# taz.de -- Überleben in Berlin (7): Die Fledermaus: Die pelzige Radarfalle mi… | |
> Die an Kellern, Gewölben und Bunkern reiche Stadt ist besonders als | |
> Winterquartier beliebt. | |
Bild: Das ist Bert, eine Berliner Stadtfledermaus | |
Die Großstadt verdrängt viele Tier- und Pflanzenarten. Andere gewöhnen sich | |
an den Trubel - und lassen sich hier nieder. Parallel zur | |
Biodiversitätskonferenz der Vereinten Nationen in Bonn stellt die taz | |
einige bemerkenswerte Beispiele vor. | |
"Darf ich vorstellen? Das ist Bert, eine Berliner Stadtfledermaus." Karsten | |
Kallasch greift in eine Holzkiste und hält ein kleines braunes Fellknäuel | |
in seiner Hand. Bert ist eine Breitflügelfledermaus, neben der | |
Zwergfledermaus die häufigste Art hier. Das Tier, das sich streicheln | |
lässt, ist seit einem Verkehrsunfall flugunfähig, es lebt bei seinem Retter | |
im Büro. "Bert ist mein zuverlässigster Mitarbeiter", scherzt der | |
freiberufliche Biologe. | |
Kallasch ist so etwas wie der inoffizielle Fledermausbeauftragte Berlins. | |
Seit er 1994 das "Fledermausbüro" gegründet hat, ist er für die fliegenden | |
Säugetiere unterwegs: Verirrte oder Verletzte retten, Bestände überprüfen, | |
Kolonien überwachen, Aufklärungsarbeit in Schulen leisten. Der Experte war | |
auch an der Ausarbeitung des 1987 in Kraft getretenen Berliner | |
Artenhilfsprogrammes beteiligt. Mit dem rigorosen Schutzprogramm gelang es, | |
die rapide Bestandsabnahme zu stoppen und Berlin zur fledermausreichsten | |
Großstadt Mitteleuropas zu machen: 17 Arten des in Europa stark bedrohten | |
Säugetiers wurden bisher nachgewiesen. Zufrieden ist Kallasch damit aber | |
noch nicht: "Vor 40 Jahren war die Population zehnmal so groß." | |
Die an Kellern, Gewölben und Bunkern reiche Stadt ist besonders als | |
Winterquartier beliebt. Für ihren halbjährigen Winterschlaf nisten sich | |
Fledermäuse an kühlen Orten wie der Spandauer Zitadelle oder dem Wasserwerk | |
Tegel ein. Nach dem Erwachen ziehen die Weibchen in die Wochenstuben, wo | |
bis zur ersten Junihälfte Junge zur Welt kommen, die bis Anfang August | |
ausgewachsen sind. | |
Wie gut sich die Tiere an urbane Gegebenheiten anpassen, zeigt die | |
Zweifarbfledermaus. Sie wird oft an Hochhäusern entdeckt, wo sie in | |
Plattenfugen und hinter Isolierschichten lebt. Kallasch berät auch | |
Baufirmen bei anstehenden Sanierungen: Laut Naturschutzgesetz müssen | |
fledermausbewohnte Gebäude tierschonend saniert werden, die Lebensräume | |
müssen erhalten bleiben. Ein Grund ist die große Ortstreue der Radarsegler. | |
Wo sich einmal eine Kolonie angesiedelt hat, bleibt sie auch - oft über | |
Jahrzehnte. Als der Rathausturm vor zwei Jahren saniert wurde, baute man | |
Fledermausverstecke mit ein. Besonders gut gelang laut Kallasch 2007 die | |
Sanierung einer Wohnanlage in Köpenick: Alle 1.500 Tiere kamen hinterher | |
wieder. | |
Die "falschen Wasserfledermäuse" vom Schlossplatz beobachtet der Biologe | |
seit vier Jahren: Die 30 bis 40 Tiere, die in den Gewölben unter der | |
Schlossfreiheit leben, sind eigentlich Waldfledermäuse, die in Baumhöhlen | |
hausen. "Diese hier verhalten sich aber wie Wasserfledermäuse: Sie leben | |
nah am Wasser und jagen knapp über dem Wasserspiegel Insekten." | |
Kallasch steigt über eine Leiter hinab. Unten ist es warm und sandig. In | |
Mauerlöchern hängen zusammengedrängte Fledermaustrauben. An einigen Beinen | |
schimmern Ringe, die Kallasch vor vier Jahren angebracht hat. Im Licht der | |
Taschenlampe beginnt ein großes Flattern. Gelegentlich streifen die per | |
Ultraschall Navigierenden die menschlichen Hindernisse. "Sie kennen sich | |
hier so gut aus, dass sie nachlässig fliegen, wie auf einer Autobahn", | |
vermutet Kallasch. Eine Fledermausautobahn unter der Großbaustelle - wer | |
hätte das gedacht. | |
Teil 8 am Freitag: Die Kreuzotter | |
28 May 2008 | |
## AUTOREN | |
Nina Apin | |
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