# taz.de -- Kampf gegen muslimische Zwangsheiraten: "Das Wichtigste ist die Lie… | |
> Für den umstrittenen Islamwissenschaftler Tariq Ramadan verbietet der | |
> Islam Zwangsehen. Mit einem neuen Projekt wollen deutsche Muslime solche | |
> Hochzeiten verhindern. | |
Bild: Auch in Deutschland soll ein Projekt gegen muslimische Zwangsehen gestart… | |
BERLIN taz Irgendwann hält es Necla Kelek nicht mehr auf ihrem Stuhl. Die | |
Islamkritikerin springt auf und ruft in den Saal: "Und was ist mit Aysa, | |
der Frau des Propheten?" Aysa soll erst sechs Jahre alt gewesen sein, als | |
sie Mohammed heiratete. Auf dem Podium hat gerade ein junger Imam eine | |
andere Passage aus dem Koran zitiert. Sie soll belegen, dass der Islam | |
Zwangsehen nicht erlaubt. Kelek sieht das anders. Doch sie sitzt nicht auf | |
dem Podium. | |
Dort haben Männer und Frauen Platz genommen, die für die streitbare | |
Islamkritikerin eher Teil des Problems als Teil der Lösung sein dürften: | |
kopftuchtragende Muslima, ein Imam und Tariq Ramadan, einer der | |
schillernsten und umstrittensten muslimischen Intellektuellen in Europa. | |
Den einen gilt er als Hoffnungsträger für einen modernen Euroislam, den | |
anderen als verkappter Islamist. Er will - wie alle Podiumsteilnehmer - der | |
Zwangsheirat den Kampf ansagen. | |
Der kleine Saal im Berliner Kreuzberg-Museum ist längst überfüllt. | |
Islamkenner und -kritikerinnen sitzen im Saal, Konvertitinnen mit Kopftuch | |
und Muslima ohne, der Berliner Integrationsbeauftragte, Frauenaktivistinnen | |
und ein "bekennender homosexueller Migrant", wie er sich selbst später | |
beschreibt. Es ist stickig. | |
Ramadan, elegant gekleidet im dunklen Anzug mit hellem Hemd, spricht mit | |
sanfter Stimme und rhetorisch versiert. Zwangsehen, sagt er, hätten ihren | |
Ursprung nicht in der Religion, sondern in der Kultur - und seien nicht auf | |
Muslime beschränkt. "Es passiert überall und es ist überall inakzeptabel" , | |
sagt der Islamwissenschaftler, dessen Großvater einst die ägyptischen | |
Muslimbrüder gründete. Und: "Es verstößt gegen unsere gemeinsamen Werte." | |
Dieses Gemeinsame betont er immer wieder - und bekommt Applaus dafür. | |
Ramadan, der derzeit Gastprofessor in Rotterdam ist, unterstützt ein | |
lokales Projekt, aus dem eine europäische Kampagne werden soll. "Hand in | |
Hand gegen Zwangsheirat" heißt die Initiative, zu der sich vor vier Jahren | |
- unterstützt von der Stadt - Rotterdamer Muslime zusammentaten. Gemeinsam | |
mit Hodschas und Imamen versuchen sie, durch Aufklärung in ihrer Community | |
im Vorfeld Zwangsheiraten zu verhindern. | |
"Unsere Imame sagen den Leuten: Der Islam verbietet Zwangsheirat", sagt | |
Marianne Vorthoren, die Projektleiterin. "Wir müssen gegen die Unkenntnis | |
vorgehen." Die Imame sagten aber auch: "Die Eltern können bei der Anbahnung | |
einer Ehe durchaus eine Rolle spielen." Die Kinder aber müssten "in sich | |
die Freiheit fühlen", nein sagen zu können. Respekt gegenüber den Eltern | |
dürfe nicht mit blindem Gehorsam verwechselt werden, so Vorthoren. Die | |
Nachfrage nach ihren Seminaren sei groß. Im vergangenen Jahr hat die | |
Initiative allein in Rotterdam über 50 Zwangsheiraten registriert. | |
In Berlin will ein Zusammenschluss von drei islamischen Organisationen den | |
Niederländern nun nacheifern, darunter die Muslimische Jugend und der | |
Verein Inssan. Ihnen wird nachgesagt, zum Netzwerk der Muslimbruderschaft | |
zu gehören. "Auch wir wollen Seminare und Treffen organisieren", sagt | |
Tasnim El-Naggar vom "Aktionsbündnis Zwangsheirat". Zu einigen | |
Moscheegemeinden hätte man bereits Kontakt aufgenommen. | |
Im Publikum regt sich Widerspruch. Necla Kelek, während der Podiumsbeiträge | |
von der Moderatorin ausgebremst, darf jetzt Mohammeds Lieblingsfrau Aysa | |
einbringen. Eine Sozialarbeiterin mit viel Erfahrung in Mädchenprojekten | |
den Einfluss der Imame bei der Freiheitsbeschneidung der Mädchen | |
kritisieren. Und der "bekennende Homosexuelle" beklagt, schwule Männer | |
seien in den islamischen Gemeinden unerwünscht. Viel zu sagen haben dazu | |
weder der Berliner Imam noch die Vertreterin des Aktionsbündnisses. Doch | |
Ramadan fängt die Kritik rhetorisch geschickt ein. "Das wichtigste ist doch | |
die Liebe", sagt er am Schluss. Wer wollte da schon widersprechen. | |
17 Jul 2008 | |
## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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