# taz.de -- Stadion-Rückbau danach?: Misstöne am Wörthersee | |
> Mediterrane Leichtigkeit in Klagenfurt - die Kneipen in den schattigen | |
> Arkadenhöfen bezaubern auch Hardcorefußballfans. Dennoch wurde der Stadt | |
> die EM-Austragung beinahe wieder entzogen - wegen eines Streits, den Jörg | |
> Haider provoziert hat | |
Bild: Der Fußballgott gewinnt immer: EM-Krippe | |
Der Wirt der Gaststätte Kärntner Hamatl rechnet nicht mit dem großen | |
Fußballgeschäft. Sein Lokal, in dem deftige bodenständige Kost serviert | |
wird, liegt gerade außerhalb der Fanzone. Zwar profitiert auch er von | |
Schlachtenbummlern und hat zwei Abende schon für polnische Fans reserviert, | |
doch den einst von den Stadtvätern prognostizierten Ansturm von 150.000 | |
Fans hält er für unrealistisch. | |
Klagenfurt ist die kleinste der EM-Austragungsstädte, gleichzeitig die | |
exponierteste. Denn sie liegt im Einzugsbereich aller drei Länder, deren | |
Mannschaften hier spielen werden: Deutschland, Kroatien, Polen. Zagreb | |
liegt mit 230 Straßenkilometern näher als Wien, München ist über die | |
Tauernautobahn in drei Stunden zu erreichen und auch von Krakau (780 km) | |
fährt man nicht länger als eine Nacht. Fans aus Kroatien und Polen werden | |
von der Polizei zudem als gewaltbereit eingeschätzt. Feuerwehrhauptmann | |
Josef Pobenig, der für die nichtpolizeiliche Sicherheit zuständig ist, gibt | |
sich aber gelassen: Er glaubt, dass Sanitäter und Ordnungshüter in erster | |
Linie mit den gleichen Problemen konfrontiert sein werden wie bei | |
Kirchtagen oder größeren Sportveranstaltungen: Alkoholleichen, Hitzschlag, | |
Dehydrierung, Raufereien. Organisierte Hooligans seien eher ein Phänomen | |
des Klubfußballs, meint Pobenig. Notorische Fußballrowdies würden außerdem | |
gar nicht ins Land gelassen. Für die werden schon an den Grenzen die | |
Kontrollposten wieder eingerichtet. | |
Zudem sollen uniformierte Polizisten aus Polen und Kroatien für Ordnung | |
sorgen. Anders als die rund 2.500 deutschen Polizeibeamten haben die | |
allerdings keine Hoheitsrechte und dürfen nur in Begleitung von | |
österreichischen Kollegen patrouillieren. Allein ihre Anwesenheit soll aber | |
den gewaltbereiten Landsleuten signalisieren: Ihr werdet beobachtet. | |
Die Fanmeile in der Klagenfurter Altstadt wird zur Hochsicherheitszone. | |
Handtaschen und Rücksäcke werden untersucht: Getränke und alle Gegenstände, | |
die als Wurfgeschoss dienen könnten, müssen draußen bleiben. Handy und | |
Schlüssel - wiewohl handlich und wurfgeeignet - werden aber toleriert, | |
Regenschirme oder auch Motorradhelme nicht. Getränke werden aus | |
Sicherheitsgründen in der gesamten Innenstadt nur in Plastikbechern | |
ausgeschenkt. Nur in den Lokalen darf man Bier und Wein auch in Gläsern | |
kredenzen. Fast die ganze Altstadt wird zur Fanmeile, der streng | |
kontrollierte Bereich beschränkt sich aber auf den Neuen Platz, wo vor dem | |
Rathaus eine 44 Quadratmeter große Leinwand errichtet wird. Videokameras | |
auf allen Plätzen und breiteren Straßen werden Klagenfurt für vier Wochen | |
zu einer der bestbewachten Städte der Welt machen. So erhält der berühmte | |
Lindwurm aus dem 16. Jahrhundert, Wahrzeichen der Stadt, ein Schutzgitter | |
von drei Metern Höhe. Der Platz selbst wird mit neuen Granitplatten für den | |
Ansturm von bis zu 6000 Fans fit gemacht. Auf dem Messegelände, das unweit | |
vom Bahnhof und damit in Gehweite vom Stadtzentrum liegt, stehen nochmals | |
10.500 Quadratmeter Areal und eine Videowand von 60 Quadratmetern zur | |
