# taz.de -- Politische Gewalt in Simbabwe: Peitschen, Knüppel und Pestizide | |
> In Simbabwe dauert die politische Gewalt durch Regierungsmilizen gegen | |
> Anhänger der Opposition an - angeleitet von hohen Generälen. Manche Opfer | |
> wehren sich jetzt | |
Bild: Wer gegen ihn ist, wird vernichtet: Robert Mugabe. | |
HARARE taz Oppositionelle in Simbabwe rufen die Welt dazu auf, die Vorgänge | |
innerhalb des Landes als Völkermord zu werten. "Was in Simbabwe passiert, | |
ist ein Völkermord, aber UNO und EU sehen das anders", erklärt Kerry Kay, | |
Wohlfahrtsbeauftragte der Oppositionspartei MDC (Bewegung für | |
Demokratischen Wandel). "Wir rufen die internationale Gemeinschaft auf, es | |
als Völkermord anzuerkennen. Dann ist sie zum Eingreifen verpflichtet." | |
Gemeint ist die politische Gewalt gegen Oppositionsanhänger seit den Wahlen | |
vom 29. März, die die MDC gewann - nur um in einer von ihr boykottierten | |
Stichwahl am 27. Juni den Wahlsieg wieder zu verlieren. "Zwischen dem 1. | |
April und dem 16. Juli wurden 4.390 Menschen medizinisch behandelt wegen | |
Folgen von politischer Gewalt, allesamt Aktivisten und Organisatoren der | |
MDC"; sagt Kay. Die MDC spricht von mittlerweile 122 bestätigten | |
Todesfällen. "Wir glauben aber, dass mindestens 350 Menschen von Gangs der | |
regierenden Zanu/PF ermordet worden sind," so Kay. "In Harares Kühlhäusern | |
liegen über 60 unidentifizierte Leichen mit Verletzungen, und wir glauben, | |
dass es unsere sind." | |
Viele Gewaltopfer starben an ihren Verletzungen, weil Teile des Landes von | |
Armee und Polizei abgeriegelt wurden, so die Provinzen Mashonaland East und | |
Gokwe. Straßensperren hinderten MDC-Fahrzeuge daran, Gewaltopfer abzuholen, | |
um sie zu Ärzten zu bringen. | |
Der Großteil der Gewalt wird mit Knüppeln ausgeführt. Neuerdings werden | |
auch mit Nägeln gespickte Lederpeitschen angewandt, die verheerende Wunden | |
anrichten. Meist werden die Menschen auf Hinterteil und Fußsohlen | |
geschlagen. Die Wunden entzünden sich leicht, wenn sie unbehandelt bleiben. | |
Auch eine primitive Form chemischer Waffen kommt zum Einsatz. Knüppel und | |
Stöcke werden in Pestiziden getränkt, zum Beispiel das auf Tabakplantagen | |
gebräuchliche Rogor, was die Wunden sofort infiziert. Manche Menschen sind | |
gezwungen worden, Rogor zu schlucken, oder wurden damit eingesprüht,. | |
"Neu seit der Stichwahl sind außerdem Massenvergewaltigungen", sagt Kay. | |
"Junge Frauen werden 18 bis 20 Mal vergewaltigt und bleiben traumatisiert | |
zurück". Die Milizen zwingen Dorfbewohner, nachts auf Versammlungen in ihre | |
Basen zu kommen, und dort finden laut MDC Vergewaltigungen statt. | |
Junge Männer werden gezwungen, andere zu verprügeln und zu töten, und | |
bleiben ebenfalls traumatisiert zurück, von Familie und Freunden gemieden. | |
20 von ihnen wurden im Ort Kotwe als geistig gestört von der Schule | |
verwiesen. "Manche Leute mussten ihre Angehörigen umbringen", sagt Kay. | |
"Ein Mann und seine Schwester töteten ihren Bruder mit einem Beil, weil er | |
MDC-Mitglied war." | |
MDC-Parteimitglieder werden Folterritualen unterzogen. Zwei Männer wurden | |
zwei Tage lang verprügelt und dann gefesselt an einer Bahntrasse | |
ausgesetzt. Einem anderen legte man brennende Kartons auf Brust und | |
Genitalien; er kann seitdem nicht mehr urinieren. Frauen bekamen Flaschen | |
in die Vagina geschoben. Im Krankenhaus der Provinzstadt Gokwe liegen | |
Menschen mit schweren Brandwunden und komplexen Brüchen, denen die Polizei | |
den Transfer in eine Spezialklinik in der Hauptstadt verweigert. Ein von | |
der MDC entsandter Krankenwagen wurde von der Polizei gestoppt und | |
beschlagnahmt. "Wir können Patienten nur nachts bewegen, heimlich", so Kay. | |
Die Gewalt hat 200.000 Menschen in die Flucht getrieben, meist aus den | |
Provinzen Mashonaland East, Manicaland und Midlands, wo die Situation am | |
schlimmsten war - rund die Hälfte der Vertriebenen floh, weil ihre Häuser | |
in Flammen aufgingen. Die Botschaft ist immer die gleiche: Die MDC wollte | |
Mugabe entmachten, also wird sie vernichtet. Anders als früher aber findet | |
die Gewalt völlig offen statt. Früher versuchten Milizionäre, ihre | |
Identität zu verbergen, aber jetzt kennt jeder die Täter. | |
Simbabwe wird seit den Wahlen faktisch von einer Militärjunta regiert, die | |
in jedem Landesteil Armeegeneräle angewiesen hat, die Gewalt zu | |
organisieren. Die Befehle werden angeblich von Mugabes engem Verbündeten | |
und möglichem Nachfolger Emmanuel Mnangagwa erteilt. Die Generäle müssen | |
den Befehlen folgen, denn wegen früherer Verbrechen könnten sie | |
strafrechtlich belangt werden. | |
In den letzten Wochen hat die Gewalt etwas nachgelassen, und seit der | |
Einigung von Regierung und Opposition auf Verhandlungen sind mehrere Täter | |
festgenommen worden - die Einigung beinhaltet einen ausdrücklichen | |
Gewaltverzicht. Weiterhin aber kommen Gewaltopfer in Kliniken an, und am | |
Mittwoch wurden erneut zwei Todesfälle bestätigt. Viele der Milizenbasen | |
aus der Zeit des Wahlkampfs sind weiter in Betrieb, manche Milizen sind | |
ziehen jetzt einfach nachts durch die Dörfer. Wenn sie die gewählten | |
MDC-Kommunalpolitiker oder Parlamentarier ins Exil zwingen, bekommt die | |
Regierungspartei die Mehrheiten zurück, die sie bei den Wahlen verloren | |
hatte. | |
Kay gibt zu, dass es auch Racheakte durch MDC-Aktivisten gegeben hat. Bei | |
Buhera wurden drei Zanu-treue Jugendliche von einer wütenden Menschenmenge | |
getötet. "Ihr solltet keine Rache üben oder Menschen verprügeln", sagt Kay | |
dazu. "Aber ihr solltet eure Familie, euer Haus und euer Vieh schützen. | |
Wenn ihr euch als Gruppe verteidigen müsst, solltet ihr das tun." | |
2 Aug 2008 | |
## AUTOREN | |
Godfrey Karoro | |
## TAGS | |
Simbabwe | |
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