# taz.de -- Wieder Diskussion um mögliche Stasi-Mitarbeit: Neue Indizien gegen… | |
> Der populärste Linke Deutschlands, Gregor Gysi, hat sich stets dagegen | |
> gewehrt, IM der Stasi gewesen zu sein. Neue Dokumente und ein Zeuge | |
> stärken nun die Indizien dafür, dass er es war. | |
Bild: Auf ihn fällt nun ein naheliegender Verdacht: Gregor Gysi. | |
Eigentlich hätte Thomas Klingenstein .am Mittwoch im Berliner | |
Oberverwaltungsgericht schwitzen müssen. Stattdessen schwitzt seinetwegen | |
jetzt der Star der Linken, Gregor Gysi - und dafür brauchte sich | |
Klingenstein nicht einen Schritt aus seiner Wohnung zu bewegen. | |
Vor rund einer Woche hatte der Maler eine gerichtliche Vorladung erhalten, | |
um als Zeuge auszusagen - in der Sache "Dr. Gysi ./. BRD". Am Dienstag, | |
wenige Stunden vor der geplanten Verhandlung, hatte er plötzlich eine | |
Nachricht auf dem Anrufbeantworter: Gysi habe seine Klage fallen gelassen. | |
Die Verhandlung sei abgeblasen worden. "Da war ich baff", berichtet | |
Klingenstein. | |
Es war in der Tat eine höchst ungewöhnliche Nachricht - schließlich lässt | |
der Rechtsanwalt und Fraktionschef der SED-Nachfolgepartei Die Linke | |
Gerichtstermine so oft nicht sausen. Schon gar nicht, wenn es indirekt um | |
Fragen geht, die ihm seit Mitte der Neunzigerjahre von Bürgerrechtlern, | |
Parteien und Behörden um die Ohren gehauen werden und die er stets vehement | |
verneint: War er Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi? Und hat er in dieser | |
Funktion DDR-Dissidenten verraten? | |
Regimekritiker, wie etwa seinen ehemaligen Mandanten Robert Havemann. Vor | |
drei Jahren hatte die für die Stasiunterlagen zuständige Birthler-Behörde | |
eine Akte über Havemann gefunden, die der Spiegel kurz darauf anforderte. | |
Dagegen hatte Gysi vor dem Oberverwaltungsgericht Berufung eingelegt, unter | |
Hinweis auf seine anwaltliche Schweigepflicht. | |
Wirft man einen Blick in das fünf Seiten umfassende Aktenfragment aus dem | |
Jahr 1979, wirkt diese Argumentation jedoch arg bemüht. Angst dürfte dem | |
Links-Mann vor allem der Inhalt des Berichts gemacht haben: Denn das | |
ehemals geheime Schriftstück ist ein weiteres Indiz dafür, dass sein | |
Verhältnis zum DDR-Geheimdienst weitaus enger gewesen sein dürfte, als Gysi | |
behauptet. | |
Konkret geht es um ein Treffen am Abend des 3. 10. 1979 im | |
brandenburgischen Grünheide. Laut Bericht nahmen an dem Treffen vier | |
Personen teil: Havemann und seine Frau Katja, "Rechtsanwalt Dr. Gysi" und | |
"eine männliche Person" namens "Erwin". Dann ist da noch von einer | |
Autofahrt die Rede: "Der IM nahm ,Erwin' mit in die Stadt und erfuhr zur | |
Person folgendes …" | |
Diese Autofahrt bringt den Linke-Fraktionschef jetzt in Erklärungsnot, und | |
das ausgerechnet kurz vor dem Parteitag am Wochenende, dem ersten nach der | |
Fusion von PDS und WASG. Unter Druck ist er deshalb, weil das | |
Oberverwaltungsgericht "Erwin" als damaligen DDR-Dichter Thomas Erwin | |
identifizieren konnte. Heute heißt er Thomas Klingenstein, ist Berliner | |
Maler, und war am Mittwoch eigentlich als Zeuge geladen. Der taz sagt er: | |
"Der Fahrer, der mich nach Berlin brachte, war Gysi." | |
Ist Gysi also der IM? "Der Stasi-Bericht legt für mich die Vermutung nahe", | |
sagt Klingenstein. Und zwar auch deshalb, weil im Bericht nicht allein die | |
Autofahrt genannt wird, sondern auch die Gesprächsinhalte. So heißt es in | |
der Akte über "Erwin" alias Klingenstein: "19 Jahre, Abiturient, negativ | |
eingestellt." Weiter wird beschrieben, ein "beabsichtigtes Studium" sei | |
"abgelehnt" worden, weshalb "Erwin" als Aufsicht in einem Berliner Museum | |
arbeite. | |
Auch habe er dem Staatsrat einen Protestbrief geschrieben - "gegen den | |
Ausschluss einiger Schriftsteller aus dem Schriftstellerverband". "Das war | |
alles Inhalt des Gesprächs", erinnert sich Klingenstein, der von sich sagt, | |
keinerlei Rachegefühle gegen den Frontmann der Linken zu haben. Er mokiert | |
sich lediglich darüber, dass er diesen Protestbrief damals nicht an den | |
Staatsrat, sondern an den Vorsitzenden des Schriftstellerverbandes, Hermann | |
Kant, adressiert habe. Und das Abitur habe er auch schon ein halbes Jahr | |
hinter sich gehabt. | |
Neu ist der IM-Verdacht gegen Gysi nicht. Schon 1994 berichtete der Spiegel | |
ausführlich über Indizien für eine Stasizusammenarbeit. Besonders brisant | |
auch damals: die Dokumente über Havemann, in denen Gysi mitsamt einem "IM" | |
hinter seinem Namen aufgeführt gewesen sein soll. | |
Licht in Gysis Vergangenheit sollte eine 1995 vom Bundestag beschlossene | |
Sonderuntersuchung bringen. Für den Immunitätsausschuss stand nach der | |
Untersuchung fest, dass Gysi für die Stasi arbeitete. Der damalige PDS-Mann | |
klagte gegen den Bericht - und scheiterte am Bundesverfassungsgericht. | |
Zahlreiche Einzelkriege mit den Medien gewann er hingegen. | |
Und was sagt Gysi auf die neuen Verdachtsmomente? Nichts. Lediglich sein | |
Sprecher reagiert und schimpft über die "wiederholten hanebüchenen | |
Verdächtigungen", die auch "im Laufe der Zeit nicht wahrer" würden. | |
Für Joachim Gauck, den ehemaligen Chef der Stasiunterlagenbehörde, ist | |
derlei Zurückhaltung nur ein Zeichen indirekten Schuldeingeständnisses. | |
"Gysi glaubte offenbar nicht mehr an einen rechtlichen Erfolg", sagt Gauck. | |
"Das zeigt der Rückzug seiner Berufung". Und Zeuge Klingenstein geht noch | |
ein Stückchen weiter: "Ein Schweigen entkräftet nicht gerade den | |
naheliegenden Verdacht." | |
21 May 2008 | |
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