Verfügung. Da können sich bis 22.000 Fans tummeln. In der Messehalle steht | |
auch ein Fancamp zur Verfügung, wo man für 25 Euro die Nacht einen Platz im | |
Etagenbett bekommt. | |
Die 3.000 Gästebetten in der Stadt wurden vom Reiseunternehmer Kuoni | |
pauschal gebucht. Doch im Umkreis sind jede Menge Frühstückspensionen zu | |
finden. Und die Stadtväter forderten auch Privatpersonen auf, für die Zeit | |
der EM Zimmer zur Verfügung zu stellen. Organisation und Betreuung der | |
Fanmeile wurde an einen privaten Eventmanager ausgelagert. Der rechnet mit | |
maximal 30.000 Fans an den drei EM-Spieltagen. | |
Klagenfurt ist eine Stadt von mediterraner Leichtigkeit. Mehr als 50 | |
schattige Arkadenhöfe in den Renaissancebauten, von denen viele für | |
Gastronomie und Kulturveranstaltungen genutzt werden, verleihen der Stadt | |
einen unverwechselbaren Charakter, der auch Hardcorefußballfans bezaubern | |
muss. Der Wörthersee mit seinem 20.000 Personen fassenden Seebad liegt vor | |
der Tür. | |
Das Wörthersee-Stadion ist die einzige Fußballarena in Österreich, die | |
eigens für die EM gebaut wurde. Es fasst 38.000 Besucher und gilt als | |
architektonisches Schmuckstück. Beinahe wäre es nicht fertig geworden, denn | |
um Ausschreibung, Bauträger und Kostenübernahme wurde jahrelang zwischen | |
Landeshauptmann Jörg Haider, Bürgermeister Harald Scheucher und Bund | |
gestritten. Haider wollte seinen Favoriten durchdrücken und provozierte | |
einen Disput, der fast damit endete, dass die Uefa Klagenfurt die | |
Austragung wieder entzog. | |
Ob das Stadion auf 15.000 Zuschauer rückgebaut wird, wie es einem | |
Provinzstadion entspricht, ist noch umstritten. Der lokale Fußballklub | |
Austria Klagenfurt vermag es jedenfalls nicht zu füllen. Der Verein konnte | |
sich letztes Jahr nur in der Bundesliga halten, weil er die | |
oberösterreichische Mannschaft Superfund Pasching aufkaufte. Dieses Jahr | |
wurde der Abstieg verhindert, weil Wacker Innsbruck noch schlechter war. | |
Dass Klagenfurt überhaupt den Zuschlag für die EM bekam, ist nur durch die | |
politische Konstellation zum Zeitpunkt der Uefa-Entscheidung zugunsten von | |
Österreich/Schweiz zu erklären. Haiders Parteifreundin Susanne Riess-Passer | |
war 2001 Vizekanzlerin und Sportministerin. Haider, der auch sonst keine | |
Gelegenheit auslässt, sich durch Sportevents in Szene zu setzen, ließ seine | |
Kontakte spielen und holte die Megaveranstaltung nach Klagenfurt. | |
Gleichzeitig wurde sein Wunsch nach einem neuen Stadion erfüllt. | |
Bei der Ausrichtung des Events in Klagenfurt hat Haider nichts mitzureden. | |
"Gottlob", sagen die meisten Veranstalter hinter vorgehaltener Hand. | |
Trotzdem gelingt es ihm, zu provozieren. Während die Veranstalter auf | |
kulturübergreifende und versöhnliche Konzerte setzen, lud der | |
Rechtspopulist Marko Perkovic, einen der bekanntesten Rocksänger Kroatiens, | |
zu einem Match ein. Perkovic, der eigentlich in St. Andrä im Lavanttal vor | |
kroatischen Fans auftreten sollte, war von der Landesregierung aus | |
"sicherheitstechnischen Gründen" wieder ausgeladen worden. Denn seine | |
kriegerisch-nationalistischen Texte könnten die angestrebte Harmonie | |
stören. Haider juckt das wenig. Er will sehen, ob man vielleicht nicht doch | |
"einen geeigneten Rahmen für ein Konzert" findet. | |
28 May 2008 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
## TAGS | |
Reiseland Österreich | |
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