| # taz.de -- Erstes Urteil im Siemens-Korruptionsprozess: Milde Strafe für Kron… | |
| > In 49 Fällen von Untreue soll Ex-ICN-Manager Reinhard Siekaczek rund 50 | |
| > Millionen Euro aus dem Konzern geschleust haben. Die Strafe: Zwei Jahre | |
| > auf Bewährung und 108.000 Euro Geldstrafe. | |
| Bild: Siemens-Zentrale: "ein System der organisierten Unverantwortlichkeit" | |
| MÜNCHEN taz - Das Urteil war gerade einmal 15 Minuten alt, da stellte sich | |
| Oberstaatsanwalt Anton Winkler vor die Kameras und verströmte schon wieder | |
| Tatendrang. Es werde weiter kräftig ermittelt, sagte er. Es liefen weiter | |
| Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen ehemalige Siemens-Vorstände. Und: "Die | |
| nächsten Klagen werden noch in den kommenden Monaten rausgehen". | |
| Auch wenn am Montag das Münchner Landgericht sein Urteil im sogenannten | |
| "Siemens-Prozess" fällte, die Aufarbeitung von Korruption und schwarzen | |
| Kassen bei Siemens steht gerade erst am Anfang. | |
| Der ehemalige Siemens-Mitarbeiter Reinhard S. wurde der Untreue in 49 | |
| Fällen für schuldig befunden. Fast 49 Millionen Euro hatte er von | |
| Siemens-Konten auf schwarze Kassen umgeleitet. Aus diesen Kassen soll | |
| Schmiergeld geflossen sein, mit dem sich der deutsche Technologiekonzern in | |
| aller Welt Großaufträge sicherte. S. wurde zu einer Haftstrafe von zwei | |
| Jahren auf Bewährung und einer Geldstrafe von 540 Tagessätzen zu je 200 | |
| Euro verurteilt. Angesichts der Höhe der veruntreuten Geldsumme ist das ein | |
| überaus mildes Urteil. S. wurde vor allem für seine zuvorkommende | |
| Zusammenarbeit mit den Ermittlern belohnt. Er hatte nicht nur umfassend | |
| gestanden, sondern der Staatsanwaltschaft auch 39 prall gefüllte | |
| Aktenordner übergeben, die überhaupt erst einen Einblick in das von S. | |
| organisierte Schwarzgeld-System im Hause Siemens ermöglichte. | |
| "Das Urteil ist von großer Bedeutung, weil es zeigt, dass es lohnt, sich zu | |
| offenbaren", meint Peter von Blomberg, der stellvertretende Vorsitzende der | |
| Anti-Korruptions-Organisation Transparency International Deutschland. "Die | |
| Unternehmen müssen so ein Urteil ernst nehmen und fürchten, weil es die | |
| Aufdeckung von Korruption erleichtert." | |
| Der vorsitzende Richter Peter Noll hatte auch mit seiner Verfahrensführung | |
| viel zur Aufdeckung der korrupten Praktiken bei Siemens beigetragen. Obwohl | |
| der Angeklagte S. gleich zu Beginn alles gestand, nahm sich das Gericht 15 | |
| Verhandlungstage Zeit, lud führende Siemensianer als Zeugen vor und | |
| zitierte ausführlich aus dem internen Schriftverkehr. | |
| So wurde deutlich, wie sehr die schwarzen Kassen auch von der obersten | |
| Führungsebene des Konzerns mitgetragen wurden. "Reinhard S. war eingebettet | |
| in ein System der augenzwinkernden Zustimmung", sagte Noll in seiner | |
| Urteilsbegründung. "Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Einlassung | |
| des Angeklagten, der Zentralvorstand habe über alles bescheid gewusst, | |
| zutrifft." | |
| Der Richter beurteilte auch die Anti-Korruptionsmaßnahmen innerhalb der | |
| Firma als unzureichend. Die vor vier Jahren gegründete Compliance-Abteilung | |
| sei in ihren Möglichkeiten in etwa so beschränkt gewesen, "wie eine | |
| Feuerwehr, die mit einem Zahnputzbecher ausgestattet ist", so sagte Richter | |
| Peter Noll. | |
| Die Rolle, die der ehemalige Siemens-Zentralvorstand im Korruptions-System | |
| gespielt hat, dürfte die Gerichte auch weiter beschäftigen. Schon am | |
| heutigen Dienstag wird der Siemens-Aufsichtsrat voraussichtlich eine | |
| Schadensersatz-Klage gegen den alten Vorstand beschließen. Und Peter von | |
| Blomberg von Transparency International ist sich sicher: "Auch der damalige | |
| Vorstandsvorsitzende Heinrich von Pierer ist noch nicht aus dem Schneider." | |
| Reinhard S. zeigte sich am Montag nach dem Urteil froh über das Ende der | |
| Verhandlung und meinte: "Ich hätte mir nur von manchen etwas mehr | |
| Solidarität gewünscht." | |
| 28 Jul 2008 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Hübner | |
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