# taz.de -- Damit man stets die Alpen sieht: In Innsbruck nur bei Tageslicht | |
> Was ein echter Tiroler ist, der fühlt sich auf der Skipiste wohler als im | |
> Stadion. Vielleicht wird gerade deshalb die größte Leinwand der EM am Fuß | |
> einer Sprungschanze aufgestellt - vor der Kulisse der imposanten | |
> Nordkette mit ihren 2.500 Meter hohen Gipfeln | |
Bild: Fanmeile auch in der Maria-Theresien-Straße | |
Wer sich heute in Innsbruck als Fußballfan versteht, braucht eine harte | |
Haut. Der kleine Fanartikelladen in einer schmalen Seitengasse der | |
Maria-Theresien-Straße wird offenbar kaum von Menschen überrannt, die | |
grün-weiße Wimpel des FC Wacker oder Poster der Heimmannschaft erwerben | |
wollen. Das legt ein in die Scheibe geklebtes Schild nahe: "Wir führen hier | |
keine ÖFB-Artikel, keine Euro 08-Fanartikel und keine Karten für | |
Europameisterschaftsspiele!!!" Das Wort "keine" ist jeweils dick | |
unterstrichen. | |
Erst vor wenigen Jahren wurde Wacker Innsbruck, gerade erst | |
österreichischer Meister geworden, wegen eines Finanzskandals, der den | |
Konkurs nach sich zog, in die Regionalliga zwangsversetzt. Jetzt hat sich | |
die Traditionsmannschaft neuerlich den wohlverdienten Abstieg aus der | |
österreichischen Bundesliga erspielt. Was ein richtiger Tiroler ist, fühlt | |
sich ohnehin auf den Skipisten besser aufgehoben als im Fußballstadion. | |
Dennoch wird Innsbruck im Juni zu einem der vier österreichischen | |
Austragungsorte für die EM 2008. | |
Die Tiroler Hauptstadt mag zwar nicht durch Spitzenleistungen auf dem | |
Gebiet des runden Leders auffallen, doch für die Europameisterschaft hat | |
die zweimalige Austragungsstätte Olympischer Winterspiele (1964 und 1976) | |
einige Superlative zu bieten. Die Fanmeile erstreckt sich tatsächlich fast | |
über eine Meile: vom Goldenen Dachl im spätgotischen Zentrum bis zum | |
Triumphbogen am Ende der barocken Maria-Theresien-Straße. Bei schönem | |
Wetter kann man vom Goldenen Dachl aus den von der Stararchitektin Saha | |
Hadid entworfenen kühn geschwungenen Sprungturm der Berg-Isel-Schanze | |
erkennen. | |
In der Arena der Schanze, dort, wo der Auslauf der Skispringer ist, wird | |
die größte Leinwand der EM montiert: 84 Quadratmeter ist sie groß. 15.000 | |
Fans werden im Amphitheater auf dem Berg Isel gratis die Übertragungen | |
sehen können. Da die Innsbrucker Spiele bei Tageslicht ausgetragen werden, | |
kann man gleichzeitig die imposante Nordkette mit ihren 2.500 Meter hohen | |
Gipfeln auf sich einwirken lassen. | |
Dort wurde die laut Werbung "steilste Fanmeile der Welt" eingerichtet. Die | |
Seegrube auf 1.905 Meter Seehöhe lockt vor allem Manager mit dicken | |
Brieftaschen an. In einem VIP-Zelt kann man für seine Geschäftsfreunde | |
einen Tisch reservieren und gegen schlappe 280 Euro pro Person die | |
Fußballhelden als Hintergrund zu einem gepflegten Abendessen laufen lassen. | |
Die Nordkettenbahn und eine Seilbahn bringen die Besucher in 20 Minuten vom | |
Stadtzentrum auf die Seegrube. Während der EM werden diese Bahnen bis | |
Mitternacht in Betrieb sein. Auch Normalverbrauchern wird auf der Seegrube | |
etwas geboten: in weniger exklusivem Ambiente, dafür aber erschwinglich. | |
Der Blick auf das nächtliche Innsbruck kann auch den Billiggästen nicht | |
genommen werden. | |
Schon Anfang April war Innsbruck für die Dauer der Europameisterschaft | |
hoffnungslos ausgebucht. "Im Umkreis von 30 Kilometern ist kein Zimmer mehr | |
zu haben", freut sich Hans Reichl von der Zimmervermittlung Innsbruck. | |
Allerdings schränkt er sofort ein: "Die Buchungslage ist eine | |
Momentaufnahme, die wahnsinnig viel Luft enthält." Denn viele Fans hätten | |
über verschiedene Reisebüros reservieren lassen. Doppelbuchungen seien fast | |
die Regel. Außerdem gebe es ja nicht nur die Hotels in der Stadt, sondern | |
auch unzählige kleine Frühstückspensionen in umliegenden Gemeinden, die | |
verkehrstechnisch gut angebunden sind. Während der WM werden die Busse und | |
Straßenbahnen 24 Stunden verkehren, versichert Roberto Montagna vom | |
Innsbrucker Tourismusbüro. | |
Innsbruck habe ein glückliches Los gezogen, da ist sich der Manager sicher. | |
Hier spielen die Mannschaften der Gruppe D: Schweden, Spanien und Russland. | |
Für die Begegnungen mit dem regierenden Europameister Griechenland müssen | |
sie nach Salzburg reisen. So sind es vor allem Fans aus Schweden und | |
Spanien, die in Innsbruck erwartet werden. 45 Prozent der Buchungen seien | |
aus Schweden gekommen, weiß Roberto Montagna, 20 Prozent aus Spanien. | |
Russische Besucher werden wegen der größeren Distanz und vor allem der | |
Visapflicht weit weniger zahlreich vertreten sein. Wenn sie kommen, dann | |
bleiben sie allerdings gleich eine Woche. Schweden wollen im Durchschnitt | |
vier Tage verweilen, Spanier bleiben nur eine Nacht. Der schwedische | |
Fanclub hat in Natters, rund acht Kilometer südlich der Stadt, einen | |
kompletten Campingplatz gemietet. | |
Aber auch für all jene Rucksackreisenden, die noch keine Vorkehrungen | |
getroffen haben, ist vorgesorgt. Das Organisationskomitee hat die | |
Messehalle unweit des Zentrums im Stadtteil Saggen angemietet. Dort wird | |
eine Halle mit Kojen ausgerüstet, wo drei Stockbetten und sechs Spinde | |
Platz finden. Die Nacht ist für 25 Euro zu haben. Wem auch das noch zu | |
teuer ist, der kann für 15 Euro in einer anderen Halle seine Isomatte und | |
seinen Schlafsack ausbreiten. Daneben befindet sich auch das einzige Public | |
Viewing unter Dach. Anders als die Fanmeile in der Stadt, wird dieser | |
Bereich nicht um Mitternacht geschlossen, sondern Unterhaltung bis sechs | |
Uhr früh bieten. | |
Die Nacht durchmachen kann man auch auf der sogenannten Bogenmeile, die | |
gleich daneben eine Vielfalt von Kneipen und kleinen Restaurants unter den | |
Viaduktbögen für eher jugendliche Klientel bietet. "Die Biervielfalt", wie | |
Martin Schnitzer vom Organisationskomitee es bezeichnet, ist aber nicht nur | |
in den vielen kleinen Lokalen gewahrt, sondern auch auf der Fanmeile der | |
Maria-Theresien-Straße. Das Exklusivrecht der Uefa-Sponsoren, und darauf | |
ist Schnitzer besonders stolz, gilt nur für die Berg-Isel-Arena. | |
Wer dem Trubel entkommen will, kann von der Seegrube noch 400 Höhenmeter | |
weiter mit der Seilbahn fahren oder über Klettersteige erklimmen. Vom | |
Hafelekar nach Norden erschließt sich dem Betrachter das Karwendelgebirge | |
völlig menschenleer und fußballfrei. | |
7 May 2008 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
## TAGS | |
Reiseland Österreich | |
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