauft hat, weiß jeder in der
Region.
Ortsansässigkeit ist ein Kriterium der BVVG für den Landverkauf an
Betriebe, die aber immer häufiger nur nach außen noch ihr altes Gesicht
haben. "Es herrscht eine große Verunsicherung, weil man nicht weiß, welche
Genossenschaft schon aufgekauft wurde, wer hinter dem Nachbarbetrieb steckt
und welche Interessen er verfolgt", beschreibt Stefan Palme, Sprecher der
Bauerninitiative, die Stimmung in der Region.
Geduldvoll erklärt der 42-jährige Agraringenieur das komplizierte
Landvergabeverfahren. Die Privatisierungsrichtlinien der BVVG wurden 2007
vom Bund und den Landesregierungen neu ausgehandelt. Danach können Betriebe
nur einen Teil ihrer gepachteten Flächen direkt zum Verkehrswert erwerben,
maximal 450 Hektar und nicht mehr als die Hälfte der Betriebsgröße. So
sollte Chancengleichheit hergestellt werden für andere Interessenten und
eine breitere Verteilung erreicht werden. Die aktuellen Spekulationsanreize
führen indes bei den frei ausgeschriebenen Flächen genau zum Gegenteil: zur
Konzentration dieses Landes in den Händen der kapitalkräftigsten Bieter.
"Wir haben nichts gegen die Investoren", betont Stefan Palme, "wir wehren
uns nur dagegen, keine Chance zum Erwerb zu haben." Und Hans-Martin
Meyerhoff von Betrieb Ökologische Domäne Hohenwalde GmbH stellt fest: "Ein
landwirtschaftlicher Betrieb, der sich sein Kapital nicht an der Börse oder
aus anderen Geschäften holt, kann da nicht mithalten und sollte es auch
nicht, weil es unwirtschaftlich ist."
Aber selbst für die Flächen, die zum Verkehrswert erworben werden können,
fehlt den Betrieben, die oft noch Altschulden aus LPG-Zeiten zu bedienen
haben, das Kapital. Wegen des drohenden Flächenverlusts haben sie schon
jetzt keine verlässliche Planungsgrundlage mehr für Kredite und
Investitionen.
Die einzige Möglichkeit, das Erreichte zu erhalten, ist der Bodenfonds. Er
könnte, wenn er denn zustande kommt, durchaus Modellcharakter für andere
Regionen in den neuen Bundesländern haben. Die Bauerninitiative fordert von
der Bundesregierung klare Vorgaben für den Landverkauf, um Spekulanten als
Bieter fernzuhalten. Maßgebend sollen nach ihrem Wunsch die Kriterien für
die Verpachtung durch den Bodenfonds sein: eine dauerhafte Verpflichtung
zur ökologischen Bewirtschaftung der gesamten Betriebsfläche.
Auch die Landesregierung ist gefragt. In keiner Region kollidieren derzeit
die konkurrierenden Segmente der ländlichen Entwicklungsförderpolitik so
miteinander wie in der Uckermark. Ökologischer Landbau, sanfter
Naturtourismus und industrielle Bioenergie-Produktion passen nicht
zusammen. Davon ist nicht nur Thomas Volpers vom BUND überzeugt. Erhöhtes
Verkehrsaufkommen, Mais- und Roggen-Monokulturen, riesige
Schweinemastanlagen für die Gülleproduktion - das mögen weder Umwelt noch
Touristen.
"Das Land Brandenburg unterstützt die Fondsidee und kommt der
Bauerninitiative entgegen", erklärt Staatssekretär Dietmar Schulze (SPD).
1.000 Hektar aus den BVVG-Beständen sind als Nationales Naturerbe für das
Land reserviert. Zugunsten eines Erwerbs durch den Fonds würde die
Landesregierung auf eine Übertragung verzichten.
Anleger für den Fonds zu finden, darin sieht Uwe Greff kein Problem. "Wenn
die Idee zündend ist und die Sache überzeugt, so wie dieser Fonds, findet
man immer Anleger."
2 May 2008
## AUTOREN
Beate Selders
## TAGS
Niedersachsen
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