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# taz.de -- TOM-Portrait: Tomtag ist immer – außer Sonntag
> Rollerfahrer und Geflügelspezialist, Gummientenweitwerfer und
> Lieblings-tazler: Der Comic-Zeichner TOM beobachtet die Welt in
> Dreierbildern.
Bild: Der Maestro an seinem Schreibtisch
Jedes Jahr an einem Samstag im Juli verbreitet ein erwachsener Mann auf
einem Tretroller Angst und Schrecken im Berliner Lassen-Park. Ich weiß es,
denn ich war dabei – als Passagier auf dem Roller, mich vorsichtig an der
Lenkstange festhaltend, während TOM hinter mir hektisch tretend das
Fahrzeug auf ein solches Tempo brachte, dass ein flanierendes Rentnerpaar
sich panisch ins Gebüsch warf und ein kleiner Junge auf seinem Fahrrad mit
offenem Mund gegen einen Baum fuhr. Am Ende der Amokfahrt fragte Tom
ungerührt: „Na, noch eine Runde?“ Die Rollerhöllenfahrten sind der
Höhepunkt des traditionellen TOM'schen Sommerpicknicks.
Regnet es, wird das Picknick in die Wohnung verlegt, wo man dank des langen
Flures auch Roller fahren kann, dabei aber geschickt den Plastikpfeilen der
Armbrust ausweichen muss, die der Hausherr auf eine Zielscheibe am Ende des
Flures abfeuert. TOM wohnt in Berlin-Schöneberg, und dafür gibt es eine
einzige Erklärung: In der Nachbarschaft befindet sich Deko-Behrend, der
„schönste Laden Westeuropas“, wie TOM versichert. Doch dabei belässt er es
nicht.
Wer TOM besucht, muss zuvor den Laden besichtigen, um später, bei einem
Glas Wein, mit ihm fachsimpeln zu können: „Hast du die falschen Ameisen
gesehen? Ein ganzer Beutel für 1,99. Was man damit alles machen kann!“ Da
er Stammkunde ist, bekommt er bei seinen Einkäufen kleine Präsente, wie zum
Beispiel Gummienten. Die funktioniert er flugs in Wurfgeschosse um und
organisiert am taz-Stand auf der Frankfurter Buchmesse ein
Gummientenwerfen, bei dem es darum geht, die Tiere in einen fünf Meter
entfernten Eimer zu befördern.
Nicht nur aus diesem Grund gilt TOM als Geflügelspezialist. „Der saubere
Herr Körner liebt es, in seiner Freizeit nackte tote Hühner zu kaufen, sie
mit Walnüssen, gewürfeltem Speck und Weintrauben zu füllen, sie
anschließend mit fanatischem Gesichtsausdruck und großem Vergnügen zu
vernähen, sie in die Backröhre zu schieben, dort garen zu lassen und
anschließend im Verein mit zwielichtigen Subjekten zu verzehren, und dies
habituell und ohne Reue“, schrieb Wiglaf Droste einmal. TOM sagt zu seiner
Verteidigung: „Erst wenn der letzte Baum versiegt und der letzte Fluss
gestorben ist, werdet ihr verstehen, dass man Hühner essen muss.“
Seine Neigung zu gutem Essen hängt wohl mit seinem Geburtsort zusammen: TOM
kam 1960 in Säckingen im Badischen zur Welt – und dort ist die vermutlich
beste Küche Deutschlands beheimatet. 1981 zog er nach Berlin, studierte ein
bisschen Politologie, schmiss das Studium bald wieder und verdingte sich
als Packer. Als er 30 wurde, entschied er sich für den Beruf als
Witzbildchenzeichner, wie er seinen Job nennt.
1991 fing er an, täglich außer sonntags für die Wahrheit-Seite der taz sein
Touché zu zeichnen – mit winzigen Unterbrechungen, wenn die taz ihm einen
kurzen Urlaub spendiert. Es gibt keinen Zeichner in Deutschland, der
dermaßen täglich liefert. Er malt seine Streifen mit blauem Stift vor und
zieht mit schwarzer Tinte nach. Dadurch werden die Entwurfstriche
unsichtbar, wenn der Touché gescannt und gemailt wird.
Bei den Lesern, das ist von einem Meinungsforschungsinstitut verbürgt, ist
TOM längst der beliebteste tazler, seine Figuren, wie die alte Dame am
Postschalter, die Rettungsschwimmer, der Empfangschef in der Hölle und die
vielen anderen, sind legendär. Gehässig ist er nie. „TOM spricht mit
unerschütterlicher Milde über die Welt“, schrieb Stefan Jacobs im
Tagesspiegel. „Er verbreitet die Ruhe eines Menschen, der vollkommen mit
sich im Reinen ist und keine Energie zur Selbstdarstellung aufwendet.“
Wenn man mit ihm in den Wirtshäusern von Berlin und anderswo sitzt, Alkohol
vernichtet und sich gegenseitig Geschichten erzählt, bis der Morgen graut,
zückt TOM bisweilen unauffällig eine kleine Kladde, macht eine flüchtige
Skizze oder notiert ein paar Worte. Ein paar Tage später findet man sich
oder irgendwelche Mittrinker im Touché. TOM beobachtet die Welt in
Dreierbildern. Und das ist gut so.
11 Jun 2008
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Bei Tom
Die Wahrheit
Ausland
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