# taz.de -- Ballfestspiele: Salzburg ohne Bullen | |
> Für den Erzbischof wird zur EM eine Einbahnstraßenregelung aufgehoben, | |
> und wegen Uefa-Auflagen muss die Werbung des Hauptsponsors bis zu den | |
> Spielen vollständig aus dem Stadion entfernt werden | |
Bild: Pause an der Salzach | |
Die Erzbischöfe von Salzburg sind mächtige Männer - seit weit über tausend | |
Jahren. Reich geworden durch den Salzhandel konnten die Bischöfe schon | |
Kaiser Karl dem Großen im Jahre 798 die Erhebung der Diözese zum Erzbistum | |
abverlangen. Jahrhundertelang herrschten die Kirchenmänner über einen | |
territorial wachsenden Staat, dessen Ausdehnung zeitweise über jene des | |
heutigen Bundeslandes Salzburg hinausging. | |
Einer der prächtigsten Fürsterzbischöfe, Wolf-Dietrich von Raitenau, ließ | |
Anfang des 17. Jahrhunderts für seine Geliebte Salome Alt und die | |
gemeinsamen 15 Kinder das Barockschloss Mirabell erbauen. Seine Nachfolger, | |
Sigismund von Schrattenbach und Hieronymus Graf Colloredo, konnten sich | |
einen Mozart als Hofkapellmeister leisten. | |
Erst Napoleon machte dem Kirchenstaat ein Ende und schlug ihn dem | |
verbündeten Bayern zu. Erzbischof Alois Kothgasser ist deshalb kein | |
Landesfürst mehr. Verglichen mit den verschwenderischen Barockfürsten ist | |
seine Macht bescheiden. Aber immerhin wurde für ihn eine "Einbahnregelung" | |
(die vorgeschriebene Fahrtrichtung einer Einbahnstraße) außer Kraft | |
gesetzt, damit er auch während der Fußball-EM ungehindert und jederzeit | |
bequem seinen Palast verlassen kann. | |
Denn die Fanzone in Salzburg erstreckt sich über drei Plätze mitten in der | |
Altstadt, von denen zwei, der Kapitelplatz und der Residenzplatz, direkt am | |
Dom liegen. Der kleinere Mozartplatz ist eine Verlängerung des | |
Residenzplatzes. | |
Drei Screens für Public Viewing, wie es so schön auf Neudeutsch heißt, | |
werden dort aufgerichtet. Dort, wo während der Salzburger Festspiele jeden | |
Sommer der "Jedermann" aufgeführt wird, soll jetzt Otto Rehhagels Elf ihren | |
Titel verteidigen. Für 50.000 Fans an den drei Spieltagen ist man gerüstet, | |
versichert Daniela Kinz von der Salzburg Information. | |
Für Salzburg ist das kein außergewöhnlicher Ansturm. In der Adventszeit und | |
zu Silvester treiben sich auch oft so viele Touristen im historischen Kern | |
nördlich der Salzach herum. Dass der Fanbereich zumindest teilweise in der | |
Innenstadt liegt, gehört zu den Auflagen der Uefa. Für die | |
Fremdenverkehrswerbung dürfte sich die malerische Kulisse der | |
mittelalterlichen Feste Hohensalzburg und der barocken Kirchtürme nicht | |
nachteilig auswirken. | |
Es werden nicht nur Hardcore-Schlachtenbummler erwartet, vielmehr bringen | |
viele Fans ihre Familien mit und nutzen den Aufenthalt für den einen oder | |
anderen Abstecher in die Museen oder die bergige Umgebung. | |
Der Fanbereich umfasst 22.000 Quadratmeter und soll Dutzenden Ständen für | |
Getränke und Speisen Platz bieten. Hier herrschen die Sponsoren der Uefa | |
und setzen ihre Exklusivrechte durch. Dass hier nur Carlsberg Bier | |
ausgeschenkt werden darf, verärgert alle lokalen Brauereien außer dem | |
mächtigen Stieglbräu, das die Importlizenz für die Produkte des dänischen | |
Getränkeriesen hat. Die Preise sind mit 4,20 Euro pro Krügel (0,5 Liter) | |
gesalzen - höher als auf dem nicht gerade preisgünstigen Münchner | |
Oktoberfest. McDonalds erlaubt zwar den Verkauf von Speisen, nicht jedoch | |
von Hamburgern. Die Kreation des "Salzburgers" musste also ein | |
Gedankenspiel bleiben. | |
