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# taz.de -- Nachruf Mahmud Darwisch: Metapher Palästina
> Der einflussreiche palästinensische Lyriker Mahmud Darwisch
> revolutionierte die arabische Dichtung. Im Alter von 67 Jahren ist er
> gestorben.
Bild: In seiner Biografie spiegelt sich die Geschichte der Palästinenser: Mahm…
Er lebte sehr zurückgezogen in den letzten Jahren. Der flüchtige Besucher
des Khalil-Sakakini-Kulturzentrums in Ramallah, in dessen Räumen er ein
Büro unterhielt, konnte noch ab und an einen Blick auf ihn erhaschen, wenn
er sich in der restaurierten Stadtvilla in sein Schreibzimmer zurückzog.
Ansonsten aber war es recht still geworden um Mahmud Darwisch.
Die Epoche, der Mahmud Darwisch angehörte, war schon lange vor seinem Tod
zu Ende gegangen. Es war die Zeit des palästinensischen Kampfs um einen
unabhängigen Staat, die untrennbar mit dem palästinensischen Dichter
verbunden ist. Sein Ziel hat dieser Kampf zwar bei weitem nicht erreicht.
Doch die heroische Phase dieser Auseinandersetzung ist unwiderbringlich
vorbei, untergegangen auch im Kleinkrieg zwischen Hamas und Fatah. Was
bleibt sind die Worte, mit denen Mahmud Darwisch den Gefühlen und
Sehnsüchten vieler Palästinenser über mehrere Jahrzehnte hinweg einen
poetischen Ausdruck verliehen hat.
Mögen ihm manche Kritiker auch einen gewissen Manierismus und das Pathos
seiner frühen Jahre vorwerfen: Mahmud Darwisch hat zweifellos die arabische
Dichtung revolutioniert, indem er sie aktuellen Themen und
Alltagsbetrachtungen öffnete und dafür eine neue Sprache fand, reich an
Metaphern und biblischen Motiven. Damit stieg er zum wichtigsten
palästinensischen Künstler und zum größten arabischen Dichter seiner Ära
auf. Dass Mahmud Darwisch Zeit seines Lebens trotzdem vor allem als
politische Figur wahrgenommen wurde, so dass selbst seine Liebesgedichte
einer politischen Interpretation unterzogen wurden, liegt an seinem
Lebensweg, der lange Zeit von politischem Engagement geprägt war.
In Mahmud Darwischs Biografie spiegelt sich die Geschichte der
Palästinenser, die seit der israelischen Staatsgründung über verschiedene
Länder und Kontinente verstreut wurden. Geboren 1941 in einem Dorf bei
Akko, im heutigen Nordisrael, flüchtete er mit seiner Familie 1948 in den
Libanon, kehrte von dort aus aber bald heimlich wieder in den neuen Staat
Israel zurück. Als Jugendlicher schloss er sich zunächst der
Kommunistischen Partei Israels an, bevor er über Moskau nach Kairo und
Beirut ins Exil ging. Nach dem israelischen Einmarsch in den Libanon
verschlug es ihn nach Zypern, Tunis und Paris, bis er nach dem
Oslo-Abkommen wieder in den Nahen Osten zurückkehrte und zwischen Ramallah
und der jordanischen Hauptstadt Amman pendelte.
Von 1987 bis 1993 gehörte Mahmud Darwisch sogar dem Zentralrat der PLO an,
und er schrieb mit an der Proklamation, mit der 1988 ein palästinensischer
Staat ausgerufen wurde. Aus Protest gegen den Friedensvertrag von Oslo trat
er 1993 aber aus dem Gremium aus. Wie andere palästinensische
Intellektuelle - so etwa der verstorbene Edward Said - sah er voraus, dass
dieser den Friedensprozess in eine Sackgasse führen würde. Dass er
Palästina in seinen Poemen mit einer offenen Wunde oder einem zerbrochenen
Spiegel verglich, einer Landschaft aus Blut und Steinen, hatte ihn zu einer
Art Nationaldichter gemacht. Dabei konnte er auch hinreißende Hymnen auf so
profane Dinge wie eine Tasse Kaffee schreiben.
Der Auszug der PLO aus Beirut markierte einen deutlichen Einschnitt in
seinem Werk. Zuvor hatten seine Gedichte häufiger den Charakter eines
Appells und eine agitatorische Stoßrichtung, und waren deshalb als Zeichen
palästinensischer Selbstbehauptung gelesen worden. In den letzten
Jahrzehnten wurde der Ton seiner Gedichte dagegen privater, intimer,
allerdings auch resignierter.
Seine Bücher sind in über dreißig Sprachen übersetzt worden. Doch in
Deutschland ist Mahmud Darwisch, anders als in Frankreich, mehr oder
weniger ein Geheimtipp geblieben. Übersetzungen seiner Gedichte erschienen
in kleinen Auflagen bei Liebhaberverlagen. Das mag mit gewissen Vorbehalten
gegenüber seiner Herkunft zu tun haben, es liegt aber auch an dem Genre,
der Lyrik, deren Stellenwert hierzulande eher gering geschätzt wird.
Die lebenslange Emigrationsgeschichte hat Spuren in seinem Werk
hinterlassen und dessen Welthaltigkeit geprägt. Dass er am Samstag in einem
Krankenhaus in Houston, Texas nach einer Herzoperation verstarb, stellt nur
den Abschluss seiner lebenslangen Wanderschaft dar.
11 Aug 2008
## TAGS
Schwerpunkt Syrien
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