# taz.de -- Experte über Folgen nach Zyklon in Birma: "Es drohen politische Un… | |
> Erst im Herbst löste materielle Not in Birma massive Proteste aus. Nach | |
> dem Wirbelsturm fehlen Wasser und Nahrung. Das Volk könnte erneut | |
> aufbegehren, meint Birma-Forscher Will. | |
Bild: "Die Menschen brauchen Wasser und Nahrung": Rangun nach dem Zyklon | |
taz: Herr will, Birmas Junta will jetzt ausländische Hilfe akzeptieren, | |
aber bittet explizit nicht darum. Was bedeutet das? | |
Gerhard Will: Das bedeutet, dass die Situation wirklich sehr schlecht ist, | |
eine riesige Katastrophe, die man nicht mehr allein bewältigen kann. | |
Deshalb akzeptiert man Hilfe. Man bittet aber nicht drum, weil man immer | |
noch das Selbstverständnis hat, als Regierung einer großen Nation auf so | |
eine Hilfe nicht angewiesen zu sein. | |
Darin drückt sich also ein Misstrauen gegenüber ausländischer Hilfe aus? | |
Ja sicher, denn wer Hilfe leistet, ist vor Ort und hat Einblick in die | |
Verhältnisse. Genau das will die Junta vermeiden. Sie hat sich mit | |
verschiedenen Unterorganisationen der UNO im Land immer wieder angelegt. | |
Der UN-Bevollmächtigte wurde erst vor einigen Monaten aus dem Land | |
gewiesen. | |
Die Beziehungen zu Indien waren gespannt. Die indische Minderheit in Birma | |
musste oft als Sündenbock herhalten. Wie kommt es, dass die Junta jetzt | |
zwei indische Kriegsschiffe mit Hilfsgütern ins Land lässt? | |
Das Verhältnis mit Indien hat sich verbessert, und es ist auch die | |
außenpolitische Strategie der Junta, die einseitige Abhängigkeit von China, | |
in die man in die letzten Jahre geraten war, durch verbesserte Beziehungen | |
mit Indien auszugleichen. Damit kann man die beiden asiatischen Großmächte | |
gegeneinander ausspielen. Und als Folge muss die Junta keine Beziehungen | |
zum Westen unterhalten. Indien spielt im außenpolitischen Kalkül also eine | |
wichtige Rolle. Die Akzeptanz der Hilfe ist dann nur logisch. Das erhöht | |
den Verhandlungsspielraum gegenüber China, dem man damit mitteilt: Wir | |
wollen von euch mindestens das Gleiche. | |
US-Präsidentengattin Laura Bush hat der Junta und ihren Medien vorgeworfen, | |
Zyklonwarnungen nicht an die Bevölkerung weitergegeben zu haben. Wieso | |
schaltet sie sich jetzt ein? | |
Laura Bush hat weitgehend die US-Birmapolitik übernommen, zumindest deren | |
öffentliche Vertretung. Sie hat sich schon immer sehr lautstark für die | |
unter Hausarrest stehende Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi | |
engagiert, von daher überraschen ihre Äußerungen nicht. Ihre Vorwürfe, | |
sofern man das jetzt sagen kann, scheinen unberechtigt. Vor allem müssen | |
die USA selbst schauen, wie sie mit Wirbelstürmen umgehen, und da ist wohl | |
Frau Bush nicht berechtigt, Vorwürfe zu erheben. Das Angebot von | |
Hilfeleistungen aus den USA wird von der Junta aus Prestigegründen | |
abgelehnt werden. | |
Die Junta will bis auf einige Ausnahmen am geplanten Referendum am Samstag | |
festhalten. Nur in den am schwersten betroffenen Gebieten wird es um zwei | |
Wochen verschoben. Warum diese starre Haltung? | |
Die Junta versucht Zeit zu gewinnen. Ich fürchte, dass sie selbst keinen | |
Überblick über das Ausmaß der Schäden und ihre Konsequenzen hat. Die | |
Katastrophe ist für die Junta nicht nur ein technisches Problem, sondern | |
gerade angesichts ihres sehr traditionellen Weltbilds, in dem sie gefangen | |
ist, ein ungünstiges Vorzeichen höherer Mächte. | |
Welche Folgen fürchtet sie? | |
Dass der Zyklon die allgemeine Lebenssituation noch verschlechtert. Im | |
vergangenen September und Oktober kam es ja bereits zu Protesten, ausgelöst | |
durch materielle Not. Durch den Wirbelsturm wird die Situation extrem | |
erschwert, deshalb sind politische Unruhen zu befürchten. Die Menschen | |
brauchen Wasser und Nahrung. Die Junta wird auf absehbare Zeit nicht in der | |
Lage sein, dies in ausreichendem Maß zur Verfügung zustellen. | |
INTERVIEW: SVEN HANSEN | |
7 May 2008 | |
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