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# taz.de -- Neue Alben von "MGMT" und "No Age": Avantgarde im Kinderzimmer
> Krach und antisozialer Gestus waren schon immer da - die jungen Bands No
> Age und MGMT machen daraus was Neues. Und einstiger Endzeit-Sound wird
> chartstauglich.
Bild: Anti-authentisch und betont asozial: MGMT
Wer die Geschichte kennt, ist verdammt, sie zu wiederholen. Auf die
Popmusik angewendet, bedeutet das etwas rundum Positives: Wiederholungen
führen zu neuen anderen Ergebnissen. Das lässt sich gut beobachten an den
beiden amerikanischen Rockduos MGMT (New York) und No Age (Los Angeles),
die mit ihren Debütalben munter am flammenden Inferno des Hype mitzüngeln,
gerade weil sie pfadabhängige Musikmodelle verfolgen.
MGMT und No Age haben ihre historischen Vorgänger in den Duos Suicide (New
York) und Chrome (San Francisco). Wo diese beiden eheähnlichen Proto-Bands
aus dem Nichts der Siebzigerjahre mit narkotisierendem Krach noch
musikalisches und performatives Neuland erkundeten, füllen MGMT und No Age,
beide mit Artschool-Hintergrund, nun ein Gefäß aus, das der amerikanische
Künstler Manny Farber einmal negative space genannt hat. Ein Kraftfeld, das
aus den Erwartungen der Hörer entsteht und der Gemengelage, die zwischen
Musikern, Produzenten und der Wahl der Produktionsmittel herrscht.
"Nouns" von No Age geht schon optisch über die reine Verpackung der Musik
hinaus: Das Albumbooklet besteht aus einem aufwendig gestalteten Fotobuch
mit privaten Schnappschüssen, Bildern von Kunsthappenings und Konzertfotos.
No Age feiern damit nicht nur sich selbst, sondern auch eine junge,
unabhängige Do-it-yourself-Szene, die sich um den L.A. Club "the Smell"
geschart hat. In diesem Umfeld sind außer Bands auch Galerien und jede
Menge Ameisenökonomie entstanden. "Wir funktionieren darin als
Dachverband", erklärt Gitarrist Randy Randall, der No Age zusammen mit dem
Drummer und Sänger Dean Spunt gegründet hat. "Unsere Musik soll den Hörern
klarmachen, dass Kunst wieder mehr zum Bestandteil des Alltags werden
muss."
Ihr Album "Nouns" unterfüttert dieses Programm mit hypnotisierendem Krach.
Verzerrer und andere Effektgeräte verschleppen die Melodien immer wieder in
den roten Bereich, wo man das Geschehen bestenfalls erahnen kann. Die
Obertöne des Krachs nehmen derweil durch die teilweise geloopten
Drumpatterns andere Gestalt an und betäuben die Sinne. Die Energie von No
Age ist noch ziemlich jugendlich, gleichwohl sind sie froh, vorerst der
Teenhölle entkommen zu sein.
"Teencreeps, Ive seen you on my Street", brüllt Dean Spunt, und es klingt,
als würde er in eine Plastiktüte singen. Gitarre und Drums sind die
allerelementarsten Rockinstrumente und No Age, haben dieses Elementare
wieder von Showbiz-Posen befreit. Die Energie, die No Age mit Musik und
Attitude entfesseln, ist ansteckend positiv.
Genau entgegengesetzt, anti-authentisch und betont asozial agieren dagegen
MGMT aus New York. "Im feeling rough, Im feeling raw, Im in the prime of my
life, lets make some music, make money, find some models for wives", heißt
es gleich im Auftakt-Song "Time To Pretend" ihres Albums "Oracular
Spectacular". Wie jeder anständige Amerikaner geht der Vortragende dann
auch nach Paris, allerdings um Heroin zu scoren und sich wieder von den
Models scheiden zu lassen. Am Ende wartet Gevatter Tod "Well choke on our
vomit, and that will be the end, we were fated to pretend."
So zu tun als ob, hatten Andrew Vanwygarden und Ben Goldwasser angeblich
gar nicht vor. Auf dem College begannen sie zunächst mit Performance-Kunst,
untermalten ihre Vorführungen mit Gitarre, Computer und Plattenspieler.
Freunde veröffentlichten davon eine EP mit mehreren Songs, und schon ergab
sich ein Plattenvertrag bei Columbia. Inzwischen machen MGMT (vokallose
Abkürzung von Management) grell überschminkten elektroiden Rocklärm, ohne
Angst vor Kitsch. Dave Fridmann, Produzent der Flaming Lips, hat MGMT auf
chartstauglich getrimmt. Und die Aura der Band - zwei verwuschelte Jungs in
Neopren-Surfbadehosen und Kopftüchern, die auf dem Cover abwechselnd einem
Sonnenuntergang im seichten Meerwasser frönen und dann wieder Geld
verbrennen - tut ein Übriges: Was am Endzeit-Sound von Suicide einst
Avantgarde war, ist inzwischen im Kinderzimmer angekommen.
11 Jun 2008
## AUTOREN
Julian Weber
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