# taz.de -- Buchtipp: Chinesische Reise | |
> Der Müllmann ist schuld. Hätte der nicht den Deutschen, der mit seiner | |
> chinesischen Frau in Peking lebt, immer wieder gefragt, was er hier | |
> überhaupt macht, wäre Christian Y. Schmidt womöglich nie auf die Idee | |
> gekommen | |
Bild: Der Autor in Tibet - auf der Nationalstraße 318 | |
Aber so unberechtigt ist die Frage gar nicht, meint Schmidt, und so begibt | |
er sich auf eine lange Reise. Drei Monate soll sie dauern, und weil er den | |
Kontakt zu vielen Chinesen suchen und auch die Sprache erlernen will, reist | |
er allein - in Überlandbussen und anderen, mitunter seltsamen und | |
ungewöhnlichen Verkehrsmitteln. | |
Seine Tour führt ihn auf der Nationalstraße 318 quer durchs ganze Land. Es | |
ist die längste Ost-West-Straßenverbindung Chinas, mit 5.586 Kilometern gut | |
tausend Kilometer länger als die legendäre Route 66. Die Reise beginnt in | |
Shanghai und verläuft zunächst parallel zum größten chinesischen Fluss, dem | |
Jangtse. Dann werden die Bambuswälder Sichuans durchquert, danach geht’s | |
auf fünftausend Meter hinauf ins tibetische Hochland. Hier wird die Straße | |
zum berüchtigten Schuan-Tibet-Highway, zum Teil eher Piste als Straße. Ab | |
Lhasa, der tibetischen Hauptstadt, wird die 318 auch China-Nepal Friendship | |
Highway genannt. Am Schluss geht es, einfach weil er da ist, zum Mount | |
Everest, den Berg den die Tibeter Qomolangma nennen, „Mutter des | |
Universums“. Wie soll das ganze Universum mal in den Berg gepasst haben, | |
fragt sich der Autor, der normalerweise schon Treppenhäuser meidet. Aber | |
die Tibeter nennen ja auch einen Kalendersprücheklopfer Dalai Lama, was | |
„Ozean der Weisheit“ bedeutet. | |
Das bis zur letzten Seite wunderbare Buch ist gespickt mit vielen ganz | |
kleinen, aber auch äußerst dramatischen Erlebnissen, die Christian Y. | |
Schmidt während seiner Reise hatte. Immer wieder wird er mit | |
Sprachproblemen und der für Europäer so ungewöhnlichen chinesischen | |
Denkweise konfrontiert. Schmidt muss erfahren, dass er, wenn er vier Leute | |
nach dem Bus in die nächste Stadt fragt, vier unterschiedliche Antworten | |
bekommt. Er entscheidet sich für die, die ihm gerade in den Kram passt – | |
und liegt damit goldrichtig. Er überlebt die Massagen chinesischer | |
Ringerinnen und mehrere Erdrutsche, schließt Freundschaft mit Kakerlaken, | |
begleitet wildfremde Chinesinnen beim Shoppen und liefert sich | |
Tortenschlachten mit Soldaten. | |
Inzwischen ist unser Held längst wieder in Peking und hat dort | |
glücklicherweise die Olympischen Spiele überlebt. Ohne Zweifel ist sein | |
Buch eines der besten Reisebücher, das je geschrieben wurde – nicht zuletzt | |
wegen der vielen skurrilen Situationen, die Schmidt darin wiedergibt und | |
die, wie der Autor versichert, allesamt genau so entstanden sind. Dieter | |
Grönling | |
Christian Y. Schmidt: „Allein unter 1,3 Milliarden“, Rowohlt Berlin, 2008, | |
317 S., 19,90 Euro | |
27 Aug 2008 | |
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