# taz.de -- Sportdenkmal: Mit vollen Segeln für den Sport | |
> Auf der Olympia-Regatta-Strecke in Grünau huldigte einst ein | |
> wilhelminischer Koloss dem Sport. Ein Verein will nun ein neues Denkmal | |
Bild: Die Grünauer Regattastrecke während der Nazi-Spiele von 1936 | |
Man muss schon ziemlich viel Fantasie haben, um zu erahnen, was hier | |
einstmals stand. Es war groß, mächtig und monumental und hatte seinen | |
Standort genau am 1.000-Meter-Punkt der Regattastrecke in Berlin-Grünau. | |
Das 15 Meter hohe deutsche Sportdenkmal mit seiner ungewöhnlichen Gestalt | |
bot einen imposanten Anblick, vom Wasser wie vom Land. Das Bauwerk war um | |
ein Ziegelgewölbe herum aus Natursteinen gemauert. Das obere Drittel | |
bildete eine Krone aus Sandsteinquadern. Auf der Widmungstafel stand: | |
"Wilhelm dem Großen", und, in Großbuchstaben: "Der deutsche Sport". | |
1898 wurde das dem Völkerschlachtdenkmal in Leipzig nachempfundene und vom | |
Architekten Bodo Gebhard gestaltete Sportdenkmal eingeweiht - anlässlich | |
des zehnten Todestages von Wilhelm I. Dem Gönner des deutschen Sports | |
sollte mit diesem Koloss ein Denkmal gesetzt werden, genauso wie der bis | |
dahin sich zaghaft entwickelnden deutschen Sportbewegung. | |
Wer heute an die Regattabahn tritt, sieht von alldem nichts mehr. Die | |
besten Zeiten des früheren Wassersportzentrums sind vorbei. An der | |
Promenade, wo einst die großen, erst kaiserlichen, später bürgerlichen und | |
akademischen Ruderklubs ihre Häuser hatten, herrscht graue Tristesse. | |
"Die Häuser verfallen oder sind an ausländische Investoren verkauft", | |
erklärt Werner Philipp, der in Grünau ein kleines Wassersportmuseum | |
betreibt. Ein Bootshaus in seiner Nachbarschaft wurde in die Türkei | |
veräußert, ein anderes Klubhaus an einen großen schwedischen | |
Energiekonzern. Passiert ist trotzdem nichts. Auch die ehemaligen | |
Ausflugslokale, deren mächtige Terrassen bis ans Wasser reichen, sind | |
verfallen. | |
Bis zur Wende genossen hier viele Berliner die Sommerfrische. Inzwischen | |
dürfen auf der Ruderstrecke, wo 1936 die Olympischen Ruder- und | |
Kanuwettbewerbe stattfanden, nur noch nationale Wettbewerbe ausgerudert | |
werden. Schade, findet der fast 75-Jährige Philipp, der über die Geschichte | |
des Geländes so gut Bescheid weiß. Er ist Mitglied des "Fördervereins | |
Sportdenkmal Berlin-Grünau e. V". | |
14 Leute versammeln sich seit sechs Jahren in dieser | |
Interessengemeinschaft. Ihr Ziel ist es, "an gleicher Stelle des | |
abgebrochenen Sportdenkmals ein neues zu errichten". In der DDR war für ein | |
solches Denkmal kein Platz. Das weithin sichtbare Monument war für die SED | |
ein Sinnbild einer vergangenen, großdeutschen-reaktionären Zeit und wurde | |
auf Geheiß der Partei im Jahr 1973 vollständig abgerissen. Den konkreten | |
Anlass bildeten die 10. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in | |
Ostberlin. Zahlreiche Steine des Denkmals, vor allem die, auf denen sich | |
Sportvereine aus ganz Deutschland als Stifter verewigt hatten, wurden als | |
Uferbefestigungen in Kanäle oder Seen versenkt. | |
Einige der insgesamt 300 Stiftersteine sind jedoch zuvor von Bürgern | |
gerettet worden. "Mit Handkarren und in Kofferräumen der Trabis haben sie | |
nachts die Steine weggeschafft und in ihren Gärten versteckt", erklärt | |
Werner Philipp. Zwölf dieser geretteten Felsblöcke sind in seinem | |
Wassersportmuseum, das im ehemaligen Kassenhäuschen der Olympiastrecke | |
untergebracht ist, ausgestellt. In Stein gemeißelt sind darauf | |
altehrwürdige Vereinsnamen aus Ostpreußen, Pommern, Hessen oder dem | |
Saarland zu erkennen. | |
Werner Philipp weiß, dass der Sport der Wilhelminischen Zeit Geschichte ist | |
und ein Denkmal heute anders funktionieren muss: "Der Sport ist modern | |
geworden. Er ist vielfältiger und bunter." Es gibt einige Kritiker, auch | |
beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), die sich weder mit der | |
geografischen Lage noch der politischen Funktion eines neuen | |
gesamtdeutschen Sportdenkmals am alten Standort in Grünau anfreunden | |
wollen. "Das Denkmal ist eindeutig historisch belastet und die Lage sicher | |
nicht optimal", sagt Christian Sachs vom Berliner DOSB-Büro. | |
Dennoch wächst der Unterstützerkreis, in der Politik wie im Sport. Der | |
Denkmal-Verein hat einen Gestaltungsvorschlag von einer | |
Kommunikationsdesign-Studentin vorgelegt. "Gemeinsam eins" heißt die | |
Leitidee des neuen Denkmals. Es soll der Geschichte ebenso verbunden sein | |
wie dem modernen Sport in all seinen Facetten. Der rund 13 Meter hohe | |
Holzbau ist säulenartig konzipiert. Der breite Zugangsweg wird von sechs | |
Objekten flankiert, die "Vereine, Sportarten und Charaktereigenschaften des | |
Sportlers verbinden und symbolisieren sollen", wie es im Entwurf heißt. Bis | |
zum nächsten Jahr wollen die Streiter für das Sportdenkmal ihr Bauprojekt | |
realisiert haben. Dazu fehlen dem Verein allerdings 400.000 Euro. | |
Wenig Fürsprecher hat auch das Denkmal von Friedrich Ludwig Jahn im | |
Neuköllner Volkspark Hasenheide. Das bundesweit einzige Ganzkörper-Denkmal | |
des "Turnvaters" sieht verwahrlost aus. Gelder für den Erhalt des | |
Monuments, das 1872 oberhalb des ersten offiziellen Turnplatzes des | |
Kaiserreichs eingeweiht wurde, gibt es nicht. Auf dem Gelände wird nun eine | |
indische Gemeinde einen Hindu-Tempel bauen. | |
29 Jun 2008 | |
## AUTOREN | |
Torsten Haselbauer | |
## TAGS | |
Museum | |
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