# taz.de -- Autorenfilme beim Cannes-Festival: Der letzte Schrei des Weltkinos | |
> Auf nach Cannes! Dort werden am Mittwoch Abend die 61. Filmfestspiele mit | |
> dem Film "Blindness" von Fernando Meirelles eröffnet. | |
Bild: Fernando Meirelles. | |
Berühmt wurde der brasilianische Regisseur Fernando Meirelles mit dem Film | |
"Cidade de Deus". Als der vor sechs Jahren in die Kinos kam, war es noch | |
ziemlich außergewöhnlich, poppige, rasant geschnittene Bilder aus einer | |
Favela zu sehen, und dementsprechend leidenschaftlich wurde "Cidade de | |
Deus" diskutiert. Wer sich in Brasilien dem Cinema Novo und dessen Ästhetik | |
des Hungers verpflichtet fühlte, fragte skeptisch: Lässt sich Elend so | |
opulent darstellen? Braucht es nicht mehr politisches und soziales | |
Bewusstsein, wenn man eine Favela zum Schauplatz wählt? | |
Enorm erfolgreich war "Cidade de Deus" dennoch; der Film wurde in 62 Länder | |
verkauft und spielte weltweit eine halbe Milliarde US-Dollar ein. Gekostet | |
hatte er drei Millionen US-Dollar. Das ebnete Meirelles den Weg in die | |
internationale Koproduktion. 2005 drehte er "Der ewige Gärtner", eine etwas | |
müde und vorhersehbare Adaption des Romans von John Le Carré; in den | |
Hauptrollen waren Ralph Fiennes und Rachel Weisz zu sehen; der Schauplatz | |
wechselte zwischen einem rot-staubigen Afrika und einem unterkühlten, | |
grauen London. Heute Abend nun wird dem 1955 geborenen Regisseur eine | |
besondere Ehre zuteil: Mit seinem neuen Film "Blindness" eröffnet Meirelles | |
die 61. Filmfestpiele von Cannes. | |
Auch "Blindness" liegt ein Roman zugrunde - "Die Stadt der Blinden" (1995) | |
des portugiesischen Nobelpreisträgers José Saramago. Alle Bewohner einer | |
Stadt verlieren ihr Augenlicht, nur die Frau des Arztes nicht. Die | |
Regierung reagiert autoritär auf die rätselhaften Vorgänge; sie evakuiert | |
die Erblindeten, die fortan in einer Anstalt leben müssen; trotzdem breitet | |
sich Chaos aus. In den Hauptrollen spielen Julianne Moore und Mark Ruffalo. | |
Das alles klingt nach den typischen Zutaten für einen typischen | |
Festivaleröffnungsfilm: ein bedeutender Schriftsteller, ein Global Player | |
des Kinos, zwei Stars, die zwar bekannt sind, denen aber zugleich eine | |
Independent-Aura anhaftet, dazu ein spektakulärer, politisch-parabelhafter | |
Plot. | |
Jenseits davon haben sich die Festivalmacher rund um den Direktor Thierry | |
Frémaux auf das besonnen, was sie besonders gut können. Sie liefern einen | |
Querschnitt des internationalen Autorenkinos, und zumindest im Programmheft | |
lässt sich das viel versprechend an. Um die Goldene Palme konkurrieren | |
neben anderen die Franzosen Arnaud Desplechin und Philippe Garell, die | |
Belgier Jean-Pierre und Luc Dardenne, die Argentinier Lucrecia Martel und | |
Pablo Trapero, der Türke Nuri Bilge Ceylan, der Chinese Jia Zhang-ke und | |
der Kanadier Atom Egoyan, lauter Autorenfilmer, die sich - zumindest in der | |
Wahrnehmung deutscher Kinogeher - in einem seltsamen Paradox bewegen: Ihre | |
Arbeiten finden eher ausnahms- als normalerweise den Weg in hiesige | |
Arthouse-Säle; auf der Weltkarte des gegenwärtigen Kinos spielen sie | |
dennoch eine herausragende Rolle. | |
In den Nebenreihen, namentlich in der Quinzaine des Réalisateurs, ist diese | |
Diskrepanz noch stärker zu spüren. Hier werden zum Beispiel neue Arbeiten | |
des Katalanen Albert Serra, des Argentiniers Lisandro Alonso oder des | |
Philippino Raya Martin gezeigt - alle drei Filmemacher sind so etwas wie | |
der dernier cri des Weltkinos, und alle drei haben, sieht man von Cannes | |
und anderen ambitionierten Festivals ab, nicht die Spur einer Kinopräsenz. | |
Dem entgegengesetzten Extrem - dem Film, der mit einem Schlag abertausende | |
von Leinwänden weltweit besetzt - öffnet sich das Festival auch in diesem | |
Jahr. Steven Spielbergs "Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal | |
Skull" wird außer Konkurrenz am 18. Mai präsentiert, vier Tage, bevor der | |
Film regulär in die Kinos kommen wird. Und das Dreamworks-Studio zeigt, | |
ebenfalls außer Konkurrenz, den Animationsfilm "Kung Fu Panda", eine | |
Mischung aus Kampfkunstklassikern wie "The 36th Chamber of Shaolin" und | |
bäriger Tollpatschigkeit. | |
14 May 2008 | |
## AUTOREN | |
Cristina Nord | |
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