# taz.de -- Grauenvolle Kolonialgeschichte: Neukölln verschleppt Gedenken an H… | |
> Der Afrika-Stein auf dem Garnisonsfriedhof erinnert nur an deutsche | |
> Kolonialsoldaten in Namibia. Seit Jahren soll eine Tafel für die | |
> afrikanischen Opfer aufgestellt werden. Aber der Bezirk mauert. | |
Bild: Und nun raten Sie mal, wer schon pünktlich zum 100. Jahrestag des Aufsta… | |
Auf dem Garnisionsfriedhof in Neukölln liegt ein unscheinbarer rötlicher | |
Granitfindling, der an die deutsche Besatzungszeit im heutigen Namibia | |
erinnert. Gedacht wird hier allerdings nicht der mindestens 80.000 | |
afrikanischen Opfer der Besatzung, sondern fünf deutschen Soldaten, die in | |
der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika Anfang des 20. Jahrhunderts | |
"den Heldentot starben". In den Stein sind die Kaiserkrone und die | |
Kopfbedeckung der deutschen Kolonialtruppe eingeritzt - jener | |
"Schutztruppe", die am Montag vor 104 Jahren die aufständischen Herero und | |
Nama am Waterberg militärisch schlug und damit den ersten Völkermord des | |
20. Jahrhunderts einleitete. Das Desinteresse im Bezirk an dem Stein halten | |
manche nicht unbedingt für Zufall. "Es ist ein Skandal, wie das Bezirksamt | |
Neukölln seit Jahren die Aufstellung einer Gedenktafel für die Opfer des | |
deutschen Kolonialismus verschleppt", sagt etwa Armin Massing vom Berliner | |
entwicklungspolitischen Ratschlag e.V.. Das sei auch "eine erneute | |
Demütigung für ihre Nachfahren, die noch heute an den Folgen des | |
Völkermords in Namibia leiden". | |
Bereits 2004 hatte die Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung | |
beschlossen, den Stein um eine Gedenktafel zu ergänzen, die auf die | |
deutschen Verbrechen hinweist. Zwei Jahre lang wurde dann über die richtige | |
Formulierung der Gedenkinschrift beraten. Die Tafel ist inzwischen | |
beschriftet - und verstaubt seit zwei Jahren in der Neuköllner | |
Friedhofsverwaltung. Von einem "Skandal" und einer "Riesenschlamperei" | |
sprechen daher auch die BVV-Abgeordneten Marcus Albrecht (SPD) und Sylvia | |
Stelz (LINKE). "Es scheint in der Neuköllner Bezirkspolitik Kräfte zu | |
geben, die ein würdiges Gedenken an die Opfer des deutschen Kolonialismus | |
nicht möchten", sagt Albrecht, der den ursprünglichen BVV-Beschluss zu der | |
Gedenktafel beantragt hatte. | |
Eine bewußte Verschleppung kann der Leiter des Neuköllner Grünflächenamt | |
Bernd Kanert dagegen nicht erkennen. "Von bezirklicher Seite ist alles | |
vorbereitet. Wir warten seither darauf, dass ein Vertreter vom Berliner | |
Senat, dem Auswärtigen Amt oder dem Entwicklungshilfeministerium sich | |
bereit erklärt, an einer feierlichen Enthüllung der Tafel teilzunehmen". | |
Die zuständige Sachbearbeiterin stehe zurzeit in Terminverhandlungen mit | |
dem Auswärtigen Amt. Ein Vertreter der namibischen Botschaft in Berlin | |
wollte die Diskussion um die Gedenktafel am Montag gegenüber der taz nicht | |
kommentieren. | |
Albrecht findet, dass sich der Bezirk insgesamt sehr schwer tue, die eigene | |
Kolonialgeschichte aufzuarbeiten. Dies zeige auch das Beispiel der | |
Wissmannstraße. Die Neuköllner Straße, an der die Werkstatt der Kulturen | |
liegt, trägt den Namen des Soldaten und Entdeckungsreisenden Hermann von | |
Wissmann (1853-1905), der einen Aufstand der tansanischen Bevölkerung in | |
der damaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika in einem beispiellosen | |
Terrorfeldzug niederschlug. Seit Jahren bemüht sich die Werkstatt der | |
Kulturen um eine Umbenennung. | |
Im Fall der Gedenktafel will Albrecht nicht länger warten. Er überlegt, die | |
Umsetzung des BVV-Beschlusses einzuklagen. | |
11 Aug 2008 | |
## AUTOREN | |
Till Below | |
## TAGS | |
Deutscher Kolonialismus | |
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