# taz.de -- Venus Williams gewinnt Wimbledon: Die zweite Schwestern-Ära | |
> In einem bemerkenswerten Finale siegt Venus Willams über ihre Schwester | |
> Serena. Finden die beiden zu alter Stärke und Dominanz zurück? | |
Bild: Venus Willams: Erst schlägt sie ihre Schwester, dann gibt's Küsschen. | |
WIMBLEDON taz Sie sind daran gewöhnt, auf allen Bühnen Stars zu sein: Venus | |
Ebony Starr Williams und die 15 Monate jüngere Schwester Serena Jameka. | |
Aber selbst für die beiden, die schon fast alles gewonnen hatten, was es im | |
Tennis zu gewinnen gibt, war der 5. Juli 2008 kein ganz normaler Tag. Ein | |
paar Stunden nachdem Venus mit einem imponierenden Auftritt gegen Serena | |
den fünften Wimbledon-Titel im Einzel gewonnen hatte (7:5, 6:3), kehrten | |
sie auf den Centre Court zurück und schnappten sich mit dem 100. | |
gemeinsamen Sieg den dritten Doppel-Titel in Wimbledon. | |
Und nun taucht nach drei Jahren, in denen andere Schlagzeilen schrieben - | |
Justine Henin, Maria Scharapowa oder zuletzt Ana Ivanovic -, die Frage auf, | |
ob das womöglich der Anfang einer zweiten großen Ära der ungewöhnlichen | |
Schwestern ist. Als sie 2003 an gleicher Stelle um die berühmte Schale | |
spielten, war es das sechste gemeinsame Grand-Slam-Finale in zweieinhalb | |
Jahren. Damals gab es keine Spielerin, die ihrem Tempo, der Härte und auch | |
der mentalen Stärke gewachsen war. Aber danach brach die Dominanz aus einer | |
Vielzahl von Gründen ab. Der Mord an der älteren Schwester Yetunde im | |
September 2003, Verletzungen und eine Vielzahl anderer Interessen - Serena | |
bezeichnete sich einmal als "crossover personality" - machten die | |
Williamsens unberechenbar. | |
Die Ausschließlichkeit, mit der sich Justine Henin in diesen Job stürzte, | |
wird es bei den berühmtesten Schwestern des Sports nie geben; darauf hat | |
schon Vater Richard geachtet, der immer fand, das sei für die persönliche | |
Entwicklung nicht förderlich. Aber wenn nicht alles täuscht, dann haben die | |
beiden zumindest in diesem Jahr noch einiges vor, zuerst bei den | |
Olympischen Spielen und danach bei den US Open in New York. Man kann | |
wirklich nur staunen über diese Familie. Richard war vor dem Finale zurück | |
nach Florida geflogen; er meinte, seine Arbeit sei getan. Venus und Serena | |
hatten wie immer morgens miteinander gefrühstückt, hatten die Zeit bis zum | |
Spiel miteinander verbracht. Und Oracence Price, die Mutter des Clans, saß | |
noch kurz vor Spielbeginn mit den älteren Töchtern Isha und Lyndrea | |
plaudernd im Restaurant. | |
Das Finale war noch keine halbe Stunde alt, als die Bedenken, es könne eine | |
Form von Familienregie geben, im Feuer der Ballwechsel zerstoben. Die | |
Qualität war bemerkenswert, auch die Konsequenz, mit der beide die Punkte | |
erzwangen. Zu Beginn beider Sätze dominierte Serena, bei der fast jeder | |
Schuss ein Treffer war. Doch Venus spielte bei schwierigen Bedingungen in | |
stürmischem Wind konstanter und mit mehr Biss. Und selbst der Wind konnte | |
ihre Kracher nicht verhindern. Zu Beginn des zweiten Satzes schlug sie mit | |
207,5 km/h auf - härter serviert gewöhnlich auch Roger Federer nicht. | |
Ihr Sieg war die logische Konsequenz eines starken Auftritts. Als der | |
letzte Ball der liebsten Schwester und härtesten Gegnerin neben der Linie | |
landete, schoss es Venus Williams durch den Kopf: Mein Gott, es sind fünf: | |
fünf Trophäen beim wichtigsten Turnier der Welt. Nummer vier vor einem Jahr | |
sei unglaublich gewesen, schwärmte sie später, aber fünf seien monumental. | |
Mehr haben in der Zeit des Profitennis nur zwei Spielerinnen gesammelt: | |
Martina Navratilova (9) und Steffi Graf (7). Und auch andere Zahlen trugen | |
zu ihrer Stimmung an diesem Tag bei: Es war der zweite Sieg im siebten | |
Grand-Slam-Finale gegen die Schwester nach dem bis dahin einzigen Erfolg | |
bei den US Open 2001. Und ihr siebter Titel bei einem der vier großen | |
Turniere. Bei jeder anderen Gegnerin hätte Venus Williams nach dem | |
Matchball euphorischer reagiert, aber was ihr der Titel bedeutete, das sah | |
man auch so. Serena, die als kleine Schwester daran gewöhnt ist, alles zu | |
bekommen, was sie sich in den Kopf setzt, machte nicht den Eindruck, als | |
falle ihr die Niederlage leichter, nur weil es die Schwester war, die die | |
glänzende Schale in den Händen hielt. Am Ende des Tages sei Venus auch nur | |
eine Gegnerin, meinte sie. Aber da war der Tag ja noch nicht zu Ende. Ein | |
paar Stunden später fielen sich die mächtigen Schwestern nach dem Sieg im | |
Doppel in holder Eintracht wieder in die Arme. Und noch später, mitten in | |
der Nacht, tanzten sie in einer kleinen Bar in Wimbledon Village zusammen | |
auf dem Tisch. | |
7 Jul 2008 | |
## AUTOREN | |
Doris Henkel | |
## TAGS | |
Tennis | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Frauen-Finale der Australian Open: Die wahre Nummer Eins | |
Im Finale der Williams-Schwestern holt sich Serena ihren 23. | |
Grand-Slam-Titel. Außerdem verdrängt sie Angelique Kerber von Platz eins | |
der Tennis-Weltrangliste. |