Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Lokales Bier bevorzugt: Blickdichter Zaun, bunter Baldachin
> Im Baseler „Joggeli“ findet am 7. Juni das Eröffnungsspiel der Fußball-…
> statt. Bis dahin wird im Stadion und überall noch kräftig
> „herumgebosselt“.
Bild: Die Mittlere Brücke wird zur Fanmeile
Mit dem Fahrrad sind es nur 30 Minuten vom südbadischen Lörrach bis ins
Stadion St. Jakob-Park in Basel. Lörrach ist der alte und neue Wohnort von
Ottmar Hitzfeld. Der Noch-Bayern-München-Trainer wird gleich nach der Euro
08 die Schweizer Nationalmannschaft übernehmen. Im „Joggeli“, wie die
Basler den St.-Jakob-Park liebevoll nennen, findet am 7. Juni das
Eröffnungsspiel dieses drittgrößten Sportanlasses der Welt statt. Die
Schweiz spielt gegen Tschechien.
1971 hat Hitzfeld den Weg von Lörrach ins Basler Stadion schon einmal
gemacht, möglicherweise mit dem Fahrrad. Da ist der damals 22-Jährige aufs
Trainingsgelände des FC Basel gekommen und hat sich dem Trainer Helmut
Benthaus vorgestellt. Kurz darauf gehörte Hitzfeld zur ersten Mannschaft
und wurde zum Ende der Saison sogleich auch Meister. Ähnlich dominierend
wie in jenen Jahren ist der Club auch heute wieder. Basel ist ganz klar die
Fußball-Hauptstadt der Schweiz. Das treueste und zahlreichste Publikum
besitzt der FC Basel sowieso. Gerade hat der Verein den Pokalsieg geholt
und steht mit einigen Vorteilen da im Kampf um die Meisterschaft gegen die
Berner Young Boys: Im allerletzten, wohl entscheidenden Saisonspiel müssen
die Berner ins „Joggeli“ kommen.
Dann wird dort schon kräftig für die Euro herumgebosselt. Vor Kurzem gab es
eine groß angelegte Übung mit Ordnungskräften aller Art, um den verordneten
Euro-Ausnahmezustand tatkräftig durchzusetzen. Es kam vor allem zu heftigen
Verkehrsbehinderungen rund ums Stadion. Aber das wird in den Tagen der EM
sowieso der Fall sein. Das an einem kräftig befahrenen Verkehrskreuz
liegende „Joggeli“ wird zur No-go-Area. Denn wenn Schweizer bei einem
sicher sein wollen, dann bei der Sicherheit.
Deswegen wurde auch schon vor Längerem ein Hooligan-Gesetz durchgepeitscht.
Die Sanktionen gegen echte und vermeintliche Übeltäter beinhalten temporäre
Stadion- und Gebietsverbote, Aufnahme in eine Delinquentenkartei und
schlimmstenfalls präventiven Polizeigewahrsam. Das ist rechtsstaatlich
selbstverständlich etwas happig.
Basel hat zwar eine große humanistische Tradition und ist durchaus kultur-
und kunstsinnig, doch Basel ist keine große Stadt, sie liegt ziemlich eng
und zugebaut im Dreiländereck. Da kann es schnell zu verkehrstechnischen
Problemen kommen, wenn zu viele Holländer und Deutsche mit dem Auto direkt
vors Stadion kommen wollen. Die ans „Joggeli“ angrenzende Gemeinde Muttenz
weigerte sich gar, die ziemlich lange VIP-Karawane über ihr Gebiet fahren
zu lassen. Der Mehrverkehr sei den Bewohnern der betroffenen Viertel nicht
zuzumuten. Mittlerweile hat die Regierung allerdings ein Machtwort
gesprochen, und die tapfere Gemeinde musste klein beigeben.
Und wie ist das wohl, wenn in den diversen Fanzonen nicht mehr ganz
nüchterne Fans in ihrer Euphorie über die frischen Geranien auf dem Balkon
herfallen oder sich in Hauseingängen erleichtern? Es gefällt vielen Baslern
nicht, mit welcher Vehemenz die Uefa in ihre Stadt eingefallen ist. Auch
die rot-grüne Regierungsmehrheit hat da einfach nur zugesehen. Aber es ist
gute Schweizer Tradition, gegen fremde Vögte zu sein.