Man muss sich allerdings nur wenige Schritte aus der Fanzone hinaus | |
begeben, um auch zu einheimischen Produkten Zugang zu bekommen. Am Ende der | |
berühmten Getreidegasse, wo Mozarts Geburtshaus täglich hunderte Touristen | |
anzieht, lockt das Sternbräu mit seinem geräumigen Gastgarten. Für Freunde | |
des gepflegten Weizenbiers lohnt es sich, einen gemütlichen Spaziergang auf | |
die andere Seite der Salzach zu unternehmen und dort im Gasthaus der | |
Brauerei Die Weiße ein Weißbier nebst deftiger Grundlage für weitere | |
Unternehmungen zu konsumieren. | |
Mit den Anrainern und den Vertretern der Gastronomie gab es Gespräche und | |
Informationsabende. Dabei konnten vielerlei Befürchtungen weitgehend | |
ausgeräumt werden, meint der Host-City-Koordinator Wolfgang Weiss. Er | |
schätzt sich glücklich, dass die Auslosung für Salzburg so günstig | |
ausgefallen ist. Im Stadion bei Schloss Klessheim spielt Griechenland gegen | |
die drei Gegner der Gruppe B, Russland, Schweden und Spanien. Bisher sind | |
die Fans dieser Nationen nicht als Hooligans aufgefallen. Sie feiern gern, | |
neigen aber nicht zu Gewaltexzessen. | |
Der Taxifahrer Albert B. wird der Stadt an den Spieltagen den Rücken | |
kehren. Er hat keine Lust auf den Trubel. Und zusätzliches Geschäft kann er | |
auch nicht erwarten. Das Stadion ist mit der Stadt über einen | |
Shuttle-Service verbunden. Eine Eintrittskarte berechtigt auch zur | |
Benutzung der Bundesbahn und der öffentlichen Verkehrsmittel. Wer kein | |
Ticket hat, der hat auch keine Veranlassung, zum Stadion zu fahren, denn | |
dort wird den Fans außer dem jeweiligen Spiel in der streng be- und | |
überwachten Arena nichts geboten. Deshalb befürchtet der Taxifahrer ein | |
Verkehrschaos im Zentrum. Schon jetzt ist der größte Teil der Altstadt | |
Fußgängerzone, und im Einbahnzirkus finden sich nur Einheimische zurecht. | |
Taxifahrer wurden nicht speziell auf das Fußballfest eingestimmt. Die | |
Wirtschaftskammer versucht jedoch ihre Mitglieder mit Sprachkursen fit zu | |
machen. An der Volkshochschule laufen neben Spanisch- und Russischkursen | |
auch eigene Vorbereitungsseminare für die weibliche Klientel, "Frauen raus | |
aus dem Abseits". Da sollen den bisher verständnislosen Ehefrauen von Fans | |
die Grundlagen für das Verständnis eines Fußballspiels nahegebracht werden. | |
Das erst 2003 eröffnete Stadion wurde aufgestockt, sodass es statt 15.000 | |
mehr als 30.000 Zuschauer fassen kann. Anders als an den anderen | |
Spielstätten wird diese Erweiterung post festum nicht rückgebaut. Dietrich | |
Mateschitz, Erfinder des klebrigen Prickelgetränks Red Bull und | |
Hauptsponsor der Mannschaft Red Bull Salzburg, ist zuversichtlich, dass die | |
erweiterte Kapazität in Zukunft für Spiele in der Champions League nützlich | |
sein wird. Bei einem Match gegen Arsenal im Juli 2007 hat sich das Stadion | |
jedenfalls gefüllt. Die Heimmannschaft hat zwar trotz Hochrüstung mit | |
teuren Kickerstars den Meistertitel um drei Punkte verpasst, doch gehören | |
zukünftige Triumphe quasi zur Lebensplanung des ehrgeizigen Sponsors, der | |
mit dem Hangar 7, einer Ausstellungshalle plus Gourmettempel in der Nähe | |
des Flughafens, eine neue Attraktion für Technologiefreaks geschaffen hat. | |
Während des Fußballturniers wird Bullenwerbung im Stadion nicht geduldet. | |
Die flächendeckend aufgebrachten roten Stiere mussten vor der Übergabe des | |
Stadions an die Uefa allesamt entfernt werden. | |
7 May 2008 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
## TAGS | |
Reiseland Österreich | |
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