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# taz.de -- Dokumentaroper über das Olympia-Attentat von 1972: Bitte vom Bahns…
> Die Stadt München gab Andreas Ammer Geld für eine Dokumentaroper über den
> "Schwarzen September" von 1972. Doch nun bremsen die Verkehrsbetriebe das
> Projekt aus
Bild: Kleine Gedanktafel an die Anschläge
Er weiß noch genau, wie das war, im Spätsommer 1972. Mit gekreuzten Beinen
saß er auf der schwarzen Leder-Ausziehcouch seiner Eltern und sah zu, wie
die Bilder der Geiselnahme von elf israelischen Sportlern während der
Münchner Sommerolympiade über den Bildschirm flimmerten. Er weiß noch, wie
tief beeindruckt er war von "dieser weltweiten Fassungslosigkeit", nachdem
alle Geiseln, fünf Geiselnehmer und ein Polizist schließlich ums Leben
kamen. Damals war er zwölf.
Im vergangenen Herbst, 35 Jahre später, bekam Andreas Ammer von der Stadt
München einen Förderpreis für ein Projekt, das dazu beitragen sollte, das
Geschehene noch einmal Revue passieren zu lassen. Das olympische Dorf, wo
zumindest eine kleine Gedenktafel an die Anschläge erinnert, wird demnächst
abgerissen. Die U-Bahn-Linie 3, die zu jener Zeit gebaut wurde und die bis
heute vom Stadtzentrum in 16 Minuten zum Olympiastadion fährt, wollte der
Künstler zum Schauplatz seiner Performance machen.
Doch jetzt scheitert das Kunstprojekt am Veto der Münchner
Verkehrsbetriebe, "sowohl aus betrieblichen als auch aus
sicherheitstechnischen Gründen", obwohl die Stadt bereits eine Fördersumme
von 40.000 Euro bewilligt hat. Statt der zehn geplanten "Dokumentar-Arien"
in den U-Bahn-Waggons bot man dem Künstler das Sperrengeschoss an, für eine
gediegene Fotoausstellung mit Audio-Guide. Kaum eine Alternative zum
ursprünglichen Konzept: Historische Archivtöne sollten von Martin
Gretschmann (Console, The Notwist) in elektronische Musik übersetzt werden
und während der Fahrt wie Lautsprecheransagen durch die Wagen schnarren.
Alle Schilder der elf U-Bahn-Stationen wollte Andreas Ammer mit den Namen
der getöteten Sportler überkleben. Denn "so vieles hat damals in München
begonnen", sagt er. Ammer zählt es auf, spricht vom "Gründungsakt des
palästinensischen Terrorismus" und von Olympischen Spielen, die seither
"wie ein Polizeistaat" funktionieren: "München war das Ende des großen
Traums der friedlichen Spiele."
Nicht nur als Künstler, sondern vor allem als Hörspielautor hat sich
Andreas Ammer, Träger des Deutschen Hörspielpreises und des Prix Europa,
dem halbdokumentarischen Genre verschrieben. Kritische Stimmen ist er
gewohnt. Als er für eine Produktion für den Bayerischen Rundfunk
Originaltöne des Flugschreibers einer abgestürzten Maschine auswertete,
gingen Leserbriefe ein, die dem Autor "Leichenfledderei" vorwarfen.
Andreas Ammer ist nicht der erste Künstler, der dem "Schwarzen September"
beizukommen sucht. Die amerikanische Filmemacherin Sarah Morris etwa zeigt
ihre Installation "1972" im Lenbachhaus seit April - klassisch abgeriegelt
in einem White-Cube-Ausstellungsraum. Im Jahr 2000 machten "Ammer &
Console" erstmals "The Olympic Bootleg" zu einem Schauspiel, unterlegt mit
grellem Licht, dumpfen Beats und zehrenden, hohen Synthesizertönen. Das
neue Spektakel sollte dagegen wie ein "historisches Ballett" an einem
Publikum vorbeiziehen, das zum überwiegenden Teil nur zufällig
hineingeraten wäre, mitten im Berufsverkehr. Invasiv klingt das und war
auch so gemeint. Die Invasion des öffentlichen Raums durch die Subkultur
haben die "Urbanauten", Gewinner desselben Förderpreises und Veranstalter
regelmäßiger Debattenzirkel in München, zu ihrem Thema gemacht.
Bereits zwei ihrer Projekte wurden in diesem Jahr verboten, weil sie als zu
laut und zu öffentlich galten. Erst eine Silent-Disco mit Funkkopfhörern
und entsprechender Soundanlage konnte im Stadtzentrum unter freiem Himmel
realisiert werden. Und während München an seiner Bewerbung für die
Winterspiele 2010 bastelt, gibt Andreas Ammer auf: "Ich bin einfach nicht
der Typ, der so was dann trotzdem macht und sich verhaften lässt." JOHANNA
SCHMELLER
3 Sep 2008
## AUTOREN
Johanna Schmeller
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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