# taz.de -- Spanische Neufassung von Don Quijote: "In tiefer Nacht schweigen di… | |
> Eine radikale Reduktion des "Don Quijote" ist Albert Serras Film "Honor | |
> de Cavalleria" aus dem Jahr 2006. Er wurde ohne jeglichen staatlichen | |
> Zuschuss realisiert - und erscheint jetzt auf DVD. | |
Bild: Don Quichote und sein Partner Sancho Pansa werden von Laiendarstellern ge… | |
Ein hagerer alter Mann mit weißen Locken und ein dicker jüngerer mit | |
Koteletten in freier Natur. Das sind Don Quijote (Lluís Carbó) und Sancho | |
Pansa (Lluís Serrat). Der Wind rauscht in den Bäumen und Büschen. Don | |
Quijote spricht zu Sancho, der ihm die Rüstung reinigt oder repariert. Er | |
sagt immer "Sancho". "Sancho, tu dies", "Sancho, tu das", "Verstehst du | |
mich, Sancho". Es ist weniger eine Form der Kommunikation, gar des Befehls, | |
als ein bloßes, ein reines Sprechen, ein Wahren der Nähe in einem Zustand | |
des Vor- oder Nachgesellschaftlichen. Nichts hört man neben den Grillen, | |
die zirpen, und dem Wind, der rauscht, so oft in Albert Serras "Honor de | |
Cavalleria" wie das mal sanfte, mal herrische "Sancho" des Don Quijote. | |
Beide sprechen im Übrigen Katalanisch. Sancho sagt wenig. Einzig in tiefer | |
Nacht schweigen die Grillen. | |
Der Spanier Albert Serra hat diesen Film mit Laien inszeniert. Er hat es | |
geschafft, einen Mäzen zu finden und hat "Honor de Cavalleria" ohne jeden | |
staatlichen Zuschuss finanziert. Er hat Darsteller gefunden, die sehr viel | |
eher einfach nur sind, als dass sie irgendwen spielen. Und Serra lässt sie | |
einander und uns ein Rätsel sein und ein Rätsel bleiben. Er verzichtet auf | |
künstliches Licht, auf eine zusammenhängende Handlung, auf | |
Figurenpsychologie. | |
Was an diesem Film anrührt - und es ist ein sehr anrührender Film -, liegt | |
darum jenseits oder auch diesseits des Handwerks, als das man das Kino | |
gerne begreift. Dieser Film, der auf den ersten Blick nicht viel hermacht, | |
rührt einen an durch einen Blick auf seine Darsteller, auf die Landschaft, | |
auf die Darsteller in der Landschaft, einen ganz besonderen Blick, der sich | |
von den Zwängen des Erzählens und des Wissens und des Erklärens befreit | |
hat, als wäre es ein Leichtes, sich von all dem zu befreien. | |
So will es Tag werden und Abend und Tag und auch Nacht. Der Film sucht | |
keine Kontinuität zwischen den Tageszeiten. Er macht auch kein Licht, wenn | |
es dunkel ist. Mal ist im Mondschein viel zu erkennen, mal ist es beinahe | |
vollständig finster. Minutenlang schweigen die beiden Helden, bevor Don | |
Quijote wieder "Sancho" sagt. Sie gehen, sie stehen, sie liegen, sie | |
schwimmen (Sancho zögert), sie reiten, sie blicken in die Landschaft. Die | |
Kamera sieht ihnen dabei zu. Mal aus der Ferne, mal ist etwas im Weg, mal | |
sieht man Don Quijotes Gesicht in der Großaufnahme. Mal sind die Figuren | |
nur unscharf im Bild, mal ist die Kamera sehr unruhig, mal beobachtet sie | |
in aller Ruhe und sieht der Geschichte beim Nichtpassieren zu. Einmal wird | |
Don Quijote im Dunkeln von Reitern entführt, Sancho bleibt allein zurück. | |
Ein Fremder befragt ihn, ob er nicht ein schönes Leben in seiner Heimat dem | |
Vagabundieren mit dem Ritter von der traurigen Gestalt vorzöge. Im Prinzip | |
ja. Aber Sancho wartet doch, ein treuer Knecht seines Herrn. | |
"Honor de Cavalleria" ist keine Literaturverfilmung im engeren Sinn. Kaum | |
ein Ereignis aus dem dickleibigen Roman des Cervantes findet Eingang in den | |
Film. Keine Windmühlen, keine Kämpfe, keine Dulcinea, nicht einmal von | |
Ritterbüchern ist die Rede. Wo der Roman die Geschichte eines Mannes war, | |
der über der Lektüre von Trivialliteratur wahnsinnig wird, weil er | |
fiktionale Welten für bare Münze nimmt, da führt der Film das, woraus eine | |
Geschichte besteht, ganz im Gegenteil in den Rohzustand zurück. | |
Was man vorgeführt bekommt, ist nicht ganz Fiktion, nicht ganz Darstellung, | |
nicht ganz eine Handlung. Eher eine radikale Cervantes-Reduktion. Oder auch | |
so, als wären die beiden Protagonisten in einem Stück von Beckett gelandet | |
und stünden nun, etwas ratlos, darin herum. Gehen erst mal schwimmen. Und | |
Albert Serra fängt das mit der Geduld und der Liebe eines Vogelbeobachters | |
zu seinem Gegenstand ein. Am Ende gibt es aus heiterem Himmel Musik. Don | |
Quijote spricht vom Tod und wird sterben. Das ist, ich weiß nicht warum, | |
herzzerreißend. | |
EKKEHARD KNÖRER | |
5 Jun 2008 | |
## AUTOREN | |
Ekkehard Knörer | |
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Spielfilm | |
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