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# taz.de -- Iggy and the Stooges im Konzert: Ich will euer Hund sein
> Iggy and the Stooges feiern die Deutschlandpremiere ihrer Tournee in
> Berlin. Nach über 30 Jahren zeigen sie noch einmal Unterhaltung ohne
> Tamtam - Punk als nüchternes Re-Enactment.
Bild: Gerne holt sich Iggy seine Fans auf die Bühne -wie hier beim Pinkpop-Fes…
Sarkasmus in der U-Bahn. Bier trinkende Herren mittleren Alters sprechen
vom "Kreuzberg-Festival mit ein bisschen Iggy". Würde der alte Leguan den
Hauch einer Chance haben gegen die weit jüngeren Vorbands EL-KE und Jingo
De Lunch? Er würde.
Eher war es das Publikum, das die Zeitreise rückwärts zu bewältigen hatte.
Einige gestandene Punks lassen sich per Taxi direkt bis zum Eingang des
Konzertgeländes kutschieren - man ist halt nicht mehr so gut zu Fuß. Viele
Gesichter, denen man das Erwartungsfrohe trotz aller Furchen ansieht. Und
zwei neunjährige Mädchen, die wie besessen um ihre Eltern hüpfen: Unser
erstes Punkkonzert! Auch am Bierstand ist die vorherrschende Modefarbe
immer noch Schwarz. Heute ist diesem Schwarz allerdings jegliches Böse
abhold. Auch dem englischen Easyjet-Rocker, der mit Lederhose, Stiefeletten
und Ledermantel daherstolziert und nervös an seinen Mentholzigaretten
saugt, das schwarz gefärbte Haar schütter.
EL-KE, benannt nach einem Autokennzeichen im Emsland, sehen ebenfalls
durchgestylt aus, von der Pilotensonnenbrille bis zur Gitarre an der
Kniekehle. Die Musik des Trios ist gesichtsloser Metalpunk anno 2008.
"Häuser stürzen ein", singen sie, der Zitadelle ists herzlich egal. Jingo
De Lunch sind kaum weniger dröge. Die humorlos durchgekickte Bassdrum
klingt für immer nach Baujahr 1988. Wenigstens animiert die afrokanadische
Sängerin Yvonne Ducksworth das Publikum. Ihre Stimme verströmt einen Soul,
der von den vergangenen Saalschlachten kein bisschen mitgenommen ist.
Als die Scheinwerfer nach kurzer Umbaupause angehen, haben sich die Stooges
ohne Tamtam an ihre Instrumente begeben. "Im Loose" ist ihr Auftaktsong.
Brachial und zielgerichtet in ihrer Einfältigkeit, zeigen die Stooges
sofort, wie viel Freiraum in Simplizität stecken kann. Der 1968 entstandene
Song zeigt auch, nicht die Virtuosität ist das Entscheidende, sondern die
Ökonomie zwischen Riff und Beat, die Spannung zwischen Band und Sänger, die
die folgenden 80 Minuten nie abreißen wird.
Da stehen sie also, Ron Asheton an der Flying-V-Gitarre, getreu seinem
Hobby, Naziparaphenalien-Sammeln, eine schmierige Gestalt. Sein Antipode
auf der anderen Bühnenseite Mike Watt. Der Bassist ersetzt den verstorbenen
Stooge Dave Alexander nicht nur, Watt repräsentiert eine zweite verlorene
US-Punk-Ära, die der 80er-Jahre. In seinem blauen Overall markiert er auch,
dass Unterhaltungsarbeit verrichtet wird. Rons Bruder Scott am Schlagzeug
wirkt eher undurchsichtig, zu seinem Spitznamen "Rock Action" muss er
jenseits der Bühne gekommen sein. Voll integriert ist auch der
Jazzsaxofonist Steve Mackay, dessen Energyplaying klarmacht, woher die
Stooges kommen.
Dass Iggy der Blickfang sein würde, war gar nicht die Frage. Nur wie
selbstbewusst er mit seinem nackten ausgemergelten Oberkörper vor die Leute
tritt, ist dann doch erstaunlich. Gleich im zweiten Song "I Wanna Be Your
Dog" kriegt er das Publikum, als er mit einem Hechtsprung auf Watts
Boxenturm landet und lasziv Rodeo reitet, wie ein Pin-up-Girl.
Man hat so eine Ahnung, wie aus dem asthmatischen Linkshänder James
Osterberg, aufgewachsen in einem Wohnwagen im Kaff Ypsilanti in Michigan,
Iggy Pop geworden sein könnte. Iggy, Kurzform von Iguana, deutsch Leguan,
der Name entstammt einer Hänselei. Es hieß, er sei ein behäbiges Großmaul.
Dass Iggy nun im zarten Alter von 61 als lecker aufgescheuchtes Huhn
herumturnt, ist die eine Sache. Die andere Sache ist, dass er mit den
Stooges fantastisches Re-Enactment betreibt. Sie waren auf Drogen immer zu
kompliziert für die Prolls und zu einfach für die Denker. Jetzt, als
nüchterne Version ihrer selbst, zünden die großen Antihits, von "No Fun"
über "1969" zu "Search & Destroy". Zwischen jedem Song duscht sich Iggy Pop
mit zwei Flaschen Wasser, dann rutscht die Röhrenjeans wieder ein Stück
runter: Iggy, der mit der Poritze tanzt und dann Stagediving macht,
Zuschauer auf die Bühne holt und gar nicht unterwürfig sagt: "Ich bin euer
Fan." Die Zugabe ist folgerichtig der alte S/M-Klassiker "I Wanna Be Your
Dog", dessen Refrain zum zweiten Mal an diesem Abend aus dreitausend Kehlen
erschallt.
30 Aug 2008
## AUTOREN
Julian Weber
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