# taz.de -- Kommentar Gysi: Das Ende der Glaubwürdigkeit | |
> Gysi hat seine politische Karriere mit der Aussage verknüpft, nie | |
> wissentlich mit der Stasi gekungelt zu haben. Umso bemerkenswerter, dass | |
> er nun seinen Revisionsantrag zurückzieht. | |
Bild: Rinderzucht-Facharbeiter, Anwalt, Politiker: Herr Gysi. | |
Die Aufarbeitung der jüngeren DDR-Geschichte ist eng mit dem Namen Gregor | |
Gysi verbunden. Der heutige Fraktionschef der Linken wurde im Wendejahr | |
1989 zum Vorsitzenden der damaligen SED-PDS gewählt - und damit zu einem | |
der vehementesten Fürsprecher eines notwendigen Demokratisierungsprozesses. | |
Doch der Name Gysi fällt auch, wie der des früheren brandenburgischen | |
Ministerpräsidenten Manfred Stolpe, immer dann, wenn das Ministerium für | |
Staatssicherheit der DDR thematisiert wird. | |
Anders als in den anderen Ländern des realen Sozialismus war es den | |
Bürgerrechtlern der DDR gelungen, die Archivbestände der Staatssicherheit | |
zu sichern und zu öffnen. Und die belasten bis heute sowohl Stolpe als auch | |
Gysi. Hunderte von Stasivermerken legen nahe, dass beide auf ihre Weise der | |
Stasi auf unheimliche Art zugearbeitet haben. Der eine als "IM Sekretär", | |
der andere als "IM Notar". Manfred Stolpe bearbeitete - um im Stasijargon | |
zu bleiben - die evangelische Kirche. Auch die Tätigkeit Gregor Gysis war | |
von Bedeutung, schließlich vertrat er als Anwalt mit Robert Havemann einen | |
der unbequemsten, weil von links argumentierenden DDR-Dissidenten. | |
Gysi und Stolpe werden in den Stasiunterlagen vielfach von | |
Stasimitarbeitern als inoffizielle Mitarbeiter des DDR-Geheimdienstes | |
benannt. Wer diesen Fakt jetzt aber als Tatsache behauptet, muss mit | |
drastischen juristischen Sanktionen rechnen. Stolpe und Gysi haben vor | |
Gericht in Dutzenden von Prozessen durchgesetzt, dass die in den Akten | |
aufgefundenen Hinweise auf ihre IM-Tätigkeit nicht hinreichen, um als | |
Beweis für eine IM-Tätigkeit zu dienen. Sie setzten das zu einer Zeit | |
durch, als im öffentlichen Dienst tausende Mitarbeiter wegen ihrer | |
Stasivergangenheit entlassen oder nicht weiterbeschäftigt wurden. Oft war | |
die Aktenlage weitaus weniger eindeutig. | |
Stolpe und Gysi verknüpften ihre politische Karriere mit der Aussage, zu | |
keiner Zeit und unter keinen Umständen wissentlich mit der Stasi gekungelt | |
zu haben. Schon der kleinste Riss in diesem Argumentationsstrang droht | |
daher die Glaubwürdigkeit der Person im Ganzen zu sprengen. So gesehen, ist | |
Gysis Rücknahme seines Revisionsantrags ziemlich bemerkenswert. | |
21 May 2008 | |
## AUTOREN | |
Wolfgang Gast | |
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