Das war schon 1291 gegen die Habsburger so. Viele Menschen haben das nicht
ganz unberechtigte Gefühl, von der Host City Basel, den hiesigen
Euro-Organisatoren, sozusagen an die Uefa verschachert worden zu sein. So
weigern sich in der offiziellen Fanmeile beispielsweise drei an bester Lage
am Rheinufer gelegene Restaurants, den Uefa-Vorschriften entsprechend nur
ein bestimmtes Bier auszuschenken. Lieber lassen sich die drei Kneipen
einen blickdichten Zaun um ihre Gartenwirtschaften als Abschirmung zur
Fanmeile ziehen und schenken weiter ihre eigenen Biersorten aus.
Das ist sehr sympathisch, und im Endeffekt gibt das dem Euro-Schauplatz
Basel zusätzliche Attraktivität. Wer will denn schon einen Korridor durch
die Stadt mit nichts als den Produkten, deren Hersteller mit der Uefa einen
Vertrag haben? Die größte Basler Fanmeile führt jedenfalls vom Schweizer
bis zum Badischen Bahnhof, quer durch die Stadt, und es sind 430 mobile
Toiletten entlang dem offiziellen Fanboulevard aufgestellt. Neben der
Sicherheit steht der Schweizer nämlich auch sehr auf Sauberkeit.
Auf der Mittleren Brücke, dem ältesten noch erhaltenen Rheinübergang
überhaupt, ist eine Großleinwand installiert. Wenn da nur keine Fans im
Überschwang der Gefühle ins Wasser fallen. Der umtriebige Kunstorganisator
Klaus Littmann will Teile der Fanmeile mit einem Baldachin aus farbigen
Tüchern überspannen, die von internationalen Künstlern gestaltet wurden.
Ein privates Sponsoring scheiterte nicht zuletzt an den Auflagen der Uefa,
die keine anderen Werbeträger wünschte. Nun haben die Stadt und eine
private Stiftung die Finanzierung dieses Spektakels übernommen.
„Basel. Mehr als neunzig Minuten“ lautet der offizielle Euro-Slogan dieser
Stadt. Wenn es zu Verlängerungen aller Art kommt, dann ist immer noch der
öffentliche Verkehr da, der sein Angebot bis weit in die Nacht hinein
ausgebaut hat und auch die vielen Fan-Camps rund um Basel bedient. Wer für
die Euro vor Ort Quartier sucht, kann es beispielsweise immer noch bei
[1][www.sleep-in.ch] versuchen.
Neben dem Eröffnungsspiel finden in Basel noch die anderen beiden
Gruppenspiele der Schweizer statt. Dazu gibt es im „Joggeli“ zwei
Viertelfinals und ein Halbfinale. Vieles ist möglich. Die Euro-Begeisterung
hier in Basel ist allerdings seit März durch die peinliche 0:4-Niederlage
im „Joggeli“ gegen die Deutschen zusätzlich gedämpft worden. Fieberhaft
versuchen die offiziellen Stellen seither, die Euphorie hochzufahren. Das
wirkt dann alles etwas verkrampft. Denn dass die Basler feiern können, hat
sich zuletzt wieder vor ein paar Wochen beim Pokalsieg gezeigt. Deswegen
kann man nur einem rot-grünen Politiker zustimmen, der da schrieb: „Seit
Wochen wird versucht, uns von oben herab Freude zu verordnen. Zum Glück
lassen wir Schweizerinnen und Schweizer uns aber Freude und Begeisterung
nicht verordnen, sondern sind gewohnt, selbstständig zu denken.“
Wenn dem so ist, dann ist ja alles gut. Nun muss die Schweizer
Nationalmannschaft nur noch Europameister werden. Das Finale ist allerdings
nicht in Basel.
7 May 2008
## LINKS
[1] http://www.sleep-in.ch/
## AUTOREN
Wolfgang Bortlik
## TAGS
Reiseland Schweiz
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.