# taz.de -- Homosexuelle und Kirche: Habemus Homo | |
> Horst Gorski hat gute Aussichten, als erster bekennender Homosexueller | |
> zum Bischof gewählt zu werden. Doch innerhalb der | |
> evangelisch-lutheranischen Kirche regt sich Widerstand. | |
Bild: Ein historischer Tag: Maria Jepsen (li), die erste lutherische Bischöfin… | |
BERLIN taz Eigentlich ist die Sache glasklar: Gott hat seine Probleme mit | |
Homosexuellen, zumindest der Bibel nach. Im 3. Buch Mose (Kapitel 18, Vers | |
22) steht, nach der letzten Übersetzung Luthers aus dem Jahr 1545: "Dv solt | |
nicht bey Knaben ligen / wie beim Weibe / Denn es ist ein grewel." Auch im | |
Neuen Testament wird die Homosexualität abgelehnt. Paulus etwa meint, dass | |
Homosexuelle nicht nur eine Sünde begehen, sondern sogar jede Chance auf | |
das Himmelreich verlieren: "Lasset euch nicht verfüren / Weder die Hurer … | |
noch die Weichlingen / noch die Knabenschender / noch die Diebe / noch die | |
Geitzigen / noch die Trunckenbold / noch die Lesterer / noch die Reuber / | |
werden das reich Gottes ererben" (1. Korinther 6, 9-10). Was also wird | |
passieren, wenn an diesem Samstag im Norden der Republik gegen 13.30 Uhr im | |
Dom zu Schleswig der erste schwule lutherische Bischof der Welt gewählt | |
werden sollte? Zuckt ein Blitz vom Himmel und erschlägt Horst Gorski? | |
Das ist nicht unbedingt zu erwarten, denn vielleicht haben die Schreiber | |
der Bibel Gottes Willen ja nicht ganz eins zu eins festgehalten. Sicher | |
aber ist, dass der 51-jährige Gorski, derzeit Propst und Pastor in | |
Hamburg-Altona, im Blitzlichtgewitter der nationalen, ja wohl auch der | |
Weltpresse stehen dürfte, wenn er gewählt wird. Denn seine Kandidatur für | |
das Bischofsamt in Schleswig spaltet nicht nur die nordelbische Kirche, die | |
von Hamburg bis an die dänische Grenze reicht. Gorskis Wahl könnte ein | |
Spaltpilz für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), ja für den | |
ganzen Lutherischen Weltbund sein. Ihm gehören in 140 Mitgliedskirchen | |
derzeit mehr als 68 Millionen Christen in 78 Ländern an. Die anglikanische | |
Kirche schliddert derzeit in eine Spaltung - wegen der Frage, ob | |
Homosexuelle Bischöfe werden dürfen. | |
Im Vergleich dazu ist die EKD, der immer noch etwa 26 Millionen Menschen, | |
etwa 30 Prozent der Deutschen, angehören, in Sachen Homosexualität ihrer | |
Geistlichen gelassen. Nachdem es noch in den Neunzigerjahren über diese | |
Frage vehementen Streit in den 23 Landeskirchen gab, raubt ein schwuler | |
Pastor in Deutschland kaum einem protestantischen Christenmenschen nach dem | |
Abendgebet noch den Schlaf. Generell gilt: Wer sich als schwuler Pastor | |
oder lesbische Pastorin vom jeweiligen Gemeindevorstand bestätigen lässt, | |
dass die homosexuelle Lebensweise für die Gemeinde kein Problem sei, kann | |
in der Pfarrei als Geistlicher anfangen. Nur sehr konservative | |
Landeskirchen wie etwa die sächsische erwarten in solchen Fällen eine | |
sexuell enthaltsame Lebensweise der Pastorinnen oder Pastoren - das ist das | |
Zölibat auf evangelisch. | |
Dabei ist die Sache kein Randphänomen mehr, über das man den Mantel des | |
Schweigens breiten könnte. Schätzungen zufolge - genauere Informationen | |
gibt es nicht -, sind rund 10 Prozent der Geistlichen in der EKD | |
homosexuell, das wären etwa 1.500 Männer und Frauen. (In der katholischen | |
Kirche gehen seriöse Experten eher von etwa 25 Prozent aus - aber diese | |
Männer dürfen ihre Sexualität offiziell sowieso nicht leben.) Insofern war | |
es nur eine Frage der Zeit, bis sich in Deutschland auch der erste Schwule | |
um ein Bischofsamt bewirbt. Eine lesbische Fast-Bischöfin, die sogar | |
verpartnert ist, gibt es bereits in der EKD, es ist Cordelia Kopsch, die | |
Vizepräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. | |
Dennoch: Eine homosexuelle Partnerschaft im Pfarrhaus, ein schwuler Bischof | |
gar, das bleibt für die EKD eine heikle Sache. In einer "Handreichung" aus | |
dem Jahr 1996, die für die Gliedkirchen aber nicht bindend ist, möchte die | |
EKD homosexuelle Geistliche nur "in Einzelfällen" akzeptieren. Ferner | |
müssten diese ihre Lebensweise "ethisch verantwortlich" gestalten, sie | |
nicht zum Gegenstand der Verkündigung machen und akzeptieren, dass die | |
Bibel im Grunde Homosexualität ablehnt. | |
Kein Wunder, dass konservative Gruppen in der EKD kräftig gegen Gorskis | |
Kandidatur schießen. Die Nominierung Gorskis zeige "erneut erschreckend", | |
so verkündete es etwa der pensionierte Pastor Dieter Müller aus Kiel, "wie | |
weit sich die nordelbischen Entscheidungsträger von der Heiligen Schrift | |
fortbewegt haben". Eine Wahl Gorskis wäre eine "ethische Katastrophe", | |
sagte das Vorstandsmitglied der konservativen "Kirchlichen Sammlung um | |
Bibel und Bekenntnis". Dieser Verband ist klein - publizistisch aber | |
lautstark, zuletzt in seinem Protest gegen die "Bibel in gerechter | |
Sprache", die ebenfalls in Nordelbien protegiert wurde. Zudem spricht die | |
"Sammlung" für nicht wenige sehr konservative Protestanten, wie etwa in | |
einem Leserbrief zur Gorski-Affäre bei der evangelikalen Nachrichtenagentur | |
idea zu lesen war. Darin ist zu lesen: "Homosexualität ist ganz einfach | |
eine satanische Energie und Besessenheit". Auch die theologischen Aussagen | |
des schwulen Bischofskandidaten zeigten, "dass Herr Gorski für den | |
Widersacher arbeitet". | |
Die nordelbische Kirchenleitung distanziert sich von solchen Hardlinern, | |
tut die "Sammlung" als "traurige Randerscheinung" ab. Der andere Kandidat | |
für das Bischofsamt, Propst Gerhard Ulrich (57) aus Angeln, betont sein | |
bestes Einverständnis mit Gorski. Der Synodenpräsident Hans-Peter Strenge | |
hebt hervor, dass die Homosexualität eines Kandidaten keine Auswirkungen | |
auf die Wahl habe. Überhaupt werde diese Frage "außerhalb der Kirche | |
aufgeregter diskutiert als innerhalb". Möglich aber ist, dass sich gerade | |
wegen der Angriffe auf Gorski die Reihen hinter ihm schließen. Erinnert sei | |
daran, dass die nordelbischen Protestanten schon einmal Kirchengeschichte | |
geschrieben haben, und zwar mit Maria Jepsen, die im Dom zu Schleswig auch | |
anwesend sein wird. Sie wurde 1992 zur ersten lutherischen Bischöfin der | |
Welt gewählt. | |
Schon damals ging eine Welle der Empörung durch den Lutherischen Weltbund - | |
mittlerweile hat man sich an weibliche Oberhirten gewöhnt. Wird es bei | |
Gorski ebenfalls so sein? Bischof Thomas O. Laiser von der | |
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania erklärte im Juni zum Auftakt | |
der LWB-Ratssitzung im ostafrikanischen Arusha: Für ihn sei Homosexualität | |
"nicht diskutierbar und von daher nicht akzeptierbar". Immerhin räumte er | |
ein, dass es Homosexualität in Afrika gebe. Und der LWB kündigte schon | |
vorab an, sich in die Kontroverse um Gorski nicht einzuschalten. Gut | |
möglich aber, dass die Diskussion ab heute erst richtig losgeht. Weltweit. | |
12 Jul 2008 | |
## AUTOREN | |
Philipp Gessler | |
## TAGS | |
Jesus | |
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