# taz.de -- Eigenheimförderung: Mitte ist nichts für Baugruppen | |
> Fünf Grundstücke wollte der Senat Baugruppen zum Festpreis anbieten, | |
> darunter auch eines in Mitte. Doch das soll nun anderweitig vergeben | |
> werden. Ein Ersatzgrundstück ist da, ist aber viel zu teuer. | |
Bild: Eigenheim im Bezirk Mitte? Nicht für kleine Leute! | |
Berlin-Mitte ist schwer in Mode, insbesondere was die rarer werdenden | |
Bauflächen angeht. Die von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer | |
(SPD) unterstützten Baugruppen haben nun das Nachsehen. Ein landeseigenes | |
Grundstück, das ursprünglich für die Baugruppen reserviert werden sollte, | |
wird anderweitig verkauft. Heißer Kandidat ist nach Informationen der taz | |
die Modedesignerin Jette Joop. Eine Ersatzfläche, die den Baugemeinschaften | |
nun angeboten wird, ist so teuer, dass sie für die meisten Interessenten | |
nicht infrage kommt. | |
Mitte Dezember 2007 hatte der Senat beschlossen, als Pilotprojekt fünf | |
landeseigene Grundstücke bevorzugt an Baugemeinschaften zu vergeben. Anders | |
als bei klassischen Projekten sollen hier keine Investoren zum Zuge kommen, | |
sondern die späteren Selbstnutzer. Je nach Zusammensetzung der Gruppe | |
können sich auch finanziell schwächer Gestellte an solch einem Projekt | |
beteiligen. Wegen der starken Identifizierung mit ihrem Haus gelten | |
Baugruppen auch als sozialer Stabilisierungsfaktor im jeweiligen Kiez. | |
"Es sollen die inhaltlichen Qualitäten eines Projekts den Ausschlag dafür | |
geben, wer ein Grundstück erwirbt", hatte die Senatorin damals gesagt. Doch | |
das hehre Ziel ließ sich nicht lange durchhalten. Als Mitte Juni die Liste | |
der fünf Grundstücke offiziell vorgestellt wurde, fehlte ausgerechnet das | |
bei Baugruppen begehrteste Areal: die Ackerstraße 29 in Mitte, Teil eines | |
ehemaligen Schulgeländes. | |
"Wir hatten das Grundstück vorgeschlagen", sagt Junge-Reyers Sprecherin | |
Manuela Damianakis. Doch die Verhandlungen mit der Finanzverwaltung und dem | |
Liegenschaftsfonds, der die landeseigenen Grundstücke vermarktet, seien | |
kompliziert gewesen. Es habe Zank um den Grundstückszuschnitt gegeben, ein | |
Trafohäuschen habe die Bebauung verkompliziert. Zudem hatte der Bezirk | |
Mitte darauf gedrängt, das Areal an den Eigentümer der Brunnenstraße 183 zu | |
verkaufen, um den Konflikt mit dem dortigen Hausprojekt zu entschärfen (taz | |
berichtete). Wegen all dieser Verzögerungen habe die Senatsverwaltung | |
schließlich auf die Ackerstraße 29 verzichtet, sagt Damianakis: "Wir | |
wollten Positivbeispiele". | |
Die Finanzverwaltung hingegen setzt eher auf Einnahmen. "Es gab einen | |
hochrangigen Interessenten für eine andere Planung", sagt Clemens | |
Teschendorf, stellvertretender Sprecher von Finanzsenator Thilo Sarrazin | |
(SPD). Diese Entwicklung sei zu begrüßen. Das Grundstück sei aber noch | |
nicht verkauft. | |
Die Modedesignerin Jette Joop will ihr Interesse an dem Grundstück nicht | |
bestätigen. "Zur Ackerstraße kann ich derzeit nichts sagen", sagte Joop der | |
taz. Sicher aber sei, dass sie ihren Lebens- und Arbeitsmittelpunkt von | |
Hamburg nach Berlin verlege. Mit einer Gruppe befreundeter Architekten gebe | |
es Überlegungen, wie sie alle zusammen Wohnen und Arbeiten an einem Ort | |
verbinden könnten. Joop hat bereits Freunde in der Stadt. Zu ihrem 40. | |
Geburtstag im Februar hatte ihre laut Presseberichten ein prominentes Trio | |
ein Ständchen gesungen: Vicky Leandros, Nena und der Regierende | |
Bürgermeister Klaus Wowereit. | |
Normale Baugruppen, die sich in Mitte niederlassen wollen, können ein paar | |
Straßen weiter bauen, wenn sie genug Geld mitbringen. Seit Ende Juli bietet | |
der Liegenschaftsfonds das unbebaute Grundstück Borsigstraße 16 an, zu | |
einem Quadratmeterpreis von über 1.000 Euro. Der Preis sei "erstaunlich | |
hoch", sagt Horst Pfander von der Netzwerkagentur Generationenwohnen, die | |
vom Senat mit der Beratung der Baugruppen beauftragt wurde. "Für viele | |
unserer Mitglieder ist das nicht finanzierbar", schimpft Nermin | |
Safi-Schöppe von der Genossenschaft Autofrei Wohnen Berlin, die seit Jahren | |
ein Grundstück sucht und gern an der Ackerstraße gebaut hätte. Die soziale | |
Mischung innerhalb des Hauses lasse sich so nicht verwirklichen. | |
Die anderen vier für Baugemeinschaften reservierten Grundstücke werden für | |
125 bis 340 Euro pro Quadratmeter angeboten. Sie liegen jedoch fast alle | |
außerhalb des S-Bahn-Rings und werden daher deutlich weniger nachgefragt, | |
sagte Pfander. | |
9 Aug 2008 | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
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