| # taz.de -- Die große Fahrraddemo: Das Memory von der Sternfahrt | |
| > Hunderttausende strampeln bei der Fahrradsternfahrt zum Brandenburger | |
| > Tor. Sie fordern bessere Radwege, genießen die Ruhe und das einmalige | |
| > Gefühl, in der Mehrheit zu sein. Eine Typenübersicht. | |
| Bild: Sie kommen: Rund 250.000 Fahrradfahrer erobern am Sonntag die Straßen vo… | |
| Renate Pollmeier, 68, Rentnerin: "Ich bin schon immer bei der Sternfahrt | |
| dabei. Seit 10 Jahren mit Hund. Denn ich fahre täglich mit dem Rad, wenn es | |
| das Wetter zulässt. Und im Sommerurlaub an der Ostsee. Berlin ist zwar | |
| mittlerweile teilweise ganz gut für Radfahrer, aber in Tegel ist es zum | |
| Beispiel noch sehr schlecht. Und am schlimmsten sind die Taxifahrer, die | |
| missachten uns Radler am meisten." | |
| Robert Kanis, 21, Azubi: "Es ist ein starkes Gefühl, mit so vielen anderen | |
| unterwegs zu sein - und alle Autofahrer sind sauer. Die U-Bahn nehm ich | |
| nur, wenn es sein muss. Zum Beispiel neulich, als ich mir die Hand | |
| gebrochen hatte. Normalerweise bin ich mit dem Mountainbike unterwegs, das | |
| ist es schön schnell. Aber heute geht es ja eher gemütlich zu, deshalb hab | |
| ich mir den passenden Chopper ausgeliehen." | |
| Hans-Jürgen Schmitt, 46, selbständig: "Das ist nur meine Stadtgurke. Die | |
| hat nur zwei GPS-Geräte. Eins zur Navigation, das andere, um im Internet | |
| nach Bahnfahrplänen zu suchen. Seit 38 Jahren bastel ich Räder zusammen. | |
| Mein neues werde ich leider erst im August fertig gebaut haben. Die Teile | |
| dafür kosten rund 6.000 Euro. Das hat dann Blinker, Bremslicht, Digital-TV | |
| und einen Golfkoffer." | |
| Stefan Dettmann, 41, Callcenteragent: "Mein Rad heißt Herbert. Wir kennen | |
| uns schon länger. Deshalb kriegt der stets gute neue Sachen. Dieses Jahr | |
| allein vorn schon drei Schläuche. Bei der Sternfahrt bin ich, weil mir | |
| Bewegung ganz gut tut. Außerdem genieße ich die Chance, die Straße ohne | |
| Autos zu nutzen. Ich radel sonst täglich zur Arbeit, aber nur, wenn es | |
| wärmer als 15 Grad ist und nicht regnet." | |
| Susanne Fischer, 53, Physiotherapeutin: "Die Sternfahrt ist meine erste | |
| Chance, Berlin per Rad kennenzulernen. Ich bin gerade vom Land hergezogen | |
| und habe festgestellt, dass ich hier aufmerksamer fahren muss. Eigentlich | |
| bin ich kein Demotyp. Aber dass ich heute hier bin, das passt ganz gut zu | |
| meinem Neuanfang in der Stadt. Es ist toll, in einer Gruppe eine Aussage | |
| für die Umwelt zu treffen." | |
| Christine Hohmeyer, 39, Lehrerin: "Fast täglich bin ich mit meiner großen | |
| Tochter auf dem Rad unterwegs - ich auf der Straße und sie auf dem | |
| Bürgersteig. Allein würde ich sie auf keinen Fall Rad fahren lassen, | |
| jedenfalls nicht, bevor sie 10 Jahre alt ist. Denn Berlin ist für Radfahrer | |
| immer noch schlecht. Viele Radwege sind unterbrochen. Oder man wird wie am | |
| Innsbrucker Platz mitten in den Verkehr gelenkt." | |
| Werner Hecht, 72, Rentner: "Früher bin ich zur Arbeit geradelt. Heute mache | |
| ich etwa drei Touren pro Monat mit der Gruppe ,Zahnrad'. Das sind fast | |
| alles ältere Herrschaften, die schon mal 70 Kilometer am Tag fahren. Ein | |
| paar von denen hab ich hier schon getroffen. Diese Rad hab ich mir extra | |
| für die weiten Strecken gekauft. Es ist bequemer als mein altes, das ich | |
| jetzt nur noch unter der Woche benutze." | |
| Alex Hänel, 21, Student: "Hier kommt das demonstrative mit dem | |
| hedonistischen Element zusammen. Denn mit Rad macht Demonstrieren einfach | |
| mehr Spaß. Deshalb hab ich mir das Lastenfahrrad von einem Nachbarn | |
| ausgeliehen und mit den Boxen bestückt. Die Straßen gehören nicht nur den | |
| Autos. Es ist gut, dass es mittlerweile Fahrradspuren gibt, aber das muss | |
| noch ausgebaut werden." | |
| Susanne Franzmeyer, 30, Redaktionsassistentin: "Ich war früher schon mit | |
| meinen Eltern bei der Sternfahrt. Heute bin ich mit meinem Bruder gekommen. | |
| Das ist fast schon Familientradition. Für mich ist die Teilnahme ein | |
| politisches Statement. Denn viele Radwege sind holpriger als Straße oder | |
| Bürgersteig. Außerdem kann man zeigen, wie ruhig Radverkehr für die | |
| Anwohner sein kann ohne Autolärm." | |
| Siegfried Lewerenz, 53, Medienberater: "Die Sternfahrt macht Spaß, weil man | |
| Ecken von Berlin kennenlernt, in denen ich noch nie war. Zur Arbeit fahr | |
| ich mit dem Auto oder den Öffentlichen. Denn ich muss Anzug trage. Das | |
| Transpirieren nach der 30-Kilometer-Strecke kann ich mir nicht leisten. | |
| Aber mein Treckingrad ist geil. Genau die richtige Mischung aus Rennhaltung | |
| und bequem." | |
| Lucas Mantei, 36, Elektronikentwickler: "Das Liegerad ist bequemer für | |
| lange Touren. Da ist nach 150 Kilometern der Hintern nicht wund. Heute fahr | |
| ich aber meist nur noch die fünf Kilometer zur Kita. Den Kinderanhänger | |
| merkt man ganz schön, wegen des Gewichts und des Luftwiderstands. Die | |
| Sternfahrt ist für mich ein schöner Ausflug. Und man kann endlich mal | |
| zeigen, wer alles so Rad fährt." | |
| 1 Jun 2008 | |
| ## AUTOREN | |
| Gereon Asmuth | |
| Gereon Asmuth | |
| ## TAGS | |
| Fahrrad | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Fahrrad-Boom in Corona-Pandemie: Schrei nach mehr | |
| In Coronazeiten steigen mehr Leute aufs Rad. Pop-up-Radwege schaffen | |
| wunderbar Platz – aber sie suggerieren eine Sicherheit, die es nicht gibt. | |
| Verkehr: Berlin ist mit dem Radl da | |
| Nicht nur bei der Sternfahrt treten Radfahrer massenweise in die Pedale. | |
| Auch im Alltag werden sie immer mehr. Mehrere Rad-Routen werden in diesem | |
| Jahr fertig, kündigt die Verwaltung an. Selbst Umweltschützer sagen: Im | |
| Radverkehr tut sich was. |