# taz.de -- Hannover Goes Fashion: Der Teermeister | |
> Der Modemacher Helmut Lang versucht sich als Künstler in Hannover in der | |
> Kestnergesellschaft. Er sollte es wohl besser lassen. | |
Bild: Selbsportrait des Künstlers Helmut Lang. | |
Er entwarf den Look der 1990er-Jahre. Helmut Lang war mit der Definition | |
des schwarzen Anzugs vor einem Jahrzehnt zu einem der bis heute | |
einflussreichsten Modeschöpfer geworden. Seine Kleidung war cool und pur, | |
tadellos und rigide im Schnitt. Seine Entwürfe wurden zur Uniform der | |
Kreativbranche. Auf der Suche nach immer weitergehender Reduktion und | |
Perfektion in der Schnittführung wurden seine Kollektionen immer | |
abstrakter. In den letzten Kollektionen betonte er die konstruktiven | |
Elemente der Kleidung. Von Tops und Hemden blieben nur noch Nähte und | |
Knopfleisten übrig. T-Shirts hatten Löcher, großflächige Cut-Outs oder | |
bestanden aus kaum mehr als dem Halsausschnitt. | |
Das war konsequent und in Verbindung mit den zeitlosen Basics, für die Lang | |
steht, sogar tragbar. Modischer Minimalismus: Kleidung aus dem Geist der | |
Kunst, eingedampft auf die wesentlichen Formen, dabei von jeder Dekoration | |
befreit. | |
2005 befreite sich Lang dann auch endgültig von der Bürde des Modemachens. | |
1999 hatte er schon 51 Prozent seiner Marke an die Prada-Gruppe verkauft, | |
2004 veräußerte er die restlichen 49 Prozent an Patrizio Bertelli, den CEO | |
des expandierenden Konzerns, der sich zur selben Zeit auch die Modemarke | |
Jil Sander einverleibte. Für Lang schien dieser Coup allerdings glücklicher | |
ausgegangen zu sein. Mit dem Verkaufserlös von rund 100 Millionen US-Dollar | |
verschwand er geräuschlos von der New Yorker Modebühne in sein Haus auf | |
Long Island. Unsentimental und ohne nostalgischen Blick, aber in der | |
Gewissheit, einer der ganz Großen gewesen zu sein. | |
Zur Eröffnung seiner Soloshow in der Kestnergesellschaft im Rahmen des | |
Spätsommerspektakels "Hannover Goes Fashion" fehlte Lang. Schließlich hatte | |
er sich schon früher nur ungern am Ende des Defilees zu sehen gegeben, galt | |
als scheu und schwierig. So ließ er sich durch seinen Assistenten Joakim | |
Andreasson vertreten, der seinem Chef zumindest modisch alle Ehre machte. | |
Im schmalen schwarzen Anzug, darunter ein weißes Feinrippshirt, die | |
Hosenbeine so in die wadenhohen Schnürstiefel gesteckt, dass sie sich zur | |
Silhouette von Militärbreeches stauchten. | |
Künstlerisch ist Helmut Lang ebenfalls noch nicht angekommen. "Alles gleich | |
schwer" hat er seine Ausstellung genannt, sich die Sache aber ziemlich | |
leicht gemacht. Er zeigt einen dürftigen Mix aus Arte Povera und | |
Readymades. Beschworen durch jede Menge Selbstreferenzialität. Auftakt | |
macht eine große Spiegelkugel, die lädiert auf dem Boden liegt. Sie | |
gehörte, wie einige andere Objekte, zur Ladeneinrichtung seines New Yorker | |
Ladens. Dahinter wird ein Video von Modenschauen auf eine halbtransparente | |
Spiegelwand projiziert. Die Besucher sollen vor und hinter der Wand | |
herlaufen und so versuchsweise in die Parallelwelt des Modebusiness | |
eintauchen. | |
Rustikal geht es weiter. "Drei" hölzerne Adler hat Lang mit Teer überzogen, | |
um ihnen danach Kopf und Hinterteil abzusägen; Schaffelle in roh behauene | |
Holztröge gelegt und gleichfalls mit Teer übergossen. In seiner Mode hatte | |
die Kombination von technologischen Materialien und feinen Stoffen Methode. | |
Er vereinte damit zwei bis dahin getrennte Segmente und versöhnte sie unter | |
der Strenge des Schnitts. In der Ausstellung funktioniert dieses Prinzip | |
nicht so einfach. Hier produziert Lang nur seichten Materialkitsch. | |
Wie die "Surrogate Skins" an den Wänden. Die Lagen übereinander geklebten | |
Papiers verbleiben in dekorativer Haptik. Alte Prellböcke aus geschichtetem | |
Gummi zwischen rohen Stahlzwingen werden unter der Bemalung Langs und der | |
Anbringung im White Cube zu schönen, aber bedeutungslosen Wandobjekten. | |
Abgeschlossen wird die Schau von einer Installation aus Rohren, | |
Gummibändern, Eisenschellen und anderem Krimskrams, den Lang offenbar am | |
Strand der Hamptons aufgelesen hat. "Arbor" changiert zwischen umgekipptem | |
Maibaum und Fernrohr aus Recyclingteilen. | |
Freilich, von Helmut Lang hätte man mehr erwarten dürfen als | |
Bastelarbeiten. Doch es reicht eben nicht, auf den Klang großer Namen zu | |
setzen. Denn ärgerlich wird die Ausstellung bei dem Versuch, die Kunstwerke | |
symbolisch aufzuladen, wenn von Ersatzhäuten gesprochen wird und | |
"folklorischen Riten". Die Kestnergesellschaft, einer der ältesten und | |
größten deutschen Kunstvereine, hatte aber offenbar bei der Planung der | |
Schau nicht viel mitzureden. Dem Hauskurator wurde ein Mitarbeiter aus dem | |
Hause "hl-art" wie Lang seine Kunstproduktionsfirma nennt, zur Seite | |
gestellt. Und Direktor Veit Görner hat sich darauf eingelassen, die | |
Ausstellung in Kooperation mit einer Wodkamarke zu einer Werbeveranstaltung | |
werden zu lassen. Ursprünglich wollte er Lang dafür gewinnen, auf seine | |
Mode zu fokussieren und ihn als zeithistorische Figur des Fashion Business | |
zu präsentieren. Doch Lang wollte lieber Kunst zeigen. | |
Helmut Lang, "Alles gleich schwer", Kestnergesellschaft Hannover, noch bis | |
zum 2. November 2008, [1][www.kestner.org] | |
2 Sep 2008 | |
## LINKS | |
[1] http://www.kestner.org/ | |
## AUTOREN | |
Marcus Woeller | |
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Hannover | |